Tackleberry, Cobretti, No Guts No Glory, Onsind, Power, 07.12.2012 in Köln, Aetherblissement - Bericht von Gerdistan
Tackleberry, 07.12.2012 in Köln
Neben mir im Zug essen Leute rohen Kohlrabi und gucken sich Youtube-Videos auf voller Lautstärke an. Als ob das noch nicht genug wäre, sammelt der Zug auf dem Weg noch eine Verspätung an, die meinen Anschlusszug nach Ehrenfeld in Gefahr bringt - aber nicht mit der Deutschen Bahn, der Anschlusszug hat dann noch dreimal so viel Verspätung und nach nur einmal Verlaufen auf dem Weg komme ich auch schon am Aetherblissement an - nur eine halbe Stunde später als geplant.
Als ich gerade den Laden betrete, mich vom Maître D' von der Reservierungsliste streichen lasse und meinen Tisch zugewiesen bekomme, wird mir erklärt, dass Power schon spielen. Scheiße! Aber auch erst seit zwei Minuten. Na da habe ich ja höchstens fünf Songs verpasst! Also schnell rein in den Laden, an einigen bekannten Gesichtern vorbeigeeilt, Rucksack und Jacke in irgendeine Ecke schmeißen und ab vor die Bühne. Auf derselbigen stehen die drei Herren auf dem Foto.
Und dieser Typ, der galant versucht, sich hinter dem Mikrofonständer zu verstecken. Links im Bild sieht man, wer nicht auf der Bühne steht: Der Sänger, der die ganze Zeit vor der Bühne auf und abspringt und mir in jedes zweite Foto reingelatscht ist.
Beweisfoto für den Sachverhalt, dass er mir immer vor die Kamera gelatscht ist: Hier. Eigentlich aber ein ganz hübsches Bild, würde ich an seiner Stelle sofort als Facebook-Profilbild benutzen.
Beweisfoto fürs Abspacken: Hier. Rechts im Bild der schönste blaue Iro von ganz Norddeutschland, Dr. Joyboy Love an der Gitarre, der sich sichtlich freut, seinen Zeitarbeitsjob in Neumünster einem Leben als Rockstar geopfert zu haben. So oder so ähnlich hat er es jedenfalls zwischendurch ins Mikro gelallt.
Der Bassist war so nett, meinen Rucksack irgendwann im Backstage unterzubringen. Danke nochmal. Und noch die obligatorische Phrase zur Musik: Power, irgendwo zwischen Punkrock und Hardcore mit ordentlich Gebrüll, mehr oder weniger sinnvollen Texten über die Absurditäten des Alltags und allem, was einem so in den Sinn kommt.
Die Leuchtkraft des Iros geht auf das Kreuz hinten an der Wand über! Angeblich besitzt er sogar eine Maschine, um sich morgens den Iro aufzustellen!
Mit etwas Fantasie kann das hier als Drummerfoto durchgehen. Wäre mir doch fast der Sänger wieder reingepetert. Die Fotos sind allesamt nich so dolle, weiß ich. Ich musste mich aber auch mehr auf die Musik konzentrieren, denn hier wird ein Hitfeuerwerk, das seines Gleichen sucht, abgefeuert.
Vom neuen Album "Overthrown by Vermin", das im Januar in Kiel offiziell rauskommt bzw. zelebriert wird (18.1. Schaubude), gibts einiges zu hören. Wie zum Beispiel "Local Meat Traffic", "The Flight" oder "Drowning in the Mud", bei letztgenanntem Song kann man sogar ein paar Zeilen ganz gut selbst mit gutturalen Gesängen unterstützen.
Was mir fehlte waren die alten Kracher wie "Kill your Ipods" und natürlich (für mich als Münsterbewohner) "Raise your fist, bicyclist", aber man kann ja nicht alles haben. Geiler Auftritt, Spielfreude, guter Sound, im Publikum eher Half-Circle Culture, aber das kennt man ja. Schön.
Etwas überraschend dann der Auftritt dieser beiden Herren. Onsind aus Großbritannien. Onsind ist die Abkürzung für One Night Stand in North Dakota. Sie machen Akustikpunkrock, ganz interessant, denn so hoch wie die Gitarre des rechten Herrn ist auch seine Stimme.
Die klingt ungefähr so wie der Sänger von Coheed and Cambria. Im Duett mit dem anderen Kerl klingt es aber ganz nett, etwas folkig und auf jeden Fall mit Aussage. Wer möchte, kann sich auf Bandcamp umsonst was runterladen und sich in die Texte einlesen.
Das Publikum steht mittlerweile auch schon näher an der Bühne als bei Power, was daran liegen könnte, dass es langsam echt voll ist. Ausverkauftes Haus! Im Aetherblissement, muss man sich mal vorstellen, kann sich kein Mensch vorstellen. Nach ungefähr 20 Minuten on Stage sind Onsind dann auch fertig und ich kann mich dem Socializing widmen.
Wenn man zum Schiffen vor die Tür geht, steht da ein sehr praktischer Bierkühler herum. Nüsschenboy Nils teilt mir mit, dass ich ohne Probleme auch hier hätte pennen können, aber naja, nu hab ich nix mit und schon weitere Leute aus Münster getroffen, so dass ich im Zug wenigstens nicht alleine bin.
Die nächste Band dann nach Onsind eine noch größere Überraschung. Ich hatte bei dem Namen "No Guts No Glory" irgendwas Bollo-HC-artiges erwartet, aber der Sänger von Power belehrt mich da eines besseren. Eine melodiöse Hardcoregranate aus Frankreich schlägt vor uns ein! Geil!
Der Herr im roten Shirt ist wohl neu in der Band und angeblich spielen sie deshalb noch nicht ganz so schnell, wie sie eigentlich können. Liegt es am Foto oder sieht die Gitarre ziemlich eigenartig aus? Egal.
Die Franzosen haben jedenfalls richtig Bock, zu spielen und das Publikum ist auch angetan. Selten hat mich eine Band vom Fleck weg so begeistert, ohne dass ich jemals nen Song von ihnen gehört hab. Superb.
"The next song is for 'annes!" und der dann angespielte Song klingt tatsächlich etwas nach Tackleberry.
Schlagzeuger- und Wasserflaschenfoto. Egal ob Edger oder nicht, trotz winterlichen Temperaturen vor der Tür kommt man im Konzertraum schon ganz gut ins Schwitzen. Hinten, auf dem Fernseher mit dem Club Scheisse-Schriftzug, steht übrigens eine kleine Kamera, die alle paar Sekunden ein Foto macht. Kann man dann ein tolles Zeitraffer draus machen - falls jemand weiß, wo ich das finden kann, bitte Bescheid sagen.
Musik für umgedrehte Baseballmützen, zackig auf den Punkt gespielt, wunderschön. Mal gucken, ob ich irgendwo die MP3s kaufen kann, um mir ne Platte mitzunehmen fehlte mir leider das Bargeld.
Jau, mindestens genauso begeistert wie ich ist die Band selbst, in dieser familiären Athmosphäre vor diesem Haufen Menschen zu spielen. Gerne wieder! Notiz an mich selbst: Niemals eine Band nach dem Namen beurteilen!
Bandwechsel (fast hätte ich Umbaupause geschrieben, aber umgebaut wird ja nicht viel). Gilt es wohl als grober Eingriff in den Straßenverkehr, dieses Schild mit Aufklebern vollzutackern? Man weiß es nicht.
Als nächstes auf der Bühne: Cobretti aus Köln. Die Fotos werden ab jetzt noch etwas schlechter, weil vor der Bühne alle übelst ausrasten. Ist ja auch ein Heimspiel für die Jungs auf der Bühne.
Musik ist schnörkelloser Hardcore, direkt ins Gesicht, bumm zack, hier werden keine Gefangenen gemacht. Die Menge tobt.
Jetzt mal ein Foto, auf dem man auch mal was anderes als graue Kapuzenpullover und den Sänger sieht.
Jo, die Cobretten (wie ihre Fans sie liebevoll nennen) gibt es nun auch schon seit zehn Jahren und das wird hier nach allen Regeln der Kunst gefeiert.
Am Anfang haben sich noch ein paar Kids in Kampfsport vor der Bühne versucht, dafür ist schnell kein Platz mehr. Überall Körperteile.
Trotz niedriger Decke und Bühne wird hier Stagediving, Crowdsurfing und was es da noch so gibt praktiziert.
Jau, Cobretti, klasse Auftritt, mitreißend, voller Energie, nur zu den einzelnen Songs kann ich nichts schreiben, ich hab nur das eine Album, auf dem als letzter Song "Streets of Mülheim" drauf ist, aber wiedererkannt hab ich nix, so oft hör ich das irgendwie doch nicht. Ist halt mehr so ne Liveband, höhö.
Nach ner halben Stunde oder so ist dann hier auch wieder Päuschen angesagt, es ist mittlerweile elf Uhr durch und äußerst fragwürdig, ob hier wirklich um 0:00 alles vorbei ist, wie es mir im Vorfeld bei Facebook bestätigt wurde.
Die nächste Band gewinnt dann auch knapp vor Power (die hatten einen riesigen rosafarbenen Bandaufkleber) den Preis für das beste Merch. Die Tackleberry's (nur echt mit Deppenapostroph) aus Kiel!
Jau, Tackleberry, ein unbedeutendes Nebenprojekt des Sängers von Affenmesserkampf. Wird hier in Köln abgefeiert wie nichts gutes. Ist zwar nicht punkrock, aber den Laden irgendwann als ausverkauft zu betiteln war das einzige, was das hier noch in einigermaßen geregelten Bahnen ablaufen lässt.
Die Band gibt gleich von Anfang an Vollgas, haut einen Gassenhauer nach dem nächsten raus und bringt die Menge ins Schwitzen.
Wieder so ein schönes Klischee-Hardcoreshow-Bild. Mich würde interessieren, ob der Herr vorne rechts vor der Bühne mit der Systemkamera noch schönere Bilder hingekriegt hat.
Die Songauswahl geht quer durch die Bandgeschichte, die sich nach irgendwie acht Jahren oder so nun langsam einem Ende zuneigt. Tja, schade schokolade, außer Spesen nix gewesen.
Musik: Jo, gibts auch. Und zwar Oldschool-Hardcore, der seine Punkwurzeln nicht vernachlässigt und hier und da auch mal ne geile Melodie oder Mitsing- bzw. Schreiparts einstreut. Wie beispielsweise in dem Lied mit dem geilen Titel "Modern Wife is Law".
Die letzte EP der Band schlägt dann etwas ruhigere Töne an, was laut Nils daran liegt, dass die Bandmitglieder alle in irgendwelchen Folkpunkbands spielen und laut mir daran liegt, dass sie alle alt geworden sind.
Aber scheißegal, die neuen Sachen sind auch echt klasse und werden live doch etwas äh, druckvoller dargeboten als auf der EP.
Der junge Herr mit den schönen Bart ist übrigens der Sänger von der Kieler Southern Rock/Hardcore-Band "Pyroneer", der hier ein kleines Gastspiel gibt. Wer die nicht kennt, reinhören, die sind ganz in Ordnung.
Keine Ahnung was hier schiefgelaufen ist, wahrscheinlich musste irgendwer seine Gitarre stimmen oder sowas. Frech, was sich diese Musiker immer erlauben.
Er hier an der Gitarre hat dem mächtigen Thrun letztens zwei Bücherregale verkauft, die Thrun dann in seinem Cabrio quer durch Kiel kutschieren musste. Geile Story, nä?
Übrigens tatsächlich mein erstes Tackleberry-Konzert, trotz zahlreicher Besuche meinerseits in Kiel, der Band in Köln und ich glaube die haben sogar mal auf dem Groezrock gespielt, als ich auch da war.
Ein wunderschönes Konzert, die Band spuckt sich gegenseitig mit Bier voll, beleidigt sich anschließend ein paar Minuten und haut dann wieder in die Instrumente, dass die Fetzen fliegen.
Setlist. Nach "Conscience Clearing" musste ich leider los, meinen Rucksack aus dem Backstagebereich wiederkiegen und dann ab zum Bahnhof Köln-Ehrenfeld.
Noch ein letzter Schnappschuss von etwas weiter hinten, bevor ich mich in die ungastliche Kälte des Rheinlandes begebe, es ist draußen doch deutlich kälter als drinnen!
Am Bahnhof angekommen hat der Zug nach Essen natürlich, wie könnte es anders sein - Verspätung. Während ich also da stehe und warte kommt irgendwann Büffel die Treppe rauf, leicht außer Atem, weil er sich das Konzert noch bis zum Ende angeguckt hat und dann gerannt ist. Vom Zug keine Spur, wir hätten uns also das Konzert in aller Ruhe bis zu Ende angucken und dann gemütlich zur Bahn latschen können, aber hinterher ist man ja bekanntlich immer schlauer.
Die letzte Verbindung nach Münster hat in Essen eine grandiose Umstiegszeit von 54 Minuten, die man zu einem kleinen Teil mit Nahrungsaufnahme totschlagen kann. Essen in Essen! Hoho. Im Zug nach Münster kriegt ein älterer Herr noch ein Ticket wegen Schwarzfahrens, weil er in der Bahn eingepennt ist und seine Halte (Haltern) verpasst hat. Ziemliche Abzocke, wenn ihr mich fragt, da könnte man auch einfach mal ein Auge zudrücken. Bis zum nächsten Mal,
euer Gerd
euer Gerd