Rockstage: Longing For Tomorrow, The Dissociates, Markk13, Two Beats Break, Jeden Sonntag, 04.09.2011 in Dortmund, FZW - Bericht von Fö
Rockstage, 04.09.2011 in Dortmund
Rockstage Dortmund geht in die soundsovielte Runde (kein Bock zu zählen. 20 oder so?) und bietet diesmal ein Line-Up, das sich mehr als sehen lassen kann.
Aber machen wirs trotzdem kurz, zumindest so kurz wie es mir gerade möglich ist. Erste Band heute: JEDEN SONNTAG, die spontaner- und dankenswerterweise einsprangen für My Choice Was Made. Einzige Band heute, mit der ich mich nicht vorher befasst hatte - haben also die ehrenvolle Aufgabe, mich zu überzeugen.
Is auch echt ziemlich solide, was da geboten wird. Deutschrock, sag ich mal - auch wenn diese Stilbezeichnung in den letzten Jahren mehr und mehr zum Schimpfwort verkommen ist. Klingt auch mehr nach Extrabreit oder Selig als nach Frei.Tod und Konsorten. Manchmal isset wohl doch ganz gut, wenn ne Band NICHT krampfhaft versucht, einen auf Punk zu machen. Etwas weniger Pathos hätte mir aber doch mehr zugesagt.
Kommen recht bodenständig rüber, die Jungs aus Hagen. Dafür dass ich von der Band nie zuvor gehört hab, auch durchaus versiert. Aber wie so ziemlich immer bei Bands, deren Lieder man nicht kennt: Klingt alles recht austauschbar und gleich. Ich glaube fast, wenn ich mir nur den halben Auftritt gegeben hätte, hätten sie mir direkt doppelt gut gefallen. Höhö.
Highlight: Der kinnbärtige Schlagzeuger, dem gleich mehrfach der Beckenständer vom Podest fällt. Scheint so langsam ein Running Gag auf der Bühne des FZW zu werden! Nächstes Mal tackern wir die Dinger einfach fest.
Anschließend: TWO BEATS BREAK. Dat is, wie wir alle wissen, die Hauptband der Rockstage-Veranstalter. Ab und zu gönnen sie sich und uns mal die Ehre, selbst auf ihrer Veranstaltung zu spielen. Heute also auch mal wieder, und mittlerweile ist es echt ne kleine Weile her, dass ich die Jungs zuletzt live gesehen hab.
Kriegen erstmal den Pussy-Preis des heutigen Abends verliehen: wie lange kann man bitteschön am Bühnensound rummäkeln? Klar hat das Publikum den bestmöglichen Sound verdient, aber dieses öde dies-und-das-da-bitte-etwas-lauter zieht sich heute ewig, so dass der Auftritt dann auch mit ordentlich Verspätung startet. Naja.
Gibt ganz unterhaltsamen Alternative-Numetal-Rock-Krams zu hören. Mittlerweile gibts die Band ja schon ne ganze Weile, was man den Jungs auch anmerkt. Ganz solide alles, hat mich aber schonmal mehr begeistert. Großes Manko ist heute mal wieder, dass sich das Publikum betont zurückhält und den Gang vor die Bühne scheut...
Naja, das beste draus machen. Frontsau Marc fegt ganz Derwisch-mäßig fleißig über die Bühne, so gehört sich das! Nebenbei lobt er auch noch die heimische Atmosphäre (kleine ironische Spitze zur Halbkreisleere vor der Bühne) und kann sogar mit Handtuch tanzen. Sehr schön auch eine Ansage gegen das Nazi-Pack und für all jene, die gestern bei der Gegendemo waren.
Insgesamt netter Auftritt, aber irgendwie gibt mir die Musik heute nicht allzu viel. Natürlich bis auf den Höhepunkt des Auftritts, ganz am Schluss: "Burning Assholes" wird gespielt, der unbestrittene Hit der Band. Harhar.
Nächste Band: MARKK 13! Waren bereits vor nem halben Jahr hier zu Gast und fand ich damals ziemlich geil. So die Hardrock-Glam-Metal-Schiene mit sehr sympathischem Frontmann. Oder sagen wir eher, lustigem Frontmann. Immer mit Spaß in den Backen, wie er sich so durch die Ansagen hangelt. Echt unterhaltsam.
Trotzdem irgendwie schade, dass die Band erst kürzlich hier war. So hebt sich der Auftritt nicht großartig ab und dieses "oh, das ist ja geil"-Gefühl vom letzten Mal will sich bei mir heute nicht einstellen - vielleicht ja dafür beim Rest des Publikums? Wer weiß! Immerhin gibt es ein paar mutige Genossen, die brav die Musik abfeiern.
Einige Songs kommen mir sogar noch bekannt vor vom letzten Mal, den Auftritt insgesamt verbuche ich mal als "gut" ohne besondere Vorkommnisse. Naja, vielleicht bis auf die Zugabe, die als "1,2 Meter Gebiss raushauen" angekündigt wurde, wie der Song wohl als Proberaum-Insider heißt - warum auch immer. War ein Coversong, zu meiner Schande muss ich aber gestehen nicht erkannt zu haben wovon. Naja.
Danach: THE DISSOCIATES! Kennt keiner? Egal! Sollen sich erstmal selbst vorstellen: "We are The Dissociates from London - or what's left of it". Eine dieser Ansagen, die sich direkt in Hirn und Herz festsetzen. Die Briten sind übers verlängerte Wochenende auf Tour mit Longing For Tomorrow und dürfen heute das FZW begeistern.
Zunächst mal: Wer reinhören will, der gucke hier. Wobei die Musik live nochmal deutlich mächtiger kommt, Punkrock mit schönem Druck, schön melodisch aber auch betont britisch - ich würds mal auf Britpop auf Punk bezeichnen.
Als Vergleich nenne ich mal Crazy Arm, vielleicht auch The Clash, damit ihr mal eine ungefähre Vorstellung habt. Geht gut in die Beine, ich überlege sogar kurzzeitig die Band zur besten zu küren, die ich je auf der Rockstage gesehen habe. Aber erstens mag ich solcherlei Hitlisten nicht - und zweitens fällt mir siedend heiß ein, dass ja Longing For Tomorrow gleich noch spielen. Hähä.
Großartig: Der Bassist! Macht den Anschein, als habe bereits recht große Mengen alkoholischer Getränke in sich rein gekippt. Wie er grimassenschneidend über die Bühne torkelt und irgendwie in seiner eigenen Welt zu schweben scheint - herrlich! Ehrensache, dass sein Basspiel nebenbei ganz flüssig und ohne Ausfälle läuft.
Das ist gerade, wenn ichs richtig verstanden habe, die zweite Deutschland-Tour der Band. Wollen wir mal hoffen, dass da noch mehr kommen und die Band bis dahin ein wenig ihren Bekanntheitsgrad erweitern kann. Der Auftritt jedenfalls hat mächtig Spaß gemacht. Außerdem müssen sie ja ihre erlernten deutsch-Kenntnisse noch weiter aufbauen: "Autobahn is motorway, right? Or is it a sextoy?
Der letzte Song wird noch als Anti-Nazi-Song vorgestellt (auch löblich) und irgendwie ist der Auftritt dann auch viel zu schnell vorbei. Die erste Band am heutigen Tage, die wirklich durchgehend Bock gemacht hat. Im Auge behalten! Lohnt sich!
Anschließend: LONGING FOR TOMORROW! Für mich entdeckt habe ich die Band vor gar nicht allzu langer Zeit auf der Alternative Stage in Lünen, wo sie mich vom Stand weg begeistern konnten - und das Album "Idee: Mensch" kommt bei mir immer noch regelmäßig auf den Plattenteller.
Und das obwohl, ich trau's mir gar nicht zu sagen, die Musik etwas emo ist. Musik mit aber auch von Herzen, viele Breaks und Tempowechsel und deutsche Texte die zugegebenermaßen teilweise etwas schwülstig klingen, aber trotzdem jede Menge Tiefgang besitzen.
Die Texte sind übrigens mittlerweile komplett auf deutsch - früher eher englisch, was wohl auch den englischen Namen erklärt. Umso bemerkenswerter, dass die Band bereits diverse Ausflüge ins Ausland verbuchen kann, darunter auch zwei Touren in Brasilien. Wow!
Erstaunlich auch, dass Longing For Tomorrow hierzulande noch nicht wirklich das ihnen eigentlich zustehende Bekanntheitspotential ausgeschöpft haben. Irgendwie schade, wie wenig Zuschauer sich bei einer solchen Band einfinden. Dafür wird aber ordentlich gefeiert vor der Bühne, gibt sogar ein paar Textsichere - und diverse Ausziehen-Aufforderungen durch die Engländer.
Vermutlich im Oktober soll übrigens ein neues Album erscheinen, ich bin gespannt! Gespielt wird davon zum Beispiel der bereits vorab veröffentlichte Song "Neongrell", aber auch genug Material vom alten Album kriegen wir geboten. "Blickes Fang", "Gipfelstürmer", "Lichtermeer" - ziemlich mächtige Songs, echt!
Longing For Tomorrow haben auch gerade ein Video aufgenommen, wie der Sänger erzählt - in einem Puff. Oha! Na das kann ja was werden! Naja, zum Auftritt an sich: Ihr Hardcore-Emo-Postpunk-Gedöns zündet einfach total, ich zumindest kann mich dem nicht entziehen und bin von Anfang bis Ende gefesselt. Etwas schade, dass ich die älteren Stücke nicht kenne - von denen werden nämlich auch einige gespielt. Wird nachgeholt.
Es ehrt die Band auch, dass Grüße ans Rockstage-Team rausgehen und ordentlich Lob an die Veranstaltung - und die Aufforderung an uns, dem Jugendamt mal zu sagen, wie wichtig so etwas ist. In letzter Zeit lief nämlich organisatorisch einiges durcheinander - schön dass auch sowas mal zur Sprache kommt.
Echt geiler Auftritt! Was deutschsprachigen Emopunk betrifft, gibt's meiner bescheidenen Meinung nach derzeit einfach nichts Vergleichbares. Longing For Tomorrow gehen mit einer Intensität zur Sache, die man sonst hierzulande nur selten findet. Mehr als empfehlenswerte Band und großartiger Auftritt, der immer noch etwas nachhallt, obwohl doch mittlerweile schon ne Woche her. Rockstage hat sich mal wieder gelohnt. Ab nach Hause.