Street Poison, Kezza, 9.1.2013 in Münster, Baracke - Bericht von Gerdistan
Street Poison, 9.1.2013 in Münster
Im Internet steht, Beginn um 20 Uhr pünktlich! Als ich um 20:07 mein Fahrrad an der Baracke abstelle, ist noch nicht mal die Tür auf. Tss. Es hängen aber schon eine Handvoll Leute vor der Tür rum, allerdings niemand, den ich schon mal irgendwo gesehen habe.
Es ist dann schon fast 20:40, als die erste Band anfängt. Sie nennen sich Kezza, kommen aus dem nahegelegenen Warendorf, sind alle ungefähr 40 und spielen ziemlich punklastigen Hardcore, oder hardcorelastigen Punk. Geht jedenfalls ziemlich in die Fresse.
Das erste Lied ist "Industry", welches ich mir im Vorfeld bei Facebook mal kurz angehört habe und was zu dem Entschluss geführt hat, nicht nur für die Hauptband dieses Konzert aufzusuchen. Komplexeren Satzbau vermisst man in den englischen Texten zwar, aber is ja auch irgendwie Punk, ne?
Das Publikum ist bunt gemischt. Da geben sich Schlabberiros und Skinheads zwischen V-Ausschnitten und gezwirbelten Schnurrbärten die Hand. Die Band singt inzwischen ein Lied namens "Free, Wild and Brainless", wer des Englischen mächtig ist, kann sich ausmalen, worum es hier geht.
Der Barackenhalbkreis ist natürlich auch vorhanden, wird aber vom Sänger der Band ganz gut genutzt. Zwei der mitgereisten Fans üben sich zudem in etwas, was für das ungeübte Auge wie eine Mischung aus Skanken und Violent Dancing, in erster Linie aber albern aussieht.
Das hier muss als Drummerfoto reichen. Bei irgendnem Song fallen ihm am Anfang die Sticks runter und das Lied muss neu angefangen werden, Schülerbandbonus noch mit Ü30, Respekt!
Ein Cover gibts auch auf die Ohren, das Publikum fordert Eisenpimmel, laut Sänger ist es Eisenpimmel 2.0 - irgendein Geballer. Gerade wird im Pogoradio auch Eisenpimmel gesagt! Was fürn Zufall!
Hab später nachgefragt, es war was von Discharge - 80er Ami-HC war noch nie so richtig meine Baustelle. Es gibt noch zwei Songs über Filme mit Rutger Hauer (Blade Runner und Highway Killer), ob die auch nen Song über Hobo With A Shotgun im Repertoire haben?
Junge Junge, ist der Bart schon grau. Nach etwas über ner halben Stunde wars das mit Kezza, netter Auftritt, gerne wieder. Die Band gibts schon seit fünf Jahren, dennoch hab ich nie von ihnen gehört. Eins der letzten Lieder wurde einem mitgereisten Geburtstagskind gewidmet, ein Zweimetertyp in nem Kreator-Pulli in Größe 5XL, den er nicht mal ansatzweise ausfüllt. Leute gibts.
Sehr guter Vorschlag, aus Rücksicht auf die Nichtraucher innen doch bitte außen zu rauchen. Hält sich leider kaum jemand dran. In der Bandumbaupause treffe ich endlich Leute, die ich kenne, von denen mich auch jemand wegen solcher Kommentare als "krassen Nichtraucher" bezeichnet. Ein anderer erzählt mir, ich sähe aus wie William T. Riker. Ich hab ja schon vieles gehört, aber das ist neu. Riker's don't like us!
Vom Sänger von Kezza noch als "Poison Street" angekündigt, stehen nun Street Poison aus Paris auf der Bühne. Der Sänger hat noch ne Lederjacke an, dumme Idee, wird er auch zeitnah feststellen. Übrigens mal wieder eine Band mit Banner in der Baracke, das sieht man nicht oft.
Punkrockfinger raus und ab gehts. Die Band beschreibt sich selbst wie folgt: "It's the energy of californian punk rock, the power of New York hardcore, all this mixed up with the rawness of the Paris ghetto." Das klingt doch ansprechend!
Wenn man sich das auf Platte anhört, kann man leicht auf den Gedanken kommen, man hätte ein neues Rancid-Album auf dem Plattenteller. Hab auch einige Rancidshirts bei Band und Roadies gezählt, so ganz von ungefähr kommt dieser Eindruck also nicht.
Da sogar die Stimmen klingen wie Fredriksen bzw. Armstrong und selbst Ausflüge aus dem reinen Streetpunk in andere Richtungen genau klingen, wie dieselben Ausflüge von den Vorbildern aus Kalifornien, kam Thrun zu dem Schluss, dass es "eins zu eins wie Rancid klingt, nein, mehr noch, es klingt 2:2 wie Rancid".
Aber aber aber: Die Band ist noch so jung, frisch und energiegeladen, dass die ihre Songs live deutlich schneller runterkloppen als auf CD und es, sei es bedingt durch die Barackenanlage oder irgendwas anderes, nicht mehr so stark nach Rancid klingt. Was ja trotz aller Grauzonenvorwürfe auch nicht so tragisch gewesen wäre.
Apropos Grauzone: Street Poison sind in Frankreich als Vorband von Lars Frederiksens neuer Oi-Kapelle "Old Firm Casuals" aufgetreten. Nach den Regeln der Transitivität also mein erstes Grauzonenkonzert. Au weia.
Nach so viel Gelaber nun aber endlich mal was übers Konzert: Überzeugt ab der ersten Sekunde, ich glaube keiner bereut, den Weg zur Baracke auf sich genommen zu haben. Rotziger Streetpunk, mehrstimmige Gesänge, Spaß an der Freude, Halleluja.
Mittlerweile pogen sogar mehr als zwei Leute. Die Baracke ist vollständig mit Leuten besetzt, denen das hier alles ganz gut zu gefallen scheint.
Der Gitarrist mit dem lustigen Hut wagt sich auch ab und zu ins Publikum, wie man auf diesem Lied sehr gut erkennen kann.
Was Street Poison aber noch von vielen anderen Bands (und von Rancid!) unterscheidet, ist dieser Typ hier. Der kleine Bruder von Fat Mike aka der tiefste Bass Frankreichs.
Aber nicht nur der tiefste Bass, sondern auch der schnellste. Heidewitzka, fidelt der da was runter. Die anderen Saiteninstrumente und der Sänger legen eine Pause ein, während Schlagzeug und Bass ein Dreiminutenintro für den nächsten Song rausballern. Da können Choking Victim einpacken!
Geiler Scheiß. Richtig geiler Scheiß.
Gibt auch genug Singalong-Parts, die man mitbrüllen kann, wenn man die Texte vorher nicht auswendig gelernt hat, und darin übt sich das Publikum auch.
Gibt auch genug Singalong-Parts, die man mitbrüllen kann, wenn man die Texte vorher nicht auswendig gelernt hat, und darin übt sich das Publikum auch.
Schlagzeugerfoto - auch kein hochgewachsener Mann, zockt sein Zeug aber runter wie einer von den ganz großen. Tip top.
Mit einem portablen Baustrahler und dieser lustigen Helmkamera mit Fischauge wird das Konzert noch gefilmt, würd ich gerne mal sehen.
Ja, Street Poison aus Paris, sind gerade auf Tour in Deutschland und Osteuropa, war das erste Konzert der Tour hier. Wer noch die Chance kriegt, hingehen, die reißen richtig schön die Hütte ab.
Songauswahl geht quer durch das self-titled Album und die neue Seven Inch (boah geil, englische Fachbegriffe und alles). Sogar was ganz neues (previously unreleased) gibts zu hören!
Um viertel nach zehn ist der Spaß dann auch wieder vorbei. Ich versuche noch, dem Bassisten eine Bierschinken-Visitenkarte anzudrehen, aber ich glaube, er hat nicht ganz verstanden, was ich von ihm wollte ("you wanna do an interview?").