Laternen-Joe, Satan, 28.04.2011 in Pahlen, Eiderlandhalle - Bericht von Fö
Laternen-Joe, 28.04.2011 in Pahlen
Jau, gestern wie gesagt All Aboard!, nachts von Hängenden Gärten geträumt und am Donnerstag doch nicht ganz so kaputt wie erwartet - selbst die Trinker. Nur akute Laune auf ein Ärzte-Konzert will sich irgendwie nicht einstellen. Und da die Zeit dann doch knapp bemessen ist, kriegen wir nicht mal unsere geplante Sightseeing-Tour in Pahlen hin.
Also denn. Pahlen. Die Eiderlandhalle ist Teil der Großraumdisco Pahlazzo (ein Wortspiel, das nochmals unterstreicht, wie weit weg vom Schuss Pahlen doch liegt). Ungefähr doppelt soviel Besucher wie Dorfeinwohner passen rein. 0.3er Bier ist mit 2 Euro noch annehmbar, alkoholfreies Bier gibts nicht. Muss ich also dürsten. Mit nur wenig Verspätung legt schließlich die Vorband los.
Vorband? Ja richtig, es gibt tatsächlich noch Überraschungen. "Satan" nennen sie sich, kommen aus Schenefeld und spielen einen (gleichnamigen) Song, der schön metal-lastig daher kommt und neben ein paar entgeisterten Gesichtern auch auf ein klein wenig Zuspruch stößt. Gerade mal den halben Song dauert der Auftritt, danach wird das Zepter, respektive die Instrumente, an die drei Nulpen weiter gegeben.
Schade. Ne "richtige" Vorband hätt ich besser gefunden. Vielleicht hätte ich sogar meinen BH auf die Bühne geworfen. Naja. Nun also Laternen-Joe. Als Quasi-Zweit-Opener gibts "Parlez-Vous Laterne?" and anschließend direkt "Hymne wider Willen". Warum eigentlich gibts die LJ-Songs nicht wenigstens als 7" zu erwerben? Frechheit! Stattdessen Tourshirts für 25 Euro - als wäre der Eintritt nicht schon teuer genug gewesen...
Die Protagonisten auf der Bühne heißen heute selbstverständlich nicht Farin, Bela und Rod, sondern Jealousy, Julia und Jack. Weil ein mehrfach erzählter Witz aber doof ist, verzichte ich darauf, das hier fort zu führen. Ja, liebe Leser, es spielen DIE ÄRZTE und nix anderes. So!
Und es ist auch unverkennbar ein Ärzte-Konzert. Merkt man an der vielen Laberei zwischen den Stücken. Thema des Abends ist wohl die Blaserei (ja, genau das was ihr denkt) zwischen Farin und Bela, coolster Typ aber (mal wieder) Rod. Der übersetzt sein Pseudonym "Jack" ganz trocken mit "Fotze". (Ich weiß, man schreibt das Photzwe. Egal.)
Publikum: Okay. Durchschnittsalter höher als erwartet. Viele besoffene Vollhonks unterwegs, was ich einerseits ganz sympathisch, andererseits aber auch recht nervig finde. Platz vor der Bühne ist okay, an der Seite lässt sich gut stehen, und wer sich bewegen will der kann sich ruhigen Gewissens ins Getümmel stürzen.
Ja, ein Ärzte-Geheimkonzert. Auch die Setlist entspricht nicht ganz dem, was man auf großen Konzerten oder Festivals serviert bekommt, hier wird eher der Fan zufrieden gestellt. Da nach den LJ-Songs gleich mit "Junge" gestartet wurde, erwartete ich schon das Schlimmste, aber das Set war durchaus was für Liebhaber.
"Hey Huh (in Scheiben)", "Punkbabies", "Am Ende meines Körpers", "No Future", "Der lustige Astronaut" - liest sich schonmal prächtig. Farin zitiert kurz einen LJ-Besucher, der sich über zu viele unbekannte Lieder beklagte. Für den gabs "Kein Problem" zu hören - konnten auch hier nicht unbedingt alle mitsingen. Ich auch nicht.
Etwas zurückhaltend bin ich eh noch. Die Zeit, dass ich jedes Tönchen der selbsternannten "Besten Band der Welt" abfeierte, liegt mittlerweile auch schon ein Jahrzehnt zurück. Stattdessen heute erstmal meine Lieblingsbeschäftigung: Mich selbst zu fragen, ob ich sowas gut finde. Oder ob mir selbst ne Geheimtour mittlerweile zu groß ist. Echt jetzt, kleine Konzerte unbekannter Bands in kleinen Eckläden wie der Kieler Schaubude sind nicht zu überbieten.
Aber solche Gedanken lassen sich wegdrängen. Entweder durch ausgiebiges Vorglühen, was ich irgendwie verpasste - oder durch bloßes Abwarten, bis es einen packt. Mich packts heute (und vermutlich auch bei allen zukünftigen Ärzte-Konzerten) bei meinem All-Time-Favoriten "Rebell". Bestes Stück, das diese Band je hervorgebracht hat!
Apropos bestes Stück: Die Wortspiele und Scherze, die so von der Bühne gemacht werden, sind wie immer unterhalb jeglicher Gürtellinie. Großartig! Pennäler-Humor vom Feinsten! Neben Fotze, Ficken und Blasen bekommt heute mal die Location selbst ihr Fett weg - angeblich stinkt der Backstage-Raum bestialisch. Unwillkürlich muss ich wieder an Pahlens Dorfcharakter denken.
Publikum. Immer mal wieder werden Kreise gebildet, die wohl irgendwie sowas wie ne Mischung aus Circle Pit und Wall Of Death bilden sollen, im Endeffekt aber nicht mal nen kleinen Moshpit entfachen. Der Sinn entschließt sich mir. Aber bei den Kornkreisen versteht ja auch niemand, was sie bedeuten.
Wer sich nicht an irgendwelchen "Aktionen" beteiligt, wird auch gleich schief angeschaut. Beispielsweise fordern einige Aktionswillige eine Sitzlaola (sagte ich schon "warum"?), selbst noch, als Farin längst klar gestellt hat, dass er eine solche überhaupt nicht sehen will. Ker, ihr macht doch sonst immer alles was die auf der Bühne sagen...
Naja, immerhin gibt das ne kleine Improvisation der Ärzte, beziehungsweise Laternen-Joe. Unter dem Titel "Sitzlaola Fuck Off", die Message verdeutlicht sich von selbst. Das Lied, gezeichnet durch astreines Metal-Geschrammel, wusste auch noch gut zu unterhalten. Weiter so!
Alles ganz unterhaltsam, und als die Band nach "Unrockbar" das erste Mal die Bühne wieder verlässt, fällt mir sogar auf, dass die letzten anderthalb Stunden tatsächlich schneller umgegangen sind als erwartet. Die nächste Erwartung wird aber sogleich erfüllt: Es gibt ne Zugabe, es gibt auch ne zweite Zugabe, und nach zwei Stunden ist das gesamte Spektakel vorbei.
Dazwischen gibts die üblichen Jubeleien und Widmungen. Letzteres zum Beispiel diesem netten Herren, der irgendwo neben der Bühne werkelt (Roadie oder so), auf den Namen "Jochen" hört und heute Geburtstag hat - und sich diverse Reime auf seinen Namen gefallen lassen muss. Irre.
Weiteres Highlight: "Friedenspanzer" wird gespielt (das Lied war zwar nicht DIE, aber zumindest eine erhebliche Initialzündung meines frühen Ärzte-Fan-Daseins) und mir fällt auf dass "Himmelblau" und "Deine Schuld", obwohl eher Songs neueren Datums, verdammte Hits sind. Ganz zum Schluss noch "Schrei nach Liebe" - manche Lieder darf man einfach nicht auslassen.
Bester Spruch des Abends mal wieder vom coolsten Typ des Abends: Rod verabschiedet uns mit "Danke dass ihr gekommen seid und DANKE dass ihr wieder geht!". Wegen solcher Sprüche macht es nach wie vor Spaß, die Ärzte live zu sehen!
Das wars dann auch schon. Fazit: Zu Teuer. 27 Euro ist ungefähr doppelt so viel wie mir das wert gewesen wäre. Ansonsten war es unterhaltsam, stellenweise aber auch etwas öde, das Publikum nervig jedoch angenehmer als erwartet - bleibt also irgendwie ein "Durchwachsen" als Endresultat. Oder auch ein "wie erwartet", da will ich mich nicht festlegen. Aber ich glaube, die Meisten werden heute ihren Spaß gehabt haben.