Henry Fonda, Die Eule im Bart des Judas, The Dimensions, Engrain, 30.03.2012 in Unna, JZ Taubenschlag - Bericht von Fö
Henry Fonda, 30.03.2012 in Unna
Mit der üblichen Verspätung von gefühlt 5 Stunden plus einem Fußballspiel schließlich irgendwann die erste Band auf der nicht vorhandenen Bühne: Vier dumme und gutaussehende Typen. Scheiße im Anzug. DIE EULE IM BART DES JUDAS!
Neuerdings ja im "Roster" von Bakraufarfita Records, gemeinsam mit Spastic Fantastic kommt in Kürze ein phänomenaler Siebenzoller raus, der die Musikwelt erschüttern wird. Ihr werdet danach nie wieder andere Musik hören wollen! Oder, ums zu konkretisieren: Ihr werdet nie wieder Musik hören wollen!
Gesang teilt sich auf zwischen Marki und Timmi (süße Namen sind trendy). Ab und zu auch mal ohne Gitarre, dafür gibt Marki den Voll-Entertainer, stürmt in die Massen, bellt und keift und sorgt für erste kleine Schubsereien und jede Menge lachender Gesichter. So Hardcore-Shows sind echt irre witzig!
In der Hardcore-Szene halten ja alle total zusammen, Unity und so, jeder trägt seinen kleinen Teil dazu bei, damit alles funktioniert. Eine kleine Armee von Individualisten, gemeinsam für eine große Sache! Sinnbildlich dafür: Als Marki seinen Mikroständer im Showeifer zu Boden schmeißt, stürmen sofort hilfsbereite Hände nach vorne, um ihn wieder aufzustellen. Da bekommt man direkt Tränen in den Augen angesichts dieses persönlichen Einsatzes der heutigen Zuschauer. Marki dankt auf seine Weise: er tritt den Mikroständer wieder um.
Musikalisch: Wie gewohnt Chaos. Der Synthie ist heute etwas zurückgeschraubt, was wohl daran liegt, dass die Judasbarteulen bei der letzten Probe vergessen haben, schriftlich festzuhalten, was da überhaupt gespielt werden soll. Und das wiederum liegt vermutlich daran, dass die letzte Probe überhaupt nicht stattfand.
Volle Kanne unterhaltsam. Schreiattacken-Hardrock-Thrash. Und obwohl auf dem Boden sowas wie ne Setlist liegt, wird vor jedem Song diskutiert, was denn jetzt zu spielen sei ("Ich dachte du meinst das andere erste Lied"). Rücksichtslosen Dilettanten gehört die Welt.
Nächste Band: ENGRAIN. Vor zwei Tagen erst in Essen gesehen. Damals nur die letzten drei Lieder, heute immerhin die letzten 30 Sekunden. Klare Negativsteigerung würd ich das mal nennen. Darum auch kein anständiges Foto davon. Musikalisch bestimmt auch ähnlich wie am Mittwoch. Niklas meinte irgendwas von wegen die wären total geil.
Fotografen haben ja den sprichwörtlichen Blick fürs Detail. Hier die trendige winkende Katze alias Maneki Neko. Wie Bönx vor ein paar Jahren recherchierte, sorgt der winkende linke Arm für mehr Besucher, während der rechte Arm hierzulande verpönt ist.
Apropos Bönx: Der hat auch irgendwann mal THE DIMENSIONS live gesehen und feiert die seitdem total ab, während bei mir der Konservenoutput bisher nicht wirklich zünden konnte. Ändert sich aber heute: Scheiße, wat ne geile Band!
Zu hören gibts Punkrock mit viel Straße und viel Garage. Mit leichtem Gossentouch. Also alles echt dreckig, aber trotzdem verdammt melodiebetont. Und Ker, wat hat der Sänger dünne Beinchen. Und dünne Ärmchen.
Zwischendurch auch mal was melancholisches mit dem Sänger alleine, während der Bassist Löcher in die Luft starrt und der Drummer sein Schlachzeug richtet - das verschob sich nämlich just, als die Band einen nach eigenen Aussagen wunderbar zum Tanzen geeigneten Song auspacken wollte. Mies.
Egal, kommt der Tanzflächenkracher halt nach dem Melancholieteil. Trotzdem beides gut. Ich empfehle ausdrücklich, da auch mal ein Ohr zu riskieren, beispielweise hier. Oder noch besser: Die Jungs mal live auschecken. Schließlich brauchte auch ich diese Initialzündung, um das, was da geleistet wird, gut zu finden.
Vor 2 Wochen kam übrigens die Debüt-LP "Antelopes" auf Zeitstrafe raus, die es heute selbstverständlich auch käuflich zu erwerben gibt. Ja, genug zum Werbepart. Ansonsten überzeugt die Show einfach durch die Musik selbst. Die Ansagen wirken eher, als müsse man die halt machen.
Beeindruckend auch, mit welchem Elan der Drummer da auf seine Töpfe haut. Ein Wunder, dass er nicht durch den Boden bricht. Aber vermutlich ist dieses Haus überhaupt nicht unterkellert. Ja, wat soll ich noch schreiben. Keine Ahnung. Gute Band.
Danach: Ein wenig dumm rumstehen. Ständig fallen irgendwelche Sätze, nach denen Linda anmerkt, dass sie doch UNBEDINGT in den Bericht müssen, aber dank meines durchsiebten Gedächtnisses müsst ihr euch mit diesem Foto begnügen.
Anschließend: HENRY FONDA! Hardcore-Grind-Punk aus Berlin. Ey, was ne Granate. Der Sänger fegt und walzt durch die Menge und bekommt schon nach dem ersten Song Nasenbluten ("vom Singen", sagt er). Heiliges Kanonenrohr. Ich wusste zwar, dass Henry Fonda live gut Gas geben, aber das hier übertrifft mal alle Erwartungen.
Insbesondere die vielen Grind-Elemente sorgen für das nötige Gewürz in der Suppe. Die komplette Band rastet total aus, wirbelt mit Kabeln und Instrumenten um sich, ständig muss man Angst haben, dass ne Gitarre quer durch den Raum fliegt und ein halber Kopf hinterher. Geil!
Aber wer will hier denn Angst haben? Die verbliebenen Zuschauer wirbeln ebenfalls unverfroren durch den Raum, schmeißen Verstand und Gliedmaßen durch die Gegend und brüllen sogar mit, bei Texten, von denen man irgendwie nur Gebrüll versteht, obwohl die Band immer wieder darauf hin weist, wovon die Lieder handeln.
Ein Song geht raus an die Demo am morgigen Tag: Das Rawside-Cover "Faschopack"! Jawoll ey! Beim ersten Refrain brüllt noch alles mit, danach fegen uns rasante Grindfetzen entgegen, so dass hier keiner wirklich mitkommt, beim Mitsingen. Groß!
Noch größer: Lieder mit Titeln wie "Stirb Proletenschwein" oder "Charles Bronson", die gerade mal 1-2 Sekunden dauern (dafür immerhin mit Schellenkranz-Gastmusiker). Wahnsinn. Henry Fonda räumen ordentlich ab.