Heirs, Ascetic, Atomic Neon, 27.03.2013 in Dortmund, FZW - Bericht von Fö
Heirs, 27.03.2013 in Dortmund
Ankunft 20 Uhr. Ich bin erstaunt und erfreut, wie viele Leute sich schon im FZW befinden (meine Erwartungen lagen da so zwischen 10 und 300 Besuchern) und noch mehr, wie viele offensichtlich noch nie hier waren, sich verdutzt umschauen und nach Bühne, Theke oder Toilette suchen. Erste Band: ATOMIC NEON aus Essen.
Zunächst mal: Heute verbietet es sich irgendwie von selbst, Fotos mit Blitz zu machen - glaube ich. Passt einfach nicht. Düstere Musik, viel Nebel, gezielt eingesetzte Lichtshow und so weiter. Fotos ohne Blitz, das können nur Handys mit Instagram-Filter oder klobige Systemkameras. Hab ich beides nicht. Ich versuch's trotzdem.
Atomic Neon. Stimmungsvolle Wave-Rock-Mucke, wobei "Stimmung" hier nicht Luftballons und Konfetti bedeuten soll, sondern eher die Form von Stimmung, die aufs Gemüt schlägt. Melancholisch bis sphärisch. Dunkle Gesangsfärbung, die Assoziationen mit The Cure oder Marilyn Manson weckt. Das Synthie-Keyboard tut sicherlich sein Übriges, um diesen Eindruck zu verstärken.
Beeindruckend auch der Gesang, da werden zwischen Schreien und Hauchen recht viele Nuancen abgedeckt. Die sonstige Bühnenpräsenz ist eher wenig beeindruckend, viel Bewegung hat man nicht und auf Ansagen muss man auch lange warten. Dabei fänd ichs doch total witzig, wenn der Sänger jetzt hysterisch rufen würde "heeeyy, ihr seid das geilste Publikum! Klatscht alle in die Hände! Whuuhuu!". Aber da geht wohl wieder die Fantasie mit mir durch.
Größtenteils englischsprachige Stücke, wobei mir die deutschsprachigen noch etwas mehr zusagen - und das nicht mal wegen der Texte, sondern weil die auch von der Mucke her etwas mehr nach vorne gehen, Zufall oder nicht. Netter Auftritt, mir war's nur einfach etwas zu lang (eine Stunde), weswegen die zweite Hälfte bei angenehmen Nicht-Gesprächen im Foyer verbracht wurde.
Und dann wäre da noch der Running Gag des Abends. Oder, wie Jens erzählt, der vergangenen zwei Wochen. Ker, wat haben wir den Merch-Stand nach diesem Tiemo abgesucht, wer auch immer das ist.
Die nächste Band riecht etwas streng. Okay, weniger die Band - eher die visuelle Performance, die in Form dieser Glühzylinder-Käselaibe den Auftritt begleitet. Die glühen nämlich nicht nur, da kommt auch irgendson Zeug raus. Geruch nach Gewürzen, Nelken und, äh, (korrigier mich, Silke!) Busch-Tee? ASCETIC stehen nun auf der Bühne. Aus Australien (hui, dat war jetzt ne übertriebene Alliteration, oder?) und ein Nebenprojekt der heutigen Hauptband Heirs.
Da fängt dat nu schon an. Also, der Teil des Abends, von dem es mir nicht wirklich vergönnt ist, literarisch festzuhalten, was uns da entgegen geblasen wurde. Musik und Architektur, ihr wisst. Es bleibt wavig, bekommt aber leichte Industrial-Anleihen, mit durchgehend dröhnendem Bass und festem, sehr "konkret" gespieltem Schlagzeug. An der Gitarre Gefrickel und Geflirre, dazu exzessiver Gebrauch von diversen Effektschaltern.
Es singt der Bassist. Tiefe Stimme, teilweise theatralisch aber fortwährend durchdringlich. Aber doch atmosphärisch, so dass sich die Klasse der Band auch dem unbedarften Hörer erschließt. Aufbauende Songstrukturen, vordergründig ruhig und melancholisch, aber mit dermaßen viel Wumms und Druck durch die Lüfte geprügelt, dass man sich die Haare föhnen möchte.
Ja doch, beeindruckend und aller Monotonie zum Trotz fesselnd bis zum Schluss. Eigentlich. Räucherstäbchen-Flair mit undefinierbaren Substanzen sind nicht unbedingt mein bevorzugtes Umfeld, zumal dat Zeuch dafür zu sorgen scheint, dass mir die Kontaktlinsen zu brennen beginnen. Et is echt zum Heulen.
Anschließend: Schlaues Rumstehen im Vorraum inklusive ausgefeilter Analyse von so ziemlich allem. Was man halt so macht. Irgendwann erste Töne von der Bühne, wir betreten den Club - und sind blind. Die Nebelwand sorgt dafür, dass man blindlings durch die Zuschauermassen wankt und die ganze Zeit hofft, nicht ausversehen irgendwen unsittlich berührt zu haben. Achja, Band: HEIRS aus Australien (schon wieder), genauer gesagt Melbourne.
Die Nebelmassen sind so dicht, dass nicht einmal erkennbar ist, ob sich hinter diesem Dunstgeschwader ne Bühne samt Band befindet, oder ob da zum Beispiel ein dreiäugiger Drache auf einem Klavier mit He-Man-Figuren jongliert. Ebenso wenig lässt sich heraus kristallisieren, ob nun schon die Band spielt oder ob das noch das Intro ist. Letzteres könnte auch daran liegen, dass Heirs ausschließlich ohne Gesang, also rein instrumental, performen.
Es könnte aber AUCH daran liegen, dass das Intro / das erste Lied / das Erkennungsmelodie-Jingle ungefähr 15 Minuten dauert. Nunja. Irgendwann kloppt dann doch ein Schlagzeuger seine Stöcke in die Felle, aus dem Gewummer kristallisieren sich Gitarrengeräusche heraus und der Nebel lichtet sich zumindest so weit, dass man glaubt, dunkle Gestalten auf der Bühne zu sehen.
Stilmittel: Soundgewitter! Dagegen waren Ascetic ja direkt eingängiger Mainstream-Radio-Rock. Heirs gehen noch ein paar Schritte weiter. Sphärisch, atmosphärisch, aufbauend. Brodelndes Wummern, aus dem irgendwann Melodie wird, die man aber erst spürt, wenn sie sich schon längst tief in den Gehörgängen verankert hat. Son bisschen wie ein akustischer Drogentrip, zumindest habe ich das Gefühl, etwas neben mir zu stehen.
Noch ein Beispiel: Ich beobachte (ist ja immer ganz interessant!) die Leute neben mir, alle tief versunken mit halb geschlossenen Lidern, als einzige Regung ein monotones Kopfwippen bis hin zum Oberkörper-Wippen - wie in Trance, denke ich so bei mir. Und stelle überrascht fest, dass ich selbst ebenfalls schon seit Minuten am Wippen bin, ohne mir dessen so wirklich bewusst geworden zu sein.
Ganz schön krass. Ich hatte ja im Vorfeld Sorgen, dass die Atmosphäre, die schon beim konservierten Hörvergnügen spürbar ist, im weiten Club des FZW etwas verloren geht, aber erstens sind hier mehr Menschen als erwartet, zweitens sieht man eh nichts, und drittens kriechen die Bässe bis in den kleinsten Zwischenraum. Und überhaupt - keine Frage, was die Gitarristen da an Effekten zaubern ist auch erwähnenswert, aber was Bass und Schlagzeug uns hier für ne feste Wand entgegen schleudern, da muss man echt schlucken. Wenn man denn könnte, der Kehlkopf ist irgendwie schon längst gegen die Wirbelsäule gedrückt. Urgs.