Rockt die Ruinen: Newphoria, Major Leagues, The Rival Bid, Entrance To Empire, Different Inside, Angry White Elephant, 15.02.2013 in Dortmund, Domicil - Bericht von Fö
Rockt die Ruinen, 15.02.2013 in Dortmund
Ein Bandwettbewerb. Zwei Bands werden gesucht, die beim weltbekannten (naja, sagen wir, in Dortmund plus 10 Kilometer Umkreis bekannten) "Rock in den Ruinen" Festival früh morgens um 11 die Aufbauarbeiter beschallen dürfen. Uiuiui, na, wer hat sich das nicht schonmal gewünscht. Der Bandwettbewerb bestand aus mehreren Phasen, zunächst durften sich Bands mit nem Musikvideo bewerben, dann die Fans darüber abstimmen, dann ne Jury entscheiden wer die meisten Stimmen hat, und schließlich das eigentliche musikalische Battle dieses Wochenende - pro Tag wird eine aus fünf Bands gewählt.
Dazu kann ich mir natürlich nicht verkneifen, noch kurz in den Raum zu werfen, wie unglaublich scheiße Bandwettbewerbe sind. Musik sollte Spaß machen, Musik sollte miteinander und nicht gegeneinander zelebriert werden, und ebenso wie Geschmäcker unterschiedlich sind so viele unterschiedliche Bands und Musikrichtungen gibt es. Und wie soll man bitte Geschmäcker unterscheiden? Ist süß potentiell besser als scharf? Apfel besser als Birne? Kuhfladen nasenfreundlicher als Pferdeäpfel?
Ich hab da ne Idee für nen objektiv messbaren Bandcontest: Schnellste Slayer-Coverband der Welt, gemessen nach bpm.
Die heutige Festivität findet statt im Domicil, im großen Saal (kannte ich bisher nicht) für freien Eintritt. Fotografieren ist verboten (ich nehme mir vor, so schlechte Fotos zu machen, dass die eventuell noch als Kunst aber niemals als Foto durchgehen), verboten ist außerdem rum stehen und gucken sowie sich bewegen und Spaß haben. Zumindest deute ich die kritischen Blicke der überforderten Security so - und den letzteren Punkt, das mit dem Bewegen und dem Spaß, setzt er sogar rigoros durch mittels ständiger Ermahnung der Zuschauer. Und bitte ja nicht an den Bühnenrand lehnen!
Quasi sorgen schon die Begleitumstände für ne leichte Krawatte meinerseits und es obliegt der ersten Band THE RIVAL BID, mir diese Krawatte zu lösen. Aufmerksame Leser dieser Seite werden wissen, dass ich viel von ihnen halte, menschlich wie musikalisch - und das, obwohl ihr Genre (also die Gattung "Mensch", höhö) nicht wirklich meins ist. Sphärischer Indie-Pop-Wave mit Gestus, Pathos und Tamm-Tamm.
Das mit den schlechten Fotos klappt doch schonmal ganz gut. Was man auf Fotos eh schlecht festhalten konnte: Das sporadisch eingesetzte Stroboskop-Geflacker der bandeigenen Lightshowabteilung. Ich mag sowas nicht, aber wenn sie meinen, dass das ihrem Sound irgendwie das nötige visuelle Fundament verleiht, sollen sie ruhig. Der Auftritt: straight und knackig (30 Minuten Spielzeit pro Band ist wohl doch etwas knapp), Ansagen beschränken sich auf das Wesentliche (also wie viel Spaß das hier doch mache. ha.)
Ich sach ma ohne Umschweife: starker Auftritt und der Beweis, dass The Rival Bid auch auf größeren Bühnen nicht verloren wirken. Vom Sound her heben sie sich doch etwas vom krachigen Restprogramm ab, weswegen ich für den Gesamtsieg (wie böse das wieder klingt...) eher wenig Chancen sehe, aber die Herzen der Musikbegeisterten dürften sie doch trotzdem getroffen haben.
Vieles von der aktuellen CD "Hail To Thee" (dieses "Put my heart back to where it belongs" ist immer noch ein absolutes Juwel!), auch einige ältere Sachen - am Schluss, wenn ich mich richtig erinnere, "Lotta Differences" und Frontschmachter Maurice mal ohne Gitarre. Toller Auftritt, tolle Band, immer wieder!
Nächste Band: DIFFERENT INSIDE. Die gibt es mittlerweile auch schon seit 7 Jahren, weswegen sie kürzlich ne EP mit ganzen 7 Songs rausgebracht haben. Klingt schlüssig. Gesehen habe ich die Band auch schonmal, vor einiger Zeit...fand ich damals ausbaufähig, also mal gucken, was mich heute erwartet. Zum Musikalischen: Alternative-Rock. Durch den Gesang mit ziemlichem Amirock-Einschlag, ohne jetzt den Nickelback-Vergleich rauskramen zu wollen (au weia!).
Ich hab mir schon während dem Konzert so nen Satz zurecht gelegt, den ich euch nicht vorenthalten möchte. Also, ehem, räusper:
Was ich an "Different Inside" wirklich gut fand war, dass sie keine ekligen Coversongs gespielt haben - und was ich schlecht fand: alles andere.
Haha, gut oder? Total vernichtend. So ganz objektiv gesehen: War nicht schlecht, etwas uninspiriert vielleicht, aber solide und als "Festivalband" durchaus tragbar...aber...
Was ich an "Different Inside" wirklich gut fand war, dass sie keine ekligen Coversongs gespielt haben - und was ich schlecht fand: alles andere.
Haha, gut oder? Total vernichtend. So ganz objektiv gesehen: War nicht schlecht, etwas uninspiriert vielleicht, aber solide und als "Festivalband" durchaus tragbar...aber...
...wenn ein Sänger schon nach 10 Sekunden(!!!) Spielzeit "wo sind eure Hände" ruft, und im Rest des Programms ganz ironiefrei sämtliche Interaktions-Klischees runter gebetet werden, dann KANN ich die Band einfach nicht für voll nehmen. Hände klatschen. Arme wedeln. Mitsingen. Hinsetzen und Aufspringen. Und, als absoluten Tiefpunkt: Eine "Wall of Death" (mit dicken dicken Anführungsstrichen). Und das an den unpassendsten Parts. Ich kann gar nicht so weit mit den Augen rollen, wie ich möchte. Und mein Stirnrunzeln droht, mir aus dem Hinterkopf wieder raus zu kommen.
Nagut, sie scheinen ihre Fans zu haben, die auch alles bereitwillig mitmachen, und zum anderen kommt das auch durchaus professionell rüber, was die Jungs da durchziehen - aber dieses Kindergartenbespaße hat mir echt den Auftritt kaputt gemacht. Nicht meine Welt.
Nächste Band: MAJOR LEAGUES. Scheint ne relativ neue Band zu sein, mir zumindest bis vor Kurzem kein Begriff. Vor Kurzem, das war, als ich über ihr Video "Waiting For The Silence" stolperte, das mir spontan ein Lächeln aufs Gesicht zauberte. Herrlich zeitlose und ehrliche Rockmusik. Wow! Der Auftritt kann dann die Erwartungen auch noch übertreffen, ausgewogener und verspielter Sound von offensichtlich erfahrenen Musikern.
Ich versuche während dem Auftritt natürlich schon, mir Gedanken zu machen, wie man die Musik beschreiben könnte - gebe aber irgendwann auf, als ich bei "Mischung aus R.E.M., Against Me!, Pink Floyd und Jimmy Eat World" angelangt bin. Sowas kann man doch nicht schreiben, ey. Egal. Vom ersten Song an fesselnd, mit leichten Schwankungen zwischendurch (das Keyboard ging mir doch irgendwann auf die Nüsse), aber durchgehend gut.
Am Gesang (und Akustikgitarre) übrigens Robert von den ebenfalls nur zu empfehlenden "I am the river" (noch so eine stetig unterbewertete Band), die restlichen Herren auf der Bühne machen aber auch den Eindruck, schon ordentlich Bühnenerfahrung hinter sich zu haben. Okay, auch hier gab's wieder Mitklatsch-Action, aber deutlich dezenter eingesetzt. Und innerlich musste ich ziemlich kichern, dass die ausgerechnet von dem Bassisten im Toten-Hosen-Shirt angezettelt wurde. Hihihi.
Kurzum: Gelungener Auftritt. Und bisheriger Favorit des Abends. The Rival Bid haben mich zwar mehr berührt (und Maurice mich mit Bier bestochen), aber Major Leagues kam einfach unerwarteter. So ganz allgemein liegt das musikalische Niveau heute Abend ziemlich hoch - das wird keine leichte Entscheidung für die Jury (beliebte Floskel, um die Spannung aufrecht zu erhalten)!
Zumal mit NEWPHORIA schon der nächste Favorit auf den Brettern steht. Gibt's schon wat länger, haben ihr Können oft genug unter Beweis gestellt, und hätten gerechterweise so einen Contest überhaupt nicht nötig, um mal auf großer Bühne zu spielen. Sag ich mal so. Andererseits hat man jetzt auch einige Zeit nichts mehr von ihnen gehört (zumindest ich habe das nicht).
Heute sind die 2 Mädels und 2 Typen mal nur 2 Mädels und 1 Typ - der Bassist lässt sich entschuldigen und kümmert sich lieber um den für heute erwarteten Familennachwuchs, was hier im Saal jeder verstehen kann und durch spontanen Applaus honoriert, als Sängerin Sarah dies erzählt. Also kriegen wir jetzt mal Stoner-Rock ohne Bass zu hören.
Stoner? Ja, echt - hatte ich gar nicht mehr so in Erinnerung. Oder haben die gehörig an ihrem Stil gefeilt? Hat das gemeinsame Konzert mit Kylesa seine Spuren hinterlassen? Wabernde Gitarrenwände, tief in den Raum gedrückt durch irre tightes Schlagzeuggewirbel, uff - ziemlich erdrückend, aber auch irgendwie mitreißend. Darüber schwebt Sarahs Gesang, der mir persönlich ein paar Sphären zu hoch auf der Tonleiter angesiedelt ist.
Harmonisches Gesamtpaket, überzeugender Auftritt, kann man nicht anders sagen. Auch wenn's musikalisch (wie eigentlich so ziemlich jede Band am heutigen Abend) nicht ganz meine Wellenlänge trifft, Newphoria treffen zumindest einen gewissen musikalischen Nerv, so dass ich vor lauter Ergriffenheit sogar vergesse, nach dem Auftritt zu klatschen. Hoppla. Tolle Band.
Nächste Band: ENTRANCE TO EMPIRE. Die einzige Band heute, die mir vorher kein Begriff war - also erst, als sie bei diesem Voting auftauchten und dort sogar überraschend viele Stimmen erhaschen konnten, nämlich irgendwas mit über 600 - so hoch hätte ich jetzt den Bekanntheitsgrad nicht eingeschätzt, zumal, wenn man mal die sozialen Netzwerke als Indikator zu Rate zieht, man sich bei etwa 200 Facebook-Fans fragt, ob es echt so viele Bewunderer der Band gibt, die kein Facebook haben. Nunja. Ich will da mal nichts unterstellen.
Publikumsmäßig reißen die nämlich gut was ab, war wohl bei keiner Band des Abends so viel los wie bei Entrance To Empire. Haben ihre Fans wohl gut gedrillt. Apropos gedrillt: Mit Bundeswehr-Kette am Hals des einen Gitarristen und einen an ein Keltenkreuz erinnernden Aufkleber auf der Gitarre des anderen kann man bei mir nicht unbedingt punkten. Aber das nur so am Rande, ich will ja nichts unterstellen.
Achja, Musik: Metalcore. Viel Gebrülle, harte Gitarren, prügelndes Schlagzeug - och joah, gar nicht so mies! Dafür, dass es die Band erst seit etwa einem Jahr gibt, haben die echt gut was auf dem Kasten. Aber wie so oft bei dieser Art von Musik: Irgendwann wird's dann doch eintönig. Den Fans gefällt's offensichtlich, aber ich bin doch irgendwann froh, als der Auftritt zuende ist.
Anschließend berät sich die Jury - und um die Zeit zu überbrücken, darf der "Special Guest" des Abends auf die Bühne. ANGRY WHITE ELEPHANT gewannen den Contest im letzten Jahr und dürfen heute nochmal zeigen, warum sie das taten. Crossover-Core mit allen Schikanen, Tempowechsel und mächtig Druck. Ist ja auch nicht das erste Mal, dass ich die Band sehe, und unterhaltsam ist das allemal.
Aber so wirklich will der Funke bei mir heute nicht überspringen. Die Fans tanzen ordentlich, singen sogar hier und da mal ins fleißig vom Sänger gereichte Mikrofon und, keine Frage, die Band kann was - aber mittlerweile bin ich von den musikalischen Beiträgen doch ziemlich ausgelaugt. Also, liebe Elefanten: Guter Auftritt, aber, ach, naja.
Wir sind eigentlich auch nur noch hier, um die zur vollkommenen Berichterstattung unbedingt erforderliche Beurteilung der Jury abzuwarten. Also, Trommelwirbel, tada. Verdientermaßen und zugleich überraschenderweise geht die Flasche Schampus an die alten Hasen / jungen Häsinnen von NEWPHORIA! Glückwunsch an dieser Stelle! Nu aber weg. Bier und so.