Juicy Beats Festival: Egotronic, Frittenbude, Bratze, Blumentopf, Turntable Hools, Awesome Scampis, Tocotronic, 31.07.2010 in Dortmund, Westfalenpark - Bericht von Fö
Juicy Beats Festival, 31.07.2010 in Dortmund
Unser erstes Ziel: Die Luups-Bühne! Karten und Wegweiser sind hier etwas suboptimal, aber irgendwann finden wir sie. Es spielen bereits die Awesome Scampis - die sympathische kleine Skaband von umme Ecke. Spät ins Programm gerutscht, weswegen sie im Programmheft nicht vermerkt sind - trotzdem hat sich gut Publikum zur mittäglichen Stunde eingefunden.
Leider parallel zu "Der Wolf" auf der einen, "Mike Zero" auf der anderen und gefühlten weiteren 10 Bands auf den restlichen Bühnen. Naja, dadurch verteilen sich zwar die Zuschauermassen ziemlich, was gut ist, aber man muss eben auch auf ein paar Bands verzichten, was schlecht ist. Zellteilung beherrsche zumindest ich noch nicht. Muss man halt Prioritäten setzen...
Richtig viel ist noch nicht los, vorne wird aber bereits ein wenig getanzt, ein paar Leute können sogar mitsingen, geht klar als Auftakt. Mit ner ganzen Stunde Spielzeit kommen die Fans voll auf ihre Kosten, sogar einen neuen Song hauen die Scampis raus.
Nunja. Unbeschwert-fröhlicher Auftritt. Sogar inklusive Bassistenwitz - gibt direkt nen Pluspunkt, auch wenn keiner gelacht hat. Kiki stellt fest, dass in den 3-4 Jahren, die wir die Band nun kennen, die Mitglieder kein Stück gealtert sind. Er hätte auch gerne was von der Antifaltencreme!
Dafür vermisst Kiki das Vengaboys-Cover. Naja. Als Entschädigung ein anderes Live-Highlight der Awesome Scampis: Einen Song, in dem es nur um "Dau dau dau" geht. Ja, äh, Spaß hat die Band. Auch beim letzten Lied "Tauben vergiften", das mir tatsächlich einen Ohrwurm beschert. Sachen gibts.
Weiter gehts zur FZW-Bühne! Und einem Nachmittagsset, das wohl keine Wünsche offen lässt: Bratze, Egotronic und Frittenbude direkt nacheinander. Audiolith ist nunmal das Ding der Stunde, wie uns auch der Programmplaner versichert. Los gehts mit Bratze.
Bisher nie live gesehen - schon wieder ne Premiere! Bei Bratze haben sich zwei Musiker zusammengeschlossen, die auch alleine ganz gut klarkommen: Clickclickdecker an Gitarre, Keyboard und Gesang - und Der Tante Renate an Gitarre, Keyboard und Gesang. Höhö. Naja, mit unterschiedlichen Prioritäten.
Technisch und textlich meiner Meinung nach deutlich anspruchsvoller als die anderen beiden Audiolith-Zugpferde, aber so richtig in seinen Bann zieht mich das live nicht. Schöne Musik und schöner Schnurrbart, dem gegenüber stehen die frühe Stunde und diese ekelhafte Open-Air-Atmosphäre voller enthusiastischer trendy Teenies.
Oder liegt es etwa doch an der "Band" selbst? Erst gute 12 Stunden ist schließlich ihr letzter Auftritt her, dementsprechend wenig Schlaf hatten die Protagonisten. Aber wat solls, so als Profi zieht man das durch.
Gespielt wurde, wie zu erwarten, so einiges vom aktuellen Album "Korrektur nach unten". Konkret erinnern kann ich mich an "Menschen im Minus", ab da wirds schon wieder schwer. Nunja, auch genug ältere Stücke, an das Kraft-Album kommt ja sowieso nix ran.
Publikum. Gerade mal knapp 15 Uhr und schon so viel los - Wahnsinn! Vor Allem, da man davon ausgehen kann, dass die meisten auch direkt 3 Stunden hier bleiben werden. Hachja, die Audiolith-Jugend. Wir genießen den Auftritt lieber von weiter hinten. Außer zum Fotos schießen, natürlich. Hähä.
Jau. Schöner Auftritt von Bratze, aber irgendwie kein Highlight - gibt mir auf Platte mehr. Gibt mir garantiert auch in nem kleinen Club mehr, aber sowas hab ich ja auch nicht erwartet. Eigentlich müsste man jetzt schnell rüber zur Richkidz-Bühne, noch ein wenig von Susanne Blech erhaschen - aber bevor das in Stress ausartet, kurz zum Hö und Bier trinken. Und alle so: Yeah.
Wir kommen genau rechtzeitig wieder an der Bühne an, als Egotronic ihren Überhit "Raven gegen Deutschland" zelebrieren. Erfahrungsgemäß eh der zweite-dritte Song im Set, also können wir nicht viel verpasst haben. Immer wieder geil, die Band zu sehen! Und im Gegensatz zu Bratze zuvor zündet der Funke bei mir diesmal direkt.
Man siehts am Mittelfinger: Egotronic haben viel zu sagen! Opfer Nummer eins ist heute Eva Hermann, die sich mit ihren letzten Aussagen zum Hassbild der Nation gemacht hat, nicht nur der Elektrohörer. Apropos Nation: auch an die geht der Mittelfinger raus. Bestens! Das tut nach dieser ganzen WM-Euphorie sowas von gut! Aus hunderten Kehlen "Deutschland soll brennen" zu hören, löst so einige Krämpfe in meinem Körper. Danke!
Auch wenn ich mich nun wirklich nicht als "antideutsch" sehe. Und den Großteil des Publikums auch nicht. Aber die Gewissheit, hier keine nervigen Deutschlandfahnen sehen zu müssen, beruhigt einfach ungemein. Feiern geht auch ohne Nationalstolz!
Überhaupt zeigt sich die Band bestens drauf - man kann sich direkt vorstellen, dass es nicht nur fürs Publikum eine Riesenparty ist, wenn mehrere Audiolith-Bands aufeinander treffen. Achja, und Umhängekeyboards kriegen direkt 100 Punkte vom Stylepapst. Das mal so am Rande.
Mal wieder ein überragender Auftritt von Egotronic, kann man nicht anders sagen. Da verzichte ich auch gerne darauf, frühzeitig abzuhauen - was ich ursprünglich vorhatte, da parallel gerade Blumentopf angefangen haben. Tjaja, der Bühnenstress.
Ob neue Lieder wie "Toleranz", "You", "Ich kanns nicht sagen" oder ältere wie "Pilze", "Lustprinzip", "Nicht nur Raver" - die Zuschauer feiern begeistert mit. So soll es sein! Egotronic haben wirklich noch nie enttäuscht...
Zufällig treffe ich nach langer Zeit mal wieder auf Kaja und Holdy, mit denen es direkt weiter zur Hauptbühne geht: Blumentopf spielen! Sind sogar schon geraume Zeit zugange, als wir ankommen - aber das war uns ja vorher klar. Muss ja ehrlich sagen, dass Blumentopf mir auf CD nicht unbedingt viel geben, live wollte ich mir die Jungs aber schon ewig mal angeschaut haben.
Bekannt sind Blumentopf ja unter anderem für ihre ausschweifenden Freestyle-Parts - und so einen erleben wir auch noch mit. Und wenn man erstmal etwas näher an der Bühne steht, versteht man sogar was davon. Der Sound weiter hinten war nämlich nicht wirklich zufriedenstellend...
Ja, wie das so im Freestyle ist: von Hölzchen aufs Stöckchen. Erstmal wird ein wenig der BVB gedisst, bevor man über politische Umschweifungen beim Bowling angelangt ist. Puh, da muss man erstmal mitkommen. Aber spätestens hier merkt man, warum Blumentopf eine der wenigen wirklich ernst zu nehmenden Hiphop-Acts im Lande sind.
Zumindest sag ich das mal so als Laie, schließlich ist Hiphop, mit wenigen Ausnahmen, nicht wirklich meine Musik. Kenne auch von Blumentopf nicht viel, weswegen es mir etwas schwer fällt, überhaupt was zu den Jungs sagen zu können.
Aber hat sich gelohnt, sich hierhin auf zu machen. Alleine schon, dass man endlich mal wieder "echte" Instrumente auf der Bühne sieht (hähä). Dazu ein DJ, der wirklich was von seinem Fach versteht und ne Horde MC's, die sich gutgelaunt Klinke und Mikro in die Hand geben.
Ja, kann überzeugen. Mit "Party Safari" auch immerhin ein Lied, bei dem ich ordentlich mitfeiern kann - was aber vermutlich auch mit dem gestiegenen Alkoholpegel zu tun hat, hähä. Die restliche Show genieße ich wieder von weiter hinten, anschließend ruft mal wieder die FZW-Bühne...
...Frittenbude sind inzwischen dort zugange. Den Anfang haben wir selbstverständlich verpasst, aber das wars einfach wert. Außerdem schaffen es Frittenbude weder, den Auftritt von Egotronic zu toppen, noch den von Blumentopf.
Worans liegt? Keine Ahnung. Vor der Bühne ist sogar noch mehr los als zuvor bei Egotronic und Bratze, wahrscheinlich spricht Frittenbude einfach das breitere Publikum an: Die Audiolith-Fans ebenso wie Sauf-Atzen und Deichkind-Stylos. Mit letzteren beiden kann ich eher wenig anfangen, aber solange alle brav feiern, soll mir das egal sein.
Insbesondere feiern auch alle brav gemeinsam, als Torsun mal wieder die Bühne betritt und gemeinsam mit der Frittenbude den "Indiefresse"-Remix von "Raven gegen Deutschland" darbietet. Großartige Version eines Songs, den man nicht oft genug spielen kann.
Vor der Bühne ist gut was los wie man sieht. Vorne halte ich es auch nicht lange aus, zu dicht gedrängt stehen die Massen, da schaut man doch lieber in Ruhe von weiter hinten zu. Platz schaffen für die euphorischen Fans...
Ebenso wie Bratze und Egotronic haben auch Frittenbude letztens ein neues Album auf den Markt geschmissen. "Katzengold" heißt das gute Stück, konnte mich aber bisher nicht wirklich überzeugen. Live irgendwie auch eher durchwachsen. Ist da etwa die Luft raus?
Naja, mir fällt bald auf, was raus ist: Das Bier. Da ich ja sowieso gegen alles bin, bin ich auch gegen die Bierpreise hier. 3 Euro für nen 0.3er Becher? Plus Pfand? Habt ihr sie noch alle? Naja, soll das zahlen wer will. Wir beschließen, lieber woanders zuzugreifen.
Mal rausgehen und gucken, was an der Tanke so los ist. Äh ja, ich glaube das Bild spricht für sich. Aber wer Bier haben will, muss leiden. Ganz nebenbei verpassen wir dadurch Turbostaat - aber mal ehrlich, wer will auf nem Elektro-Hiphop-Festival schon ne Punkband sehen? Eben!
Außerdem bin ich davon ausgegangen, zumindest die letzten 20 Minuten von Turbostaat noch mit zu bekommen. Pustekuchen, denn jetzt ist erstmal Ruhe angesagt. Gedenken an die Opfer der Loveparade, und wie Ralle berichtet haben Turbostaat nicht vor, danach weiterzumachen. Hm. Zur Hauptbühne, da gibts kurz ne Rede vom Pfarrer.
Anschließend 3 Schweigeminuten. Hm. Gut, dass das gemacht wurde - Ehrensache. Aber sowas zieht halt auch ordentlich an der Stimmung. Und 21 Loveparade-Opfer sind ganz objektiv gesehen eher harmlos, wenn man die Flugzeugabstürze und Überschwemmungskatastrophen der letzten Zeit bedenkt.
Die eigentliche Katastrophe steht uns eh noch bevor: Tocotronic. Die 1.-Reihe-Streber der Hamburger Schule lassen uns erstmal ne halbe Stunde warten, bis sie endlich ihren Auftritt beginnen. Der Auftritt dann schließlich - hm.
Eigentlich wie erwartet. Tocotronic stehen da, spielen Musik, und ab und zu erzählt uns Dirk von Lowtzow irgendwelche wirschen Sachen. Ich warte die ganze Zeit, dass es etwas spannender wird.
Auf Platte gehört die Band ja weiterhin zu den besten ihrer Zunft. Aber live muss ich das nicht nochmal haben. Fast ausschließlich neuere Songs, ignorant-arroganter Auftritt, und in mir drin wuselt das Gewissen, weil mit jeder Minute, die ich mir Tocotronic länger anschaue, ich weniger von den Turntable Hools mitkriegen werde, die gerade auf der Richkidz-Bühne auflegen.
Das einzig Positive: Von Lowtzow macht uns darauf aufmerksam, die Nazidemo am 4.9. zu sprengen. Das anschließende "Aber hier leben, nein danke" entschädigt ein wenig. Aber eben nur ein wenig. Anschließend haue ich ab, schnell rüber zu den Turntable Hools!
...interessiertes Turntable-Hools-Publikum. Da dürfte wohl klar sein, wo man den meisten Spaß hat! Ich sag mal: Highlight des Tages! Die Hools sind ja bekanntermaßen KIZ, beziehungsweise heute immerhin Sil-Yan und Nico, die gemeinsam die größte Party der vergangenen Jahrzehnte feiern.
Und zwar mit der Hilfe der vergangenen Jahrzehnte! Insbesondere die 90er müssen dran glauben, unglaublich was die beiden für nen furiosen Mix auf den Plattenteller zaubern. Wer es noch nicht kennt: reinhören!!. Hatte ja eigentlich erwartet, dass sie einfach ihre CD auflegen und dazu Faxen machen, aber DJ Craft mixt die Scheiße tatsächlich live zusammen
Neben diversen musikalischen Klassikern gibts selbstverständlich auch ein paar KIZ-Stücke. Bei "Geld essen" komme ich gerade an und bin ruckzuck in Feierlaune. Und "Hurensohn" auf dem Beat von "Hard Knock Life" ist ja mal sowas von geil! Absoluter Knaller.
Zwischendurch natürlich alles mögliche, was die Musikhistorie hergibt. Keine Ahnung, krieg ich gar nicht mehr alles zusammen. Nena muss ebenso dran glauben wie Green Day und Grandmaster Flash, als "Trashdisco" kann man das nun wirklich nicht bezeichnen bei all den guten Stücken, die so angespielt werden.
Und das wird alles zusammengemixt, Song nach Song wird angespielt bis die Stimmung am Dampfen ist, um dann sofort in den nächsten zu wechseln. Großartig! Ein Song muss noch schnell aus dem Netz gezogen werden, weil die beiden ihn in Berlin vergessen haben - super! Absolutes Highlight: Culture Beats "Mr. Vain" wurde anscheinend von den Coverliren gecovert, mit Unterstützung von Nico. Was ein geiles Stück!
Jau, diese Party muss man einfach live erlebt haben, unmöglich zu beschreiben. Heißester Scheiß ever, ich schwör! Mit "Walpurgisnacht" und "Neuruppin" noch zwei weitere KIZ-Stücke, die es in sich haben - auch wenn Maxim und Tarek natürlich fehlen. Egal. Die Turntable Hools funktionieren auch zu zweit. Was ein irrer Spaß!
Damit wäre auch das "Bandprogramm" für uns beendet. Dank ein wenig Zeitverzug lohnt es sich nicht mehr wirklich, noch rüber zu Labrassbanda zu gehen, und auch die Sterne locken uns nicht. Also schnell nen Kasten Bier vom Kiosk, beim Hö leeren und zurück zum Westfalenpark, um nochmal ordentlich zu Däncen!
Das erweist sich als nicht ganz so einfach - erstmal ne Bühne finden (bzw. nen "Floor"), auf der anständige Musik gespielt wird. Und nicht nur die Bühne, auch der Weg will gefunden werden. Und das alles ohne Bier in der Hand.
Naja, ein paar ganz nette Fleckchen gibts, aber nix was uns dauerhaft halten kann. Also verbringen wir erstmal unsere Zeit damit, durch den Park zu wandern, von DJ zu DJ, auf der Suche nach irgendwas, was uns "kickt". Was bei Bier für 3 Euro gar nicht so einfach ist. Was jetzt? Pillen schmeißen?
Nee, geht auch ohne. Auf der Suche nach Arabsonradar stoßen wir auf ne Elektroparty, an der sowohl Stimmung als auch Musik und vor allem Lautstärke verlockend klingen. Als selbst das zuviel wird, lockt nebenan noch ne Bühne mit Balkan Beats. So klingt der Abend dann doch noch ganz gut aus, und um das zu feiern, gönnen wir uns doch noch ein 3-Euro-Bier. (Und anschließend noch eins von der Tanke. Aber immerhin)
Fazit meines ersten Juicy Beats: Ebenso durchwachsen wie dieser Bericht. Negativ: Zu viele Bühnen mit zu vielen parallel spielenden Bands und zu hoher Bierpreis. Positiv: Gute Bands, gut gelaunte Leute, wenig Stress, keinerlei Schlangen am Einlass, super Location. Gerne wieder!