Keinkultur Festival: Hammerhead, Chefdenker, Blood Robots, Abfukk, Koeter, Wild Gift, 21.05.2011 in Bonn, Klangstation - Bericht von Chris Crusoe
Keinkultur Festival, 21.05.2011 in Bonn
Das Linieoben liest sich exquisit. Die Mischung machts und wenn man sich in irgendeiner Form zu Punk und Hardcore hingezogen fühlt, ist das Keinkultur Festival für den geneigten Untergrundler eine Pflichtveranstaltung.
Zunächst aber noch die wirklich wichtigen Informationen des Tages einholen. Die Schlagzeilen der renommierten Investigationspresse reichen da völlig aus um sich in Stimmung zu bringen.
Da fragt man sich was nun bedeutsamer ist: exzessive ?Ich-beim-Saufen-auf'm-Konzert?-Fotoberichte oder expressive ?Sex-Parties-als-Klinkenputzer-Prämie?-Enthüllungen. Hm, eigentlich fragt man sich das doch nicht...
Also entsprechen wir mal dem Klischee und stellen der Unkultur ein wenig Bierbericht voran. Erstaunlich: das günstigere ?kräftiger Geschmack? -Export (29 Cent ohne Pfand) schmeckt tatsächlich hochwertiger als das deutlich preisintensivere ?Premium Edel Mild? -Export (38 Cent ohne Pfand). Verrückt!
Unter dem Reisemotto ?Repräsentativ in Bonn? erreicht die Asseltruppe ?Hamburg vs. Rheinland? die Kulturmetropole. Erstmal eine Tour zu den nächstgelegenen Buden (Kiosken) und in die nächste Frittenschmiede.
Auch die beliebten Gruppenbilder vom sogenannten Stromkastensaufen dürfen hier nicht fehlen. Immerhin sieht und trifft man sich nicht alle Tage. Und die Hamburger wurden schon zum Kölschtrinken erzogen. Ausgezeichnet!
Wenden wir uns nun aber tatsächlich der Kunst zu. Wild Gift aus Bonn machen den Auftakt. Vorher mal probegehört, konnte das Quartett nicht wirklich überzeugen. Aber mal hören.
Auch live noch nicht so abgebrüht, was aber auch durchaus sympathisch ist. Was am Gesang von Frontfrau Maike auf der Aufnahme noch etwas unentschlossen wirkt, entwickelt live mit ein wenig gutem Willen zumindest eine leicht biafrische Note (Kennedys, ne?). Korrekt!
Weiter geht es mit Koeter. Die bekommen schon mal einen Bonuspunkt für das Artwork mit dem schicken Petruskreuz. Musikalisch ebenfalls vorab getestet (weil nicht gekannt) und für ?okay? befunden.
Live etwas schmissiger und stellenweise sogar duesenjaegerisch, machen die Herren aus Köln/Mönchengladbach einen guten Eindruck. Auch auf die angereisten Fans.
Solide und gut, aber nichts für die Auf-Die-Fresse-Fraktion. Wer aber ein Ohr für Zwischentöne hat, findet bei Koeter sicher ein paar gute Stellen.
Auftragsfoto für daheimgebliebene Hamburger (Holá!). Das Foto wurde übrigens von einem prominenten Kunststudierten geschossen, den wir später noch wiedersehen sollen. Rechnung geht an den Chef (Fö!).
So verkauft man aber kein Merch! Frustus und Little Sister gucken hardcoremäßig ernst. Und gefährlich. In yo' face und so!
Soooo verkauft man Merch! Lächelsmiley! Dazu gibt es Obst, Gemüse, Pfalster und frischen Fisch. Danke, SPD!
Dann spielen Abfukk aus Wegberg, der neue Stern am Punkhimmel. Sehr fleißige Band mit Menschen von Sniffing Glue und Italian Stallion. Aber wem sag ich das.
Mit nur einem Demo und einer Langrille im Gepäck (beide exzellent übrigens!) können die Herrschaften trotzdem schon auf einen beachtlichen Publikumshaufen blicken.
Das liegt wohl zum einen an bereits erwähntem Fleiß, also sehr regelmäßigem Auftreten, dann an der hohen Qualität der Songs, die musikalisch wie textlich eindeutig Stellung beziehen und überzeugen und des weiteren am engagierten Vortrag.
Besonders fällt natürlich dabei Sänger Marcel auf, der als zentrale Figur von Anfang bis Ende keine Rücksicht auf Verluste macht und eine Energie auf's Parkett legt, die mitreißt! Sehr geiler Auftritt!
Die Blood Robots sind die nächste Band. Erste Reaktion nach dem Kennenlernen dieser Band war: geiler Name!
Finden auch die Anwesenden. Das Publikum ist neugierig, weil es sich ja hier nicht um völlig unbekannte Gesichter handelt. Aber mal anhören, was da kommt. Und das kommt gut!
Musikalisch kommen die Blutroboter live deutlich überzeugender als aus der Konserve daher, was daran liegt, dass es hier wesentlich dynamischer und dreckiger zugeht. Da fließt Schweiß aus den Musikern und crunchiger Twang aus den Instrumenten. Fein!
Chris findet, dass bei so einer erfahrenen Besetzung Spielchen der Marke ?So schlecht sind wir ja nicht, was findet ihr?? etwas überflüssig sind. Der Laden ist voll und die Leute gehen mit. Das sollte doch zum Egostreicheln reichen.
Dann erstmal schöööön Pipimachen gehen. ?Nase?? Die Klangstation scheint Austragungsort der Bonner Nasenpuder-Wettkämpfe zu sein. Verdammte Junkies besetzen die Klos! Besetzt lieber leerstehende Gebäude oder sowas!
Andererseits bei den Bierpreisen hier...naja, egal. Alternativ kann man ja noch zum Bahnhofskiosk gehen zwischen den Bands. Au nee, schon zu. Also noch mal rasch zum Fritten King. 2,50 Euro für ein drittel Bier in der Klangstation sind nicht so richtig punkerkompatibel, und heute ist doch Asseltag!
Zweites Hochlicht nach Abfukk sind heute Abend (wie erwartet) Chefdenker, die ein Hitfeuerwerk sondergleichen zu bieten haben, dafür sorgt der hochwertige Rückenkatalog, aus dem sich auch fleißig bedient wird.
Ein bunter Strauß von Hits. Und da ist ja auch wieder der fotografiebegabte Kunststudierte. Das Publikum darf heute zusätzlich wählen, in welcher Tonart Blues gejammt wird. Es kommt zu zwei Intermezzi in A und E.
Kollege Kollege spielt heute erhöht, weil er in bester Kissmanier Accessoires wie eine Fantakiste zum Draufstehen vorbereitet hat. Von der kommt er dann auch nicht mehr runter. So können auch die nicht so hochgewachsenen Chefdenkerfans im mittleren Teil des Ladens gut sehen, wie gut er Gitarre spielt. Tut er dann natürlich auch gerne.
Die Band wird geliebt und alte wie neue Titel werden gleichermaßen frenetisch mitgesungen. An manchen Stellen wünscht sich der Chris die wunderschönen 2. Stimmen, die es auf den Platten gibt, aber hey - der soll mal die Schnauze halten, immerhin ist das hier Punkrock, kapiert?
Und wo wir gerade dabei sind: Als sechste Kapelle des Abends dürfen jetzt Hammerhead das zerlegen, was vom Saal übrig ist.
Und das tun sie natürlich auch. Zum Teil in geliehenen Kopfbedeckungen. Die Menschen lieben Hammerhead!
Der Rübezahl der erotischen Rhetorik, Tobias Scheisse, ist wie der Rest der Band in ausgezeichneter Form und es wird laut und dreckig. Eloquente, einleitende Worte und energische Aufführung gehen hier Hand in Hand.
Absolut verdient wird Sir Marc Gärtner, der lichtbildliche Chronist der Szene (gruseliges Wort!), ins Rampenlicht gezerrt und ihm wird gehuldigt. Leider ist sein lichtjahre ungeschickterer Fotografenkollege Chris Crusoe nicht zügig genug, um diesen Moment festzuhalten. So bleibt ein Rest Mysterium erhalten.
Von Hammerhead gibt es in Ermangelung neuer Stücke wie immer die ollen Kamellen, aber das ist ja auch genau das, was man von einer ?Kultband? hören will. Quasi die AC/DC Neuwieds. Und das Kompositionsmaterial lässt ja auch keine Wünsche offen.
Die Klangstation tobt. Qualitätsmenschen liegen sich in den Armen, auf dem Boden und fliegen durch die Luft. Die Faszination der only Hardcorepunk Band of the 90er ist ungebrochen.
Hey, das ist doch ein Minor Threat Cover! Jedenfalls macht sich so langsam Erschöpfung breit. Der Tribut für sechs Bands an einem Abend. Aber Spaß macht das doch!
Tanzen, Alkohol und die saunischen Temperaturen im Inneren der Klangstation haben ihre Spuren hinterlassen.
Aber die Motivation ist noch nicht gebrochen. Hammerhead zerlegen immer noch alles und zeigen selbst keine Symptome von Müdigkeit. Und so lange kämpft auch das Publikum noch mit.