Atlas Losing Grip, 25.04.2012 in Münster, Green Hell Recordstore - Bericht von Gerdistan
Atlas Losing Grip, 25.04.2012 in Münster
Die Macher des Films "Miss Undercover" hatten offensichtlich eine ähnlich gute Auffassung dieses monumentalen Datums, wie man hier sieht. Vielleicht spielen genau deswegen Atlas Losing Grip heute eine Akustik-Show in einem bekannten Münsterschen Plattenladen, seit der Auflösung von Press Gang wahrscheinlich das einzige, was Münster und Punkrock verbindet und einigermaßen überregional bekannt ist.
Für mich selbst war dieser 25. April dann doch ein Tag von größerer Bedeutung, ich habe erst meinen ersten Patentantrag abgeschickt, dann meinen Arbeitsvertrag für die nächsten drei Jahre unterschrieben und war schließlich noch Lebensmittel fürs Groezrock einkaufen.
Unter anderem habe ich mir diesen praktischen 10 L-Wasserkanister gekauft. Andere Leute sagen Wassersack dazu. Eigentlich schon fast erstaunlich, dass die Produktdesigner von Marktkauf sich dazu entschieden haben, die unlustigste Beschreibung "Wasserbehälter" auf das Produkt zu drucken. Wobei Kanister auch nur lustig ist, wenn man einen Mitbewohner hat, der so heißt.
Nach einiger anfänglicher Verwirrung, ob das Konzert jetzt im Lager von Green Hell (am Arsch der Heide) oder wirklich im Plattenladen selbst (von mir mit dem Rad fünf Minuten) stattfindet, schwinge ich mich um 17:45 aufs Rad, denn das Konzert soll angeblich schon um 18 Uhr anfangen. Es liegen auch schon Schlag- und Saiteninstrumente herum, als ich ankomme.
Da aber auch um 18 Uhr noch niemand diese Instrumente bedient, können wir noch ein wenig die Auslage betrachten. Die Münsteraner Szenemarke "Koloss" bietet zum Beispiel dieses schöne Radfahrershirt an. Raise your fist, Bicyclist!
Während sich immer mehr Konzertpublikum im Laden sammelt und für 1,50 bereitgestellte Getränke am Tresen, über den normalerweise die Platten und Konzertkarten wandern, kauft, sammeln sich langsam fünf Schweden in der Ecke mit dem Schlagzeug. Diese Akustikshow wird also von der gesamten Band gespielt und nicht vom Sänger mit einer Gitarre.
ALG (oder zumindest ALG II, höhöhö) kennt hier ja wahrscheinlich eh jeder. Rodrigo, der Sänger von den Satanic Surfers und mittlerweile auch Drummer bei Venerea, macht sein eigenes Ding und das geht schön in Richtung 90er Melodycore.
Heute allerdings nicht. Als Opener wird der Opener des aktuellen Albums "State of Unrest" geboten, "Logic" heißt der Song. Wird aber in spezieller Akustik-Version gespielt, d.h. in erster Linie deutlich langsamer als auf Platte.
Rodrigos Standardpose. Wurde glaube ich in Thruns Malmö-Bericht auch schon erwähnt, dass er die Hände in den Taschen hat und die Augen zu. Stell ich mir auch schwierig vor, auf ner normalen Bühne hat man ja immerhin das Mikro um irgendwas mit seinen Flossen zu machen, in dieser Situation ist man vollkommen hilflos.
Aber eins fällt schnell auf: Der Mann kann wirklich singen. Ich bin einigermaßen beeindruckt. Im Hintergrund haben Gitarrist und Bassist mittlerweile getauscht. Die Gitarren sind übrigens voll akustisch, der Bass sieht zwar aus wie etwas, das ich als Laie als Akustikbass bezeichnet hätte, wird aber dennoch elektrisch verstärkt.
Der andere Gitarrist (links) zieht irgendwann sein Shirt aus, entblößt seine Tattoos und erklärt "I am a punk rocker, I have tattoos". Der Sänger merkt an, dass er dann wohl keiner ist, weil er keine Tattoos hat. Antwort des Gitarristen: "You don't put bumper stickers on a Cadillac." Alles klar soweit?
Neben diversen Songs vom aktuellen ALG-Album (Logic, Unrest, Black Hole) gibt es auch einige Songs, die ungefähr so angekündigt wurden: "The next song is a cover song. Well, not really. We once did some kind of project and this song is from there." Oder so ähnlich. Hab nicht verstanden, worum es dabei ging.
An echten Covers gabs dann noch Killed By Death von Motörhead zu hören. Wurde angekündigt mit "Feel free to sing along", macht aber keiner. Der nächste Song wird dann mit "Feel free to think along" und der nächste dann mit "Feel free to drink along" ankündigt. Das klappt besser.
Draußen wandern immer wieder verwirrte Passanten vorbei und glotzen in den Laden und auch Frau Große Heitkötter von Gegenüber sucht nach einer Erklärung für die eigenartigen Geräusche in der Winkelstraße.
Am Schluss entschuldigt sich Rodrigo noch für seine Gesangspose, das sei immer so, wenn er nervös ist. Aber doch nicht in diesem familiären Umkreis hier! Bisher wurde jeder Song in ruhiger Akustikversion gespielt, nur bei der letzten Zeile von einem der ominösen "Cover but not really"-Songs hat er mal die volle Kraft seines Organs erschallen lassen.
Ich hätte mich ja schon gefreut, wenn sie wenigstens ein Lied in gewohnter Geschwindigkeit runtergeschrabbelt hätten, aber das passierte leider nicht. Hier auf dem Bild noch der Drummer, den hätte ich fast nicht fotografieren können, weil er immer verdeckt wurde.
Nach acht Songs wird sich artig bedankt, kurz gewartet und den Bitten nach Zugaben nachgekommen. Naja, nach einer Zugabe jedenfalls. Ein US-amerikanischer Folksong namens "The L&N don't stop here anymore" wird gespielt, der Text kommt allerdings vom Blatt und für den richtigen Südstaatensound schiebt sich der mittlerweile zur Gitarre gewechselte Bassist diese Metallhülse über den Finger.
Das hier war die Setlist, leider kann man sie kaum lesen. Da nur neun Songs geboten wurden und das Konzert schon um 18:30 angefangen hat, kann man sich ungefähr ausmalen, wann es zu Ende war. Dennoch eine runde Sache, können die Leute von Green Hell gerne häufiger machen.
Da die Luft im Laden während des Konzert ziemlich schnell ziemlich schlecht geworden ist (es war echt voll), verziehen sich die meisten Leute nach Ende des Konzerts nach draußen. Ich guck mir noch ein bisschen die Auslage an und vertiefe mich ein Gespräch mit Benni von Idle Class, der mir erzählt, dass ich das absolute Highlight ihres Konzertes am Samstag in der Baracke wohl verpasst habe.
Denn offensichtlich ist dem Gitarristen beim Versuch, diesen geilen Schulterumschwung mit der Klampfe zu machen, der Gitarrengurt gerissen und das Gerät 20 cm neben dem Sänger her in die Wand gedonnert. Da war ich wohl grad pissen oder so, schade, hätte meinen Konzertbericht vom Samstag noch schön abgerundet.
Da es bei Green Hell keinen Schont (Masematte für Toilette, ich habe beschlossen, meine Berichte mit etwas mehr Lokalkolorit zu bereichern) gibt, bringt mich ein irdisches Bedürfnis alsbald wieder aufs Fahrrad und auf den Weg nach Hause. Drei Konzerte in sieben Tagen gesehen, ohne dafür die Stadt zu verlassen - weiter so, Münster. Für die nächsten Konzerte verlasse ich dann aber das Land. Bis zum nächsten Mal
euer Gerd
euer Gerd