Die Aeronauten, 11.03.2010 in Düsseldorf, Pretty Vacant - Bericht von Fö
Die Aeronauten, 11.03.2010 in Düsseldorf
Alleine mit ner Pulle Bier in der Düsseldorfer Altstadt auf den Hengst warten, der sich ebenfalls angekündigt hat. Ich seh wohl so abgeranzt aus, dass selbst der vorbeigehende Penner nur mitleidig guckt und lieber die in meinen Augen viel abgeranzteren Ballermann-Besucher anschnorrt. Als mein Bier alle ist und ich die leere Flasche wegstelle, wendet sich das Blatt - der Penner erkennt mich plötzlich als potentiellen Geldgeber und fragt nach ein paar Münzchen - nee sorry, kein Kleingeld dabei. "Sowas wie dich würden sie in Afrika zu Mehl verarbeiten, die Knochen zermahlen!", provoziert er mich. "Wegen den blonden Haaren". Aha, verwechselt er gerade blonde Haare mit Albinos? Egal, ich steige auf das Gespräch ein und weise ihn darauf hin, dass ich rote Haare habe, wofür man ja früher sogar hier in Deutschland verbrannt worden sei. Er erkennt den willkommenen Gesprächspartner in mir. "Aber rothaarige Frauen sind begehrt! Wie heißt nochmal der Typ vom Playboy?" - "Hugh Hefner" - "Genau, der zahlt 100 Millionen Euro, also umgerechnet, an Frauen die sich fürs Magazin ablichten lassen". Achso. Nach dieser erstaunlichen Information geht er weiter schnorren, macht aber nach 100 Metern kehrt. "Hab mich vertan, gibt doch nur eine Million." Sprachs und ging weiter.
Auch ich bewege mich vom Platze. Wozu weiter draußen warten, wenn die Band inzwischen schon gen Bühne startet! Etwas hin und her wegen der Liste, aber pünktlich zu Beginn stehe ich in den Kellerräumen des Pretty Vacant und die ersten Töne erschallen von der Bühne. Mit "Feuer der Liebe", Opener der aktuellen Platte "Hallo Leidenschaft", wird der Abend eröffnet.
Auch sonst konzentriert sich das Set ziemlich auf die aktuelle CD - naja, wat solls, sind die Aeronauten schließlich eine der wenigen Bands, die ihr Niveau wirklich von Album zu Album halten können. Und live kommt das nochmal doppelt gut, nicht zuletzt durch Frontmann GUZ und seine Interaktionen mit Band und Publikum
6 Leute zählen die Aeronauten und so viele Leute sind wohl auch mindestens nötig, damit die Lieder auch so variationsreich klingen, wie sie müssen. Eher ruhige Musik, die sich vordergründig irgendwo zwischen Soul, Swing und Rock bewegt, aber im Subtext dann doch etwas Punkattitüde mitbringt.
An den Instrumenten wird aber zwischendurch auch immer mal gewechselt. Während Guz den Bass bedient, geht Bassist Hipp zum Beispiel auch mal an die Orgel.
Vor der Bühne wird schon bald ausgiebig das Tanzbein geschwungen, auch wenn sich doch eher wenig Leute ganz nach vorne wagen - Platz ist ja da, aber wenn sich alles auf den Treppenstufen staut, will sich da wohl keiner durchdrängeln - verständlich. Aber eben ein kleines Manko des Pretty Vacant.
Saxophonist Roger darf zwischendurch auch mal an den Gesang - zum Beispiel für das französische ("Die Leute werden schon merken, dass das Lied auf französisch ist") Lied "Patates". Der Hengst, inzwischen auch aufgetaucht, bemerkt noch, wie lustig er es findet, dass ausgerechnet das einzige französische Lied über Kartoffeln handelt. Ja, sollte man mal drüber nachdenken.
Jau, langsam wirds auch mal Zeit für ein paar Klassiker. "Mit dem Alter fängt man an, sich für Countrymusik zu interessieren" entlarvt GUZ als große Lüge, denn schließlich tut man dies schon in jungen Jahren. Oha oha, weise Worte.
Auch sonst hat GUZ zu jedem Song noch was zu sagen - er sagt es zwar nicht zu jedem Song, aber man weiß einfach, dass er es kann. So gibts zwischendurch noch ein paar Beziehungsanekdoten von Frauen, die sich kurz vor der Hochzeit ins Kloster verziehen, oder auch die klassische Konstellation "er Banker, sie hat nen Esoterikladen und wohnt im Wald". Ja, so ist das Leben.
Ansonsten ein ziemlich ausgewogenes Konzert, das irgendwie (liegt es am Namen der Band?) tatsächlich wie im Fluge vergeht, zumindest erschrecke ich beim Blick auf die Uhr doch ein wenig, wie lange die Band schon spielt. Aber irgendwie warte ich trotzdem noch auf den großen Funken, bisher war das zwar alles sehr unterhaltsam, aber eben noch kein Stimmungsknaller
Achja, kurz mal auf die andere Seite der Bühne, Bass und Gitarre wollen ja schließlich auch abgelichtet werden - Alter, Drumsticktapping hab ich ja seit Adam Bomb nicht mehr gesehen! Geil! Der Song dazu war aber eher ein ruhiger - naja. Und gleichzeitig der angeblich letzte.
Verdammte Rockstarscheiße, kennen wir doch alle, kennt die Band auch, also wird nicht lange gefackelt, zurück auf die Bühne! Roger darf mal wieder ein Lied anstimmen, diesmal auf schwizerdütsch - au Backe. Damit wir auch alle den Text zu "Womunidure" verstehen, bekommen wir die Übersetzung schriftlich serviert.
Im Zugabenpart tauen Band und Publikum auch offensichtlich erst so richtig auf, endlich macht es mal richtig Spaß. Und die obligatorische Bandvorstellung (hier Schlagzeuger Dany) stört mich auch nicht weiter, denn selbst da wippt alles mit.
Darf auch nicht fehlen: "Freundin" zur zweiten Zugabe, alleine von GUZ auf der Akustikgitarre dargeboten. Einfach ein absoluter Hit, ohne Zweifel! Besonders schön nach "Die Band steht in der Ecke und sie spielen wieder Punkrock": GUZ intoniert kurz ein wenig von der Düsseldorfer Punklegende "Mittagspause" - kannte ich nicht, war vor meiner Zeit. Egal.
Und damit der Rest der Band nicht untätig und trinkender- und rauchenderweise in der Ecke steht, kommen sie zum Refrain nochmal nach vorne und singen mit. Genau wie das komplette Pretty Vacant. Schöne Sache!
Wo wir gerade bei Punkrock sind, auch die folgenden Stücke "Schatten" und natürlich "Sensibel" gehören wohl eindeutig in diese Sparte und werden mit großer Begeisterung vom Publikum aufgenommen. Endlich sieht man sogar Punkrockfinger!
Punkt 23 Uhr soll im Pretty Vacant Schluss sein, aber GUZ meint ganz lapidar: "Wir spielen einfach, mal schauen ob sie uns den Strom abstellen", also gibts als dritte Zugabe noch das irgendwann abgebrochene "Eddie und ich" sowie das von Hipp gesungene "Poupée de cire" - und dann muss die Band sich auch schon verabschieden. Anderthalb Stunden Spielzeit, jede Sekunde wert! Ja, tschöj, wir müssen dann auch die Bahn kriegen.