Lesung: Nagel, Lee Hollis am 11.01.2008 im Bahnhof Langendreer (Studio 108), Bochum
Nagel, Lee Hollis am 11.01.08 in Bochum
Die Lesung is im "Studio 108" anner annern Seite vom Bahnhof-Langendreer-Komplex, war ich bisher nich, sieht auch etwas edler aus. Und selbstverständlich bestuhlt! Den Anfang macht Nagel, bekannt als Sänger von Muff Potter und von seinem Solo-Projekt "Freunde der Nacht/Ruhe", heute liest er aus seinem Buch "Wo die wilden Maden graben"
Und das Buch handelt - wovon auch sonst - von den Erlebnissen eines Musikers auf Tour und back home. Vermutlich zum Großteil autobiographisch, auch wenn die Namen vertauscht wurden. Ganz beim Lesen bleibt es aber auch nicht, zwischendurch erzählt Nagel auch flott ausm Bauch heraus oder zeigt uns Fotos auffer Leinwand - von der Hinfahrt, von der Tour und speziell von der Nordafrika-Tour mit Muff Potter.
Zwischendurch hört man immer mal, wie nebenan die Bahn vorbeifährt. Nagel interpretiert das als den "Drachen vom Bahnhof-Langendreer, der die bösen Nazis verjagt". Fantasie hat der Mann, nicht nur wenn er Bücher schreibt...und zeigt uns noch sein Brami-Tattoo aufm Bein, das er mit "Nennt mich den Henry Rollins des Ventil-Verlags" kommentiert.
Und das baut er zum Running Gag aus, so ziemlich alle Bereiche innerhalb des Ventil-Verlags scheint er abzudecken, immer is er "der ... des Ventil-Verlags". Auch der Musiker. Also holt er seine Akustikgitarre raus und gibt nen Song zum Besten, "Ungewohnt unbewohnt" war's glaubich wenn ich mich recht entsinne.
Das Motto des Abends lautet "Masters of Spoken Punk Nullacht", an anderer Stelle auch wieder "Monster, Maden, Punk-Musik". Wie auch immer. Das Monster der Tour ist der Exil-Ami Lee Hollis, Kopf von Steakknife und der Spermbirds. Sein neues Werk heißt "Strategy for Victory" und ist ne Sammlung von kurzen Geschichten, die er äußerst charmant und selbstverständlich auf englisch vorträgt.
Dabei spricht er ziemlich frei und offen, mischt ab und zu auch deutsche Sätze und Wörter dazwischen und schafft es durchgehend, die Zuschauer bei Laune zu halten mit Geschichten übers Rauchen, über Amerika und natürlich auch über die deutsche Sprache. In seinem einzigen deutschen Text lässt er sich ordentlich über diese aus. Zitat: "Warum muss ein Stück Möbel ein Geschlecht haben?"
Weiter geht's dann mit einer kurzen Pause, in der wir uns endlich Bier holen können. Während der Lese gibts nämlich anner Theke nix, na sowat. Anschließend darf dann Nagel wieder vorne sitzen. Multimedial etwas fortgeschrittener zeigt er uns nen Flyer mit Bands wie "Fußpils", "Rattenpisse" und "Feindbild". Großartig.
Und sonst halt Storys ausm Buch. Wie sie über die Schweizer Grenze reisen, wie man sich am Ende anpisst - auch bereits bekannte Storys wie die Prügelei mit nem Nazi aus Warendorf packt er aus. Und natürlich auch mal wieder seine Gitarre, soll uns ja nicht langweilig werden hier
Und danach wieder Lee Hollis zum Abschluss. Der kann zwar keine Gitarre spielen und hat auch keine Fotos dabei, dafür fesseln uns seine Weltansichten und vor Allem seine Art des Vortrages, insgesamt schafft er mit seinem durchaus leicht verständlichem Englisch deutlich lockerere Stimmung als Nagels Wechselspiel von Nebensätzen und kryptisch anmutenden Formulierungen.
Und er hat ein Bier vor sich stehen, sehr schön! Im Gegensatz zu Nagel wird auch mal über den Ventil-Verlag gelästert. Autobiographische Züge haben seine Anekdoten aber selbstverständlich auch, so erzählt er über das Leben als Kneipenkellner während der Sonnenfinsternis oder seine alte Heimat Alabama.
Viel mehr kann ich zur Lesung eigentlich nicht schreiben, dazu müsste ich ja die ganzen Geschichten zitieren - die beiden Autoren haben aber deutlich gezeigt, dass Punkrock mehr sein kann als nur stumpfe Akkorde. Hier gibts Punkrock in schriftlicher Form, und die Lesung hat wirklich Bock auf mehr gemacht, könnte man sich öfter mal antun.
N Buch kaufen wir trotzdem nich, lieber n Bier vonner Tanke...Danach haut Ratz (Wer da war: Das war der mit den unangemessenen Zwischenrufen) ab zu ner Studentenparty, für Holdy und mich gehts zur Hirsch-Q und zum Limericks, irgendwie muss man den Abend ja ausklingen lassen. War ja auch genug Kultur.