Knochenfabrik, Dödelhaie, Notausgang, 22.10.2011 in Olten (CH), Schützi - Bericht von Fö
Knochenfabrik, 22.10.2011 in Olten (CH)
Los gehts. Samstag morgen in Bern. Gemütlich frühstücken und irgendwann das Haus verlassen. Geheimes Ziel unserer Reise ist selbstverständlich die Suche nach Graffiti-Pimmeln, aber erstaunlicherweise scheint diese Hochkunst moderner Wandmalerei noch nicht nach Bern vorgedrungen zu sein. Immerhin entdecken wir ein Phallusobjekt in diesem Brunnen.
Erstes Ziel des Tages: Der Botanische Garten. Ganz nett, viel grün. Highlight ist diese Treppe, die plötzlich aus dem Nichts empor ragt und, genau, auch wieder ins Nichts führt. Faszinierend.
Nächstes Ziel: Der Bärengraben, oder auch Bärenpark, wie er neuerdings heißt. Die Reiseführer vermitteln ganz anschaulich die Theorie, dass Bern die Nuschelform von "Bären" ist und somit eigentlich noch viel mehr mit den Pelztieren zu tun haben muss als Bärlin.
Der Bärengraben ist mehr oder weniger ein kleines Gehege mit Bären drin. Eintritt frei. Keine Ahnung ob das für nen Zoopunkt reicht, aber wir sind zufrieden...
Der örtliche Fluss "Aare" schlängelt sich um die nette kleine Altstadt. Als Gegenleistung schlängeln sich jetzt auch ganze Häuser im Fluss.
Die Altstadt entspricht so ziemlich unseren Erwartungen. Alte Häuser, alte Straßen, kennt man ja. Ganz nett zum Flanieren. Aber je näher man der eigentlichen "City" kommt, desto voller wird es. Hier sind wir gerade an der "Zytglogge" angelangt. Wurde vom Reiseführer als total toll angepriesen, aber außer dass eine Narrenfigur die Stunde zu früh anschlägt, rechtfertigt hier nichts die Scharen an Touristen, die sich das Teil angucken.
Viel interessanter: Der "Kindlifresserbrunnen", einer von mehreren ansprechend be-statuierten Brunnen in der Stadt. Da bekommt man doch direkt Hunger...
Was der Reiseführer ebenfalls empfiehlt: Shoppen in den Arkaden. Naja, nee danke. Das überlassen wir lieber den Scharen sonstiger Gestalten, die hier durch die Stadt rennen...
Noch mehr Politik. Da bekommt man ja direkt Angst als Ausländer...immerhin gibt es nur wenige SVP-Plakate, die nicht irgendwie vollgeschmiert sind. Leider nicht mit Pimmeln.
Stadt begucken zu Ende. Schöne Stadt, aber mit dem Standard-Touri-Sightseeing sind wir auch nach ein paar Stunden durch. Fehlt nur noch das abschließende Bier, anschließend kurz einkaufen und Abends wird für die versammelte Mannschaft gekocht.
Später steigen wir wieder in unser Gefährt, das uns nach Olten bringt. Lea und Daniel verzichten leider aus Zeitmangel auf unseren kleinen Ausflug. Für uns bricht ne Welt zusammen. Naja. "Schützi" nennt sich der Konzertort heute, ist ein überraschend großer Laden, in dem sich die vielen Irokesen-Träger doch irgendwie verlieren.
NOTAUSGANG nennt sich die erste Band des Abends. Schweizer Deutschpunk, aber leider kein Schwyzerdeutsch-Punk. So können wir ein weiteres Mal das Phänomen "Ansagen in heimischer Mundart, Lieder auf hochdeutsch" bewundern. Mit anderen Worten: Wir verstehen kaum was von dem, was der Sänger zwischen den Liedern so von sich gibt.
Die Lieder selbst - naja. Man merkt der Band ein wenig an, dass es sie seit mittlerweile 22(!) Jahren gibt, denn mittlerweile ist es ja fast ebenso lange her, dass diese Musik irgendwie angesagt war. Funpunk, grobe Richtung Wizo, Lost Lyrics, Rotz auf der Wiese, und wie sie alle heißen.
Darunter natürlich auch 1-2 Balladen, Texte mehr Spaß als Ernst. Alles ganz "nett". Ist vielleicht okay wenn man die Lieder kennt - was wir nicht tun. So dürfen sich die Fans vor der Bühne freuen, die zumindest ab und zu ordentlich die Band abfeiern.
Also verkriechen wir uns dann auch nach ein paar Liedern zum Knofa-Merchstand, geben hilfreiche Tipps ("Mach das teurer! Die zahlen das!") und ich genehmige mir tatsächlich mal ein alkoholhaltiges Bier, zur Feier des Tages. Bierpreise sind hier übrigens echt in Ordnung: 0.5er Dosenbier für 3 Franken! Und 0.3er 4 Franken. Leider wollte ich nur ein kleines Bier...
Danach: KNOCHENFABRIK! Endlich! Wir hatten uns ja im Vorfeld schon Sorgen gemacht über die Länge der Veranstaltung. Auf der Homepage hieß es: Anfang 20 Uhr, Ende 4 Uhr. 8 Stunden für 4 Bands, das kriegen manch andere AZ's zwar auch hin, aber so wirklich glaubwürdig war die Ankündigung dann doch nicht. Nun also Knochenfabrik als zweite Band irgendwann kurz vor 11, das ist noch ganz entspannend.
Auf der Homepage vom "Schützi" findet man nicht nur verwirrende Zeitangaben, sondern auch extrem euphemistische Eigenwerbung: "Im Kulturzentrum Schützi bleibt die Turnhallen-Atmosphäre bewusst erhalten" heißt es da - kann man so unterstreichen. Der Sound hier erinnert wirklich an ne Turnhalle.
Schlagzeug schwammig, Gesang leise - echt schade. Aber immerhin ein Grund mehr, alles mit zu singen. Platz vor der Bühne ist auch, man steht sich nicht gegenseitig die Knochen in den Leib und kann sich trotz ausgiebigem Gepoge noch ganz gut bewegen. So viel Platz hatte ich schon lange nicht mehr auf nem Knochenfabrik-Konzert! Vielleicht ist ne Turnhalle doch zu groß für so ne Band.
Ansonsten: Ja, schon geil! Hat man sich erst einmal an die Umstände gewöhnt, macht es doch irgendwie Spaß. Zumal die heutige Setlist kaum Fragen offen lässt: Knapp 40 Lieder haben sich die Drei aufgehalst (weswegen wohl schon vor dem Gig die Zettel ausgingen, auf denen man die Setlist notieren könnte...). Also gibts reihum alles zu hören, was das Fanherz begehrt.
Besonders schön: Mehr Stücke, bei denen Achim auch etwas Gesang beisteuern kann, wie das großartige "Buchstabennudelsuppe", "Eigentlich ein Schwachkopf" oder auch "Wenn es dämmert", die wurden, wenn ich mich richtig erinnere, seit der Reunion nicht mehr gespielt. Achim selbst freut sich über den Besuch eines alten Porzer Kollegen im Publikum und fragt nach einer Dame, die er vor 15 Jahren in der Schweiz kennen lernte - ohne Erfolg.
Achja, Schweiz. Running Gag des Abends sind selbstverständlich die Löcher im Schweizer Käse, auf deren betrügende Wirkung Claus immer wieder hin weist. Bester Spruch: "Wir rocken die Löcher aus dem Schweizer Käse!" - das toppt so ungefähr jede Ansage, die jemals von einer Rock-Kapelle in der Schweiz gemacht wurde. Glaube ich.
Zwischendurch wird das Programm kurz unterbrochen, damit die Band Jägermeister fegen kann. Keine Ahnung was Claus hier macht, aber aus dramaturgischen Gründen behaupte ich einfach mal, er riecht seinen Atem. Knochenfabrik scheinen etwas angeschlagen zu sein, haben sie doch gestern den nach eigener Aussage besten Auftritt ihrer Karriere im Freiburger Walfisch. Scheiße, und wir waren nicht da!
Dafür dann das hier, ein eher durchschnittlicher Auftritt, in meinen Augen. Zu großer Laden und mieser Sound. Immerhin Achim versucht, zwischendurch noch die Stimmung zu heben. Zum Beispiel durch eine astreine Rap-Einlage, die Grandmaster Flash alle Ehre machen würde.
Die neue Platte "Grüne Haare 2.0" ist selbstverständlich auch im Gepäck. Ernährungspyramiden ist ja so ein verdammter Hit! Ansonsten erklärt Claus, warum da so viele Sauflieder drauf sind: "Knochenfabrik haben damals ungefähr 60 Lieder gemacht, von denen 59 nicht vom Saufen handeln. Das sind 59 zu viel!". Wahre Worte!
Zur Zugabe gibts noch "Im Fadenkreuz", "Willi über Wiesen" und "Frau Schmitt". Die ganzen anderen Stücke, die ihr gerne auf einem Knochenfabrik-Konzert hören wollt, wurden natürlich auch gespielt. Manche schlecht ("Der jüngste Tag" mit verkackter zweiter Strophe), manche besser ("Toni Schumacher" mit holprigem Stadionrock-Part) und manche einfach nur überirdisch gut (bei "Glücklich" war ich tatsächlich ebendieses. Crazy, nicht?)
Noch mehr Rockstarscheiße: Verbeugen! Yeah! Sowas geht auf nem Punkkonzert nur, wenn 90% der Anwesenden klatschen und genau ein Mittelfinger zu sehen ist. Und ja doch, für Knochenfabrik kann man auch mal eben in die Schweiz fahren!
Nächste Band: Die DÖDELHAIE! Die Duisburger Deutschpunker polarisieren ja gerne ein wenig: Einerseits sind die Lieder gar nicht so schlecht, andererseits ist Andy als Frontmann einfach nur, naja, nervig. Dabei haben die Dödelhaie doch 2002 mit "Schätzchen, ich habe das Land befreit" einen unbestrittenen Meilenstein veröffentlicht - bis heute unerreicht, auch von den Haien selbst nicht.
Bei den Ansagen von Andy versuche ich bewusst, einfach weg zu hören. Mag sein, dass kleine Teenie-Punker sich dadurch beeindrucken lassen, aber dieses Vom-Zettel-Selbstabgefeier kann ich einfach nicht mehr hören. Wirkt alles wie abgespult, da geht auch irgendwie sämtliche Spontanität verloren.
Den Anfang des Konzerts ignorieren wir sogar gänzlich, am Ende kommen dann aber doch noch Hits. Sowas wie "Stolz" oder "Radieschen auf Frischkäse". Nicht viel anfangen kann ich mit halben Coversongs der Marke "Holzfällerlied" oder auch "Molli Lied" vom aktuellen Album "Hai Alarm". Futter für das Partyvolk. Gähn. Ein guter Coversong hingegen: "Die letzte Schlacht gewinnen wir" von den guten alten Scherben...
Mit ein Grund für den schlechten Sound heute: Die Dezibel-Zahl ist begrenzt, dafür sorgt ein Dezibel-Messer mit Standleitung zum Bürgermeister. Bei über 100 db wird geräumt! Die Dödelhaie, radikal wie sie nunmal sind, bewegen sich mal wieder haarscharf am Limit.
Nee, mal Spaß beiseite, so ganz abgeschrieben hab ich die Band immer noch nicht, auch wenn ich jedem nur empfehlen kann, sich die Band nur ungefähr alle 5-6 Jahre an zu schauen, sonst kommt man darauf einfach nicht klar. Hähä. Nun denn. Uns bluten fast die Ohren (son Zufall, Knofa forderten doch kurz zuvor "Blut ohne Gewalt"...), halten aber doch bis zum Ende durch.
Anschließend spielen noch "Kopfnuss". Kennen wir nicht und irgendwie sind wir sowieso ziemlich schlapp heute. Wohl doch zu viel unternommen die letzten Tage. Also schnell das letzte Bier runter gekippt, von Claus letzte Urlaubstipps abgeholt (Bucheckern beim Nationalmuseum futtern, aha) und wieder zurück ins Auto, ab nach Bern.
Sooo, wollen wir den Urlaubsbericht mal langsam dem Ende entgegen bringen. Der nächste Tag: Sonntag. Diesmal steht kein Konzert an, weswegen ich das einfach mal an den samstäglichen Bericht dranklatsche. Hier ein Foto extra für Azi, also sag dem mal einer Bescheid dass er hier reingucken soll. Mitsamt Trinkbecher machen wir einen Ausflug ins Emmental!
Ja genau, da wo der Emmentaler Käse her kommt. Hier gibt es die "Emmentaler Schaukäserei", in der man gegen freien Eintritt zugucken kann, wie son Käse überhaupt entsteht. Ich sach mal so: Hätten wir Eintritt gezahlt, wir hätten uns geärgert. Ist ja ganz nett, mal ins Labor reingucken zu dürfen, aber außer ner Laborassistentin, die tütenweise Milch durch den Raum schob, gabs nichts zu sehen.
Drumherum wird dem Konsum gefröhnt, für jeden Emmental-Touristen was dabei. Wir halten lieber Ausschau nach den Kleinigkeiten - wie diese Draht-Spinne auf dem Dach. Wunderschön.
Achja, so sieht ein Käselaib aus. Wo sind eigentlich die Löcher? Oder haben Knochenfabrik die tatsächlich weggerockt?
...des Rätsels Lösung: Zum Löcheln wird der Käse noch ins Löchli gerollt. Irgendwie schon son bisschen witzig, diese Schweiz.
Wie gesagt, die Schaukäserei nicht wirklich spannend - aber dafür ist das Emmental selbst wunderschön. Grüne Hügelketten, kleine Wäldchen, Ackerbau und Viehzucht, schön urtümliche Dörfer - perfekt für ne kleine Wanderung oder auch nen Sonntagsspaziergang. Nebenbei fragen wir uns, was für psychische Schäden eigentlich son Schaf davon trägt, wenn es den ganzen Tag ne Glocke um den Hals trägt.
Selbiges gilt natürlich auch für die Kühe. Wobei man denen den Wahnsinn schon ansieht, die sind nämlich konsequent am Sabbern. Achja, O-Ton Lea: "Ich will ein Foto mit einer Kuh!" - bitteschön!
Laubblätter. Es herbstet. Übrigens finden wir im Emmental zwar kein Nationalmuseum, aber immerhin Bucheckern. Lecker.
Back to Bern. Lea hat abends noch Termine (wir haben den Zeitpunkt unserer Visite wirklich doof gewählt, stellen wir fest), also bringen wir sie kurz zum Theater. Und haken schnell einen weiteren Sightseeing-Punkt ab: Ne Dampflok!
Und, endlich auf den Musicalbühnen dieser Welt: Ewigi Liebi! Mit den größten Hits von Frau Mansmann!
Nächster Tag: Montag. Heute steht ein wenig mehr Natur auf dem Programm, bevor ich Abends den Zug gen Heimat enter. Wir fahren nach Interlaken (gelegen zwischen dem Thuner und dem Brienzer See), wo wir exakt einen Tag zu spät sind für die meisten Attraktionen (Saison is halt vorbei), aber auf eigene Faust, oder sagen wir eigenen Füßen, auch gut was zu Gesicht bekommen.
Und Leute, das muss man doch mal sagen: Sprechen diese Fotos nicht Bände? Sieht das hier nicht einfach blendend aus? Atmosphärische Kleinstadtidylle, umrahmt von hellblauen Seen, schneebedecktem Gebirge und dazu raschelt das bronzefarbene Laub sanft im Wind. Herrlich!
Ende Oktober. Hochsommer in der Schweiz, holt die Sonnenbrillen raus! Wir erkunden heute die Gegend rund um den Harder Kulm (Faster! Harder! Kulm!) - der Weg zum Harder Kulm selbst ist uns zu lang, aber der Rest hier ist auch absolut sehenswert.
Wir steigen hinab ins Dörfchen Ringgenberg am Brienzersee. Hier fahren sogar Schiffe. Das letzte fuhr gestern, das nächste fährt nächstes Jahr. Nunja. Dafür gibts nen Wanderweg am See entlang zurück nach Interlaken.
Dort haben wir unseren heißen Flitzer geparkt, genehmigen uns ein letztes Bierchen vor dieser herrlichen Kulisse, und trinken auf einen wieder mal gelungenen Urlaub. Okay, viel zu wenig Zeit mit Lea und Daniel verbringen können. Aber sonst? Echt schön, diese Schweiz! Lohnt sich, da einzuwandern!