Snob Value, The Jim Tablowski Experience, Part Time Bandits, 23.03.2013 in Münster, Baracke - Bericht von Gerdistan
Snob Value, 23.03.2013 in Münster
Im Keller finde ich noch eine Palette Dosenbier, die von Kiel nach Belgien bereits mit uns unterwegs war und noch drei Tage bis zum Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums hat. Dosenbier schmeckt, wenn es abgelaufen ist, irgendwann nur noch nach Dose und nicht mehr nach Bier, und das will ich schließlich vermeiden. Alleine schaffen wir die aber nicht, also frage ich den Kollegen am Einlass, ob ich die Dosen drinnen verschenken darf, damit sie nicht schlecht werden. Er sagt, ich soll sie auf die Bühne stellen, was ich dann auch tue.
Wir betreten die heiligen Hallen um exakt 20:19 und sind damit die ersten zahlenden Gäste. Trotzdem haben KISS aus New York wohl schon gespielt, wir sehen nur noch diesen Gitarrenkoffer. Schade, die haben doch dieses Jahr 40jähriges Bandjubiläum!
Ein paar Dosen später ist es dann auch halb zehn, als die erste Band die Bühne betritt. Woah, schon Band und Bühne benutzt, die häufigsten Wörter in Bierschinken-Berichten. Und nu beides nochmal. Au weh. Die Band auf der Bühne sind jedenfalls die Part Time Bandits, kommen irgendwo aus der Gegend, glaub ich.
Der Preis für das beste Outfit geht auf jeden Fall an den Kollegen an der Gitarre, der eine Hochwasserhose trägt und sein Hemd in die Unterhose gestopft hat. Woah. Damit fällt man sogar unter den mannigfaltig vorhandenen Hipsterbrillen und hautengen Hosen noch negativ auf. Respekt!
Musik ist so Garagepunk, klingt am Anfang etwas nach Ramones und gefällt mir prinzipiell gar nicht schlecht, nutzt sich aber doch recht schnell ab.
Nach einer halben Stunde machen die Kollegen keine Anstalten, die Bühne zu verlassen, sondern hauen lieber ein paar Fünf-Minuten-Songs ohne sinnvollen Gesang raus. Der mitgereiste Fanclub feiert es zwar gebührend ab, meine Begeisterung sinkt allerdings stetig.
Zu allem Überfluss betätigt sich der hier abgebildete Fan der Band vor und nach dem Auftritt als Ansager. Wäre das nicht ohnehin schon überflüssig, versucht er, noch dem Auftritt noch Sprechgesänge für die Band im Publikum zu produzieren. Muss nicht.
Insbesondere zwei besoffene Endzwanziger, die vor der Bühne rumkrakeelen und der permanent dichter werdende Rauch gehen mir derbe auf den Keks. Heute ist es mit dem Rauchen so schlimm wie selten in der Baracke, weil niemand zum Rauchen vor die Tür geht, draußen ist es schließlich rattenkalt.
Würde mich auch alles gar nicht so aufregen, wenn nicht über der Bar auf einem Wurstpappen-Zettel "rauchfrei" stünde - und sich nicht mal die Organisatoren direkt darunter selber dran halten. Das ist dann doch auch irgendwie scheinheilig. Heuchlerei. English People sagen dazu Hypocrisy, das klingt noch vorwurfsvoller.
Aber mit dem Rauchen ist das ja so eine Sache. Einerseits ist es gegen das System (mittlerweile) und cool und rebellisch, andererseits ist es der Minderheit der Nichtraucher gegenüber ziemlich asulzial - und Freiheit ist schließlich immer die Freiheit des Andersdenkenden. Ich glaube, das Hauptproblem ist, dass sich keiner als Ordnungsamtnazi aufspielen will, um die Leute rauszuschicken.
Aber ich schweife ab, denn mittlerweile sind wir beim angenehmen Teil des Abends angekommen: The Jim Tablowski Experience aus Dortmund! Von Fö immer mit adjektiven wie "süß", "zuckrig" oder "zuckersüß" bedacht, belasse ich es mal bei Lo-fi-Garage-Poppunk.
Neuerdings zu dritt mit Dr. Keith am Akustikbass. Das Gaspedal wird, besonders im Kontrast zur ersten Band, direkt durchgetreten, was mir sehr gut gefällt.
Den bereits angesprochenen Knalltüten im Publikum nicht: Es ruft tatsächlich jemand "Langsamer!". Der größte Teil des mitgereisten Fanclubs der Teilzeitbanditen ist inzwischen aber damit beschäftigt, in der Keramikabteilung im Weg rumzustehen und sich gegenseitig mit Obsthandys zu knipsen.
Tolles Guttenberg-Shirt. Drummerfoto damit auch abgehakt. Ich erkenne einiges an Songs wieder, zum Beispiel "Back to School" vom Demo, das mir sehr gut gefällt, und auch ein paar schmissige Nummern der kürzlich erschienenen Seven-Inch. Geht ab.
Abgerundet wird das ganze durch die Bühnenansagen von Markus mit der Gitarre, der das Publikum als Studenten aus dem Mathekurs bezeichnet, oder so ähnlich. War jedenfalls lustig!
Achja, vorne in der Mitte sieht man die Setlist, auf ein Telefonbuch oder sowas gekritzelt - öfter mal was neues, die geht auch nicht so schnell verloren! Nach ner knappen halben Stunde und wahrscheinlich einem Großteil des Materials der Band ist der Auftritt vorbei. Hat überzeugt, gerne wieder.
Er hier stellte sich mir aufgrund meiner NOFX-Jacke mit den Worten "My name is Fat Steffen, I'm obsessed with big lesbians" vor, bevor es im dritten Versuch schaffte, sich aufs Sofa zu setzen, ohne umzufallen, wo er den Rest des Abends friedlich verschlief.
Dann ist die Zeit endlich reif für Snob Value aus Wiesbaden. Auf der Spastic Fantastic Labelparty haben sie mich überzeugt und auch heute geht mir dieser frühe 80er Hardcore gut ins Ohr.
"Snob Value" bezeichnet übrigens die Attraktivität von Dingen, die einzig und allein aus dem hohen Preis hervorgeht, weil der Pöbel sich das dann nicht leisten kann. Gilt für Jeanswesten zum Glück nicht.
Schnell und laut brettern die Hessen ihr Set runter. Besonders der Song "Claptrap" ist mir im Gedächtnis geblieben. Gemeinsam hatten übrigens alle drei Bands des Abends, dass die Gitarren ohne Verzerrer auskommen. Ist doch auch mal schön!
Der Bassist sieht aufgrund seiner Wurstpellenhose und der darüber deutlich sichtbaren Plauze aus wie eine Karikatur seiner selbst, aber wenn es nach Äußerlichkeiten ginge, würde ich mir diese Band sicher nicht angucken. Und wahrscheinlich auch niemand meine Konzertberichte lesen!
Glücklicherweise kann ich mich von allen Vorwürfen des Lookismus freisprechen und von mir behaupten, nur wegen der Musik hier zu sein.
Paul gefällt es offensichtlich auch, und sogar ein paar der minderjährigen Punker, die es sich auf dem Boden vor den Toiletten bequem gemacht hatten, mischen im Pit mit.
Nach den Part Time Bandits wurde es deutlich leerer in der Baracke, dafür hat die Menge genug Platz für ausschweifendes Tanzen, was bei Snob Value zum ersten Mal auch mehr als drei Leute gleichzeitig praktizieren.