Juicy Beats Festival: K.I.Z., The Toten Crackhuren im Kofferraum, Saalschutz, ClickClickDecker, Turntable Hools, Boys Noize, Gisbert Zu Knyphausen, 30.07.2011 in Dortmund, Westfalenpark - Bericht von Fö
Juicy Beats Festival, 30.07.2011 in Dortmund
Naja, die 16 Stunden machen wir sowieso nicht voll. Gegen 14 Uhr sind wir auf dem Gelände, bekommen von den Vs.-Rome-Jungs lediglich die letzten Tönchen mit und sind dafür genau richtig hier für den Auftritt von CLICKCLICKDECKER. Fantastischer Musiker, den ich bisher live lediglich als Teil von "Bratze" sehen konnte (zufälligerweise an selber Stelle im letzten Jahr. Hähä.)
Nach eigener Aussage ist er eh nur hier, um ein Handyfoto mit Beth Ditto zu kriegen - die gestern spontan absagen musste. Armer ClickClickDecker. Nuja. Live soll er ja eigentlich mittlerweile mit Band auftreten - die scheint heute aber ziemlich reduziert zu sein auf Gitarrist Oliver Stangl. Vielleicht, um das großartige Livealbum "Du ich wir beide zu den Fliegenden Bauten" (Rezi hier) zu bewerben?
Naja, nett. So reduziert kann ja auch mal ganz gut sein. Neben Gitarrenarbeit gibt es ab und zu noch ein paar Electro-Beats aus dem Fußschalter, ansonsten muss man ganz der Ausstrahlung von Kevin Hamanns Gesang vertrauen. Das ist irgendwie nochmal weniger als bei besagter Liveplatte (da gab es noch Piano-Synthie-irgendwas-Gedöns), und irgendwie fehlt hier auch was.
Nee, überzeugt mich nicht der Auftritt. Schade. Ganz nett und beinahe träumerisch, aber ich hätte durchaus erwartet, dass mich das mehr berührt. Das restliche Publikum zeigt sich aber recht angetan, klatscht begeistert und hier und da sieht man sogar Leute, die mit geschlossenen Augen leise mitsingen. Boah, bei so viel Emo krieg ich Ausschlag. Ab zum Auto, Bierchen trinken.
Für mich natürlich nur alkoholfreies, was mit ein Grund dafür sein könnte, dass mein Stirnrunzeln beim Begutachten der auftretenden Acts etwas tiefer sitzt - nüchtern ist man einfach weniger zu begeistern, ist mir aufgefallen. Boah ey, wenn ich noch länger nix trinke, werde ich irgendwann son verbitterter alter Kritiker-Sack, der sich auf seine Verrisse regelmäßig einen runterholt. Von wegen, Alkoholismus macht depressiv! Pah! Achja: hier Schaukel.
Als wir zurück kehren, spielen SAALSCHUTZ bereits. Recht unspektakuläre Bühnenshow, weswegen ihr keine großartig abwechslungsreichen Fotos erwarten dürft. Die Audiolith-Quotenschweizer sind ein schönes Beispiel für "akzentfrei singen, aber mit Akzent reden". Zwischendurch gibt's auch mal rein Instrumentales (also "synthiales") zu hören, das Publikum wartet aber eher auf mitsingtaugliches Material.
Wie das großartige "Ravepunk für eine bessere Welt" vom aktuellen Album "Entweder Saalschutz", oder das abschließende "Headliner der Herzen". Ansonsten wird mal wieder auf die Absage von Beth Ditto Bezug genommen - Saalschutz brüsten sich spontan damit, den Ersatz gebucht zu haben. Das sind übrigens Frittenbude, was die anwesenden Audiolith-Fans sichtlich freut. Mal ernsthaft, hat sich überhaupt jemand auf den 40minütigen Headliner-Auftritt der Gossip-Frontfrau gefreut?
Jau. Guter Auftritt von Saalschutz, auch wenn wir die Hälfte verpasst haben und die Musik in nem kleinen Club vermutlich eh besser zünden würde. Anschließend die große Frage, ob wir uns The Thermals geben sollen oder doch lieber die The Toten Crackhuren im Kofferraum?
Liebe Leser, ihr kennt mich. THE TOTEN CRACKHUREN IM KOFFERRAUM! Oder The T.C.H.I.K., wie der einkommerzialisierte Name lautet. Ich krieg regelmäßig Ohrenkrebs, wenn die Band so bezeichnet (und gesprochen natürlich wie das englische "Chick") wird. Eigentlich finde ich die Band auch überhaupt nicht mehr gut, seit sie so heißen.
Eigentlich. Aber bereits mit dem phänomenalen Turbonegro-Intro/Cover haben sie mich mal wieder erobert! Geilgeil! Trash in Perfektion, aber hier mal mit der Betonung auf "perfekt". Die Bühnenshow sitzt wie ne Eins! Und nein, hier blendet die Mädels nicht die Sonne, Sonne gibts heute nicht. Dafür Spaß.
"Zieht eure T-Shirts aus" erzielt zumindest bei diesen jungen Herren beachtlichen Erfolg. Ansonsten bin ich aber auch ziemlich überrascht über den Publikums-Zuspruch - ist ordentlich voll vor der Luups-Bühne, die Fans rasten befehlsgemäß ordentlich aus, es gibt Bierduschen und Massenpogo - geiler Scheiß!
Gerüchteweise sind die Ladies heute morgen um 6 los gefahren - keine Ahnung ob sie das wirklich geschafft haben, aber dafür sehen sie alle erstaunlich fit aus, mal abgesehen von den vercrackten Augenringen. Und Frau Fuckface, Sie haben wunderschöne Extensions!
Darf man Crackhuren überhaupt als "schön" titulieren? Oder als "süß"? Scheißegal. Der Auftritt sagt mir persönlich deutlich mehr zu als letztens beim Frittenbude-Support, und die Show kann wirklich einiges.
Neben den üblichen Spielereien mit Bambi-Kunstblut, Pappschildern und jeder Menge bunter Puschel-Action kommen auch die Songs selbst deutlich variationsreicher als auf Platte rüber, knallen auch deutlich mehr. Da werden auch mal K.I.Z. ("Crackhurensohn") verwurstelt oder Culcha Candela im Backstage gedisst.
Achja, auch Beth Ditto kriegt ihr Fett weg (muahaha) und den Song "Wir hassen Sport" gewidmet. Irre geil. Mit den Crackhuren hätten wir übrigens schon wieder ne Band, die sich genau wie ihr Publikum mächtig auf Frittenbude als Ersatz freut...
Ich muss mal zum Punkt kommen, kein Bock in diesem Bericht wieder so unendlich lange auszuschweifen. Absolut unterhaltsamer Auftritt der The Toten Crackhuren im Kofferraum, selbst für mich nüchternen Vollblutkritiker. Übrigens mussten mich die Mädels nichtmal bestechen, um diese positive Kritik zu kriegen. Oi.
Anschließend: Wieder Termin-Überschneidung! Das Verzichten auf The Thermals hat sich, zumindest aus meiner Sicht, gelohnt, als nächstes fällt die Wahl zwischen K.I.Z. auf der Hauptbühne und Bonaparte auf der FZW-Bühne...hm. Sorry, obwohl erstere schon oft gesehen, sind hier die Prioritäten klar gesetzt. K.I.Z., Rap bleibt ein Hahnenkampf!
KIZ auf der Hauptbühne, wow! Absolut zu recht, wie die Massen an Zuschauern vor der Bühne beweisen. Obwohl sie auf diesem Foto eher verängstigt gucken. Angst vor dem Camouflage-Outfit der Rapper?
Bombastischer Auftritt, KIZ haben bis jetzt noch jede Bühne gerockt! Hit nach Hit! Neben Live-Klassikern wie "Pogen", "Spast", "Klopapier", "Hölle" und wie sie alle heißen gibt es auch ordentlich Material der neuen Scheibe "Urlaub fürs Gehirn" wie den Titeltrack oder den live verdammt überzeugenden "Scheibeboxxxer".
Super Ansage: "Black Music Künstler machen immer Tracks für ihre Mütter - wir haben jetzt auch nen Track für ihre Mütter gemacht". Muahaha. Ein regelrechtes Ansagen-Bashing zwischen den Protagonisten Maxim, Tarek und Nico - regelmäßig hinterm Tabu-Horizont. Großartig!
Kommen mir auch schon reichlich angeheitert vor. Übergroße Sektflaschen kreisen über die Bühne und sogar ins Publikum - aber nur für die Männer ("Frauen haben lange genug die Sektvorräte dieser Welt leer getrunken"). Nebenbei gibts noch Partygaranten wie ne eingesampelte Tetris-Melodie oder die Scooter-Reminiszenz "Was kostet der Fisch".
Politisch wirds auch, mit nem Hinweis auf die Nazi-Demo am 3.9. in Dortmund. Löblich. Auch schön: das Merkel-Backdrop (hier nur halb zu sehen). Beste Szene, als eine auf die Bühne geflogene Deutschlandfahne kurzerhand als Fußabtreter missbraucht wird.
Ansonsten regiert aber Partystimmung, die Zuschauer singen/rappen bereitwillig mit und überhaupt steigt auf dem Gelände ne ordentliche Party...okay, manchmal muss man auch einfach telefonieren. Ist der Empfang da oben besser?
Die Bühnenshow an sich recht unscheinbar, da hat man von KIZ schonmal mehr gesehen - is aber nicht schlimm, man muss es ja nicht übertreiben. Bisschen Nebel, paar Flammen hier und da - für den Rest reicht die Imagination! Bei "Hurensohn" sollen wir uns Kai Diekmann vorstellen, was auch wunderbar klappt.
Also alles bestens. Gelungener Auftritt von K.I.Z. Anschließend könnten wir uns noch "Bands" wie die LMBN Lesebühne, Frittenbude, The Notwist, Kraftklub und wie sie alle heißen gönnen - aber kein Bock. Erstmal zum Auto, Bier trinken (die Preise für kohlensäurefreies Bier hier drinnen sind eine Frechheit, und auf alkoholfreies Bier kann ich sowieso nicht hoffen)
Und mal kurz übers Gelände schlendern. Der Westfalenpark ist wirklich gut geeignet für eine solche Veranstaltung - schön weitläufig und atmosphärisch. Besseres Wetter wär vielleicht gut - aber immerhin regnet es nicht, und das ist wohl die Hauptsache. Was fehlt, wären höchstens ein paar Mülleimer. Und mehr Toiletten. Wie Ulf am eigenen Leib erfahren muss, werden Wildpinkler rausgeschmissen. Haha!
Mal kurz an der FZW-Bühne vorbei schauen. GISBERT ZU KNYPHAUSEN spielt hier gerade. Aus dem Akustik-Emo-Grundkurs der Hamburger Schule. Muss ja gestehen, dass ich den Typen nie viel gehört habe, obwohl er doch so viel in höchsten Tönen gelobt wird als melancholischer Songwriter. Hm.
Mir ist das etwas zu melancholisch, zu getragen und zu unspektakulär, um nicht zu sagen langweilig. Vielleicht bin ich auch einfach ein verdammter Banause. Irgendwie kommt wohl nach den herrlich unterhaltsamen Auftritten der Crackhuren und von KIZ jetzt das große Loch. Naja. Tschüß, Gisbert.
Also zur Hauptbühne. BOYS NOIZE wurde mir im Vorfeld gleich von mehreren Seiten wärmstens empfohlen. Hm. Verwendete ich nicht gerade schon das Wort "unspektakulär"? Ein einzelner Typ hinter irgendwelchen Turntables, aber drumherum die größte Bühne des Festivals und entsprechend viel Publikum. Dazu ein bisschen Nebel und ein paar Visualisierungen auf den Leinwänden.
Die Musik geht an sich in Ordnung, Electrogedöns halt. Erinnert etwas an Digitalism oder Fatboy Slim, kann uns aber nicht in Begeisterung versetzten. Wobei ich glaube, wenn ich irgendwo da ganz vorne wäre und ordentlich besoffen, würde ich das tatsächlich abfeiern. Aber da weder noch, nicht.
Ab zur abendlichen Totalzerstörung! Ab zur Trashpop-Bühne! Hier gibts zunächst etwas 90er Jahre Eurodance auf die Ohren, bis schließlich die heiß ersehnten TURNTABLE HOOLS die Bühne entern - und eigentlich genau das selbe machen, nur eben gewürzt mit dem typischen K.I.Z.-Humor. Letztes Jahr war das bereits das absolute Highlight.
Heute fällt vor Allem auf: Die Jungs sind ordentlich betrunken! Haben wohl auch nach ihrem Hauptbühnen-Gig nicht nein zu diversen Alkoholika gesagt. Als sie enttäuscht feststellen, dass es auf dieser Bühne kein Bier gibt, lässt sich Nico kurzerhand zum Bierstand tragen. Währenddessen fordert Maxim die Zuschauer auf, doch erstmal ihr Bier zu exen.
Gespielt, beziehungsweise aufgelegt, werden diverse Schmankerl aus der Pop-Geschichte. Klassiker wie "Mr. Vain" dürfen nicht fehlen, dazwischen ein paar Aprés-Ski-Hits, Snoop Dogg wird auch gewürdigt und unser persönliches Highlight dürfte wohl "Opa" von der Terrorgruppe sein, das Tourmanager Archi gewidmet wird. Geiles Bild: 95% des Publikums guckt blöd, und unser kleiner Trupp enthusiastischer Punkrocker brüllt fleißig mit und hebt die Punkrockfinger. Hähä.
Zwischendurch natürlich auch jede Menge Stücke aus der KIZ-eigenen Schmiede, die erwartungsgemäß am meisten gefeiert werden. "Fremdgehen", "H.I.T.", "Walpurgisnacht", "Hurensohn" und weitere - schade nur, dass diese Lieder auch bereits vorher auf der Hauptbühne dargeboten wurden. Ein etwas abstrahierteres Set hätte mich ja mehr begeistert.
Ist aber nichts gegen Kritikpunkt Nummer Eins: Die Lautstärke! Können die "Hools" nichts für, wird wohl mit irgendwelchen Auflagen und Anwohnern zu tun haben - aber das hat den Spaß wirklich ordentlich getrübt. Hätte man die Band nicht auf ne "lautere" Bühne stecken können? Direkt vor den Boxen geht es einigermaßen. Weiter hinten kann man sich schon auf Zimmerlautstärke unterhalten.
Und trotzdem, gelungener Auftritt, auch wenns zwischendurch öfter mal etwas schwächelt, dafür gibts immer mal ein paar Überraschungen und Highlights. Besonders großartig: kommt ein gespielter Song zu gut beim Publikum an, grölen die Rapper auf der Bühne einfach herrlich unkoordiniert ins Mikro. Großes Tennis!
Nee, schlussendlich dann doch ne verdammt geile Performance. Kommt nicht an die vom letzten Jahr ran, hat mir aber mehr zugesagt als der heutige KIZ-Auftritt. Turntable Hools sind die Macht!
Anschließend ein wenig rumschlendern, aber wir finden nicht wirklich was, das uns hält. Und das Frittenbude DJ-Team ist was für Freaks. Wir betätigen uns lieber ein wenig im Hamsterrad. Ein Klassiker quasi! Welcher Dortmunder stand nicht schonmal besoffen in diesem Teil?
Fazit: Ein "nettes" Juicy Beats, aber mein Festival wird das wohl nie werden. Und das Line-Up vom letzten Jahr konnte auch nicht getoppt werden. Aber der Großteil der knapp 25.000 Besucher wird wohl auf seine Kosten gekommen sein. Wir machen uns auf den Heimweg.