Shantel & Bucovina Club Orkestar, 03.12.2012 in Dortmund, FZW - Bericht von Fö
Shantel & Bucovina Club Orkestar, 03.12.2012 in Dortmund
Das heutige Konzert findet statt in der großen Halle - nicht unbedingt die optimale Größe für ein intimes Weltmusik-Konzert, aber nunja, es könnte schlimmer sein - bestuhlt oder so. Das Publikum geht quer durch alle Alters- und Klassenschichten, wobei die Älteren sich glücklich schätzen können, wenn sie im hinteren Teil der Halle noch einen Stehtisch ergattern konnten.
Dann der Auftritt. Die Band kommt gut gelaunt auf die Bühne und stachelt eifrig das Publikum an (ich persönlich finde dieses Anheizen, bevor überhaupt ein Ton gespielt wurde, ja etwas übertrieben - warum holt ihr euch nicht stattdessen einfach ne Vorband?), Mastermind Shantel spaziert dagegen eher unspektakulär hinterher - und los geht die wilde Achterbahnfahrt durch Balkan, Rock'n'Roll, Folklore, Gypsy, Raï und wat weiß ich was noch alles.
Nunja, "wild" können andere Bands besser. Zumindest der Anfang des Konzertes verläuft eher träge, es vergehen lange Minuten bis endlich überhaupt mal Gesang angestimmt wird und auch die quirlige Grundsubstanz der Musik verlagert sich eher in die Folk- als in die Rock-Ecke. Irgendwie hatte ich das beschwingter in Erinnerung, aber vielleicht zündet die Musik auf sommerlichen Open Airs auch einfach besser.
Aber wie sagt man so schön: Läuft. Mit zunehmender Dauer des Auftrittes katapultiert sich auch die Stimmung. Erstes Highlight: Der Klassiker "Disko Partizani", zu dem endlich auch mal die ganze Halle gemeinsam in den Refrain einstimmen kann - unterbrochen durch die Band selbst, die eine künstliche Pause nutzt, um das Publikum erstmal weiter anzustacheln (okay, das wirkt also auch dann übertrieben, wenn schon Musik gespielt wurde...)
Trotz aller Skepsis: Der Auftritt gewinnt nach und nach an Fahrt. Viel Raum wird auch der Sängerin geboten, besser gefallen mir jedoch die Momente, in denen die Instrumente für sich sprechen und mit großem Tohuwabohu und Tam-Tam jegliche Anzeichen von Lethargie in fulminante Stimmungs-Eskapaden verwandeln. Schade nur, dass diese Momente eher die Ausnahme sind.
Vielleicht hatte ich auch die falsche Erwartungshaltung. Oder meine Punkrock-gestählten Ohren reagieren einfach nur noch auf extreme Lautstärke. Für den Funkhaus-Europa-Stammhörer dürfte das hier hingegen ein wahres Fest für die Sinne sein.
Irgendwann stolziert Shantel unvermittelt ins Publikum und bittet darum, dass sich alle hinsetzen. Ich erwarte schon das übliche Hinsetzen-und-Aufspringen-Spielchen, aber Shantel bleibt tatsächlich längere Zeit mitten unter uns, hält Geplänkel, flirtet, erkundigt sich nach unserem Wohlergehen und spielt sogar auf den hiesigen Lokalpatriotismus an - schlägt aber geschickt die Brücke hin zum Weltbürgertum.
Spruch des Abends schließlich, als er zum verunsicherten Security-Mann sagt: "Du darfst dich auch hinsetzen". Großartig! Auch sonst sind die paar Minuten, die Shantel im Publikum verbringt, ziemlich unterhaltsam - und brechen ein wenig das Standard-Konzert-Korsett. Zu den Klängen von "Bella Ciao" geht es schließlich zurück auf die Füße und auf die Bühne.
Nach dieser kleinen Einlage beginnt das Konzert, erst richtig Spaß zu machen. Manchmal schafft so eine große Halle eben auch eine eher ungewollte Distanz, die es erstmal zu überwinden gilt. Kaum auszumalen, wie gut der Auftritt erst gewesen wäre, hätte er im kleineren Club stattgefunden...aber naja, Schwamm drüber.
Weitere gespielte Lieder hören auf Titel wie "Disco Boy", "Being Authentic" oder "Planet Paprika", auch hier bewegt man sich stetig in der Melange aus elektrisch angehauchten Club-Hits und folkloristischer Balkan-Musik. "Disko Partizani" wird dann zur Zugabe sogar noch ein zweites Mal ausgepackt - einige sprechen von "einen musikalischen Rahmen um die Show spannen", ich bevorzuge den Begriff "Schülerband-Habitus"
Insgesamt trotz aller Startschwierigkeiten ein durchaus mitreißendes Konzert, auch weil die Band gut eingespielt wirkt und jede Chance nutzt, ein wenig mit dem Publikum (und den tanzenden Damen in den ersten Reihen) zu flirten. Trotzdem bleibe ich bei meiner Meinung: Im Club hätte das noch besser geklappt. Ist ja schließlich das Club-Orkestar und nicht das Hallen-Orchester. Höhö.
Ein wenig zelebriert wird der heutige Abend auch noch, so holt Shantel spontan noch zwei Pullen Schampus und spritzt sie ins Publikum. Heute wird beispielsweise der Posaunist verabschiedet, während der Schlagzeuger angeblich (hier steht die Gegenthese) Geburtstag hat.
Zum Abschluss werden noch ein paar Mädels zunächst auf die im Sicherheitsgraben aufgebaute Showtreppe und schließlich gar auf die Bühne gelassen, zwecks ausgiebigem Tanzens. Oh, und ein großer Schritt für die Gleichberechtigung: Auch zwei Typen haben den Weg auf die Bühne gefunden!