Ich besitze einen Videorecorder und nach Flohmarktbesuchen stehen regelmäßig ein paar neue alte Kassetten im Regal. Tauchen Namen wie Jack Hill, Joe D’Amato, Pam Grier oder Sid Haig auf einem Filmplakat auf, wandern die entsprechenden Titel umgehend auf meine Watchlist. Ganz ähnlich dürfte es auch Autor Steve D und Zeichner Jef gehen. Mit „Gun Crazy“ präsentiert das französische Duo einen Exploitation-Comic, der voller Referenzen an die schmuddeligen Ecken des Kinos steckt.
Hauptfiguren der rasanten Geschichte sind Dolly Sanchez und Lanoya O’Brien. Die eine Afro-Amerikanerin, die andere Latina, und beide als treffsicheres Paar auf dem Weg, der Vergangenheit zu entfliehen. Ihre Reise führt durch eine Welt, die bevölkert ist von rassistischen Rednecks, einfältigen Cops, einem spröden Pädophilen-Jäger sowie dem maskierten White-Power-Psychopathen Super Whiteman. Wer nun wirklich noch eine schlüssige Story erwartet, wird hiermit nicht glücklich.
„Gun Crazy“ ist schrill, überdreht und nicht zimperlich in Sachen Sex, Drogen und Gewalt. Hier bekommt man zünftige Action, beizeiten zynischen Humor und viel nackte Haut. Ein Comic wie ein Road Movie fürs Bahnhofskino. Grafisch in Szene gesetzt wird dies im Stile der oft groben, aber farbenfrohen franko-belgischen Action- und Sci-Fi-Titel der späten 70er und frühen 80er Jahre. Eine passende Wahl für diese Hommage. So gelingt es den visuellen Stärken einige der Schwächen im Storytelling auszugleichen.
Insgesamt setzen Steve D und Jef in „Gun Crazy“ etwas zu sehr auf Look, Spektakel und Attitüde. Mit „Shooting Ramirez“ hat Schreiber & Leser einen weiteren, diesem nicht unähnlichen Titel im Programm, den sich Fans des Genres vielleicht vorher mal ansehen sollten.