Bochum Total Tag 1: Herrenmagazin, Willy Fog, 2nd District, Paper Arms, Radio Havanna, 11.07.2013 in Bochum, Bermuda-Dreieck - Bericht von Fö
Bochum Total 2013 Tag 1, 11.07.2013 in Bochum
Als Phil und ich die Festivalfläche betreten, ist schon relativ viel los - und auch die Klohäuser machen so langsam auf. Dabei hat die erste Band noch nicht einmal angefangen. Tun sie aber dann. PAPER ARMS. Emo-Punk-Rock-Post-Krams aus Down Under.
Eine der vielen heißen Bands auf dem Uncle M Label. Musik passt auch ganz gut ins Labelprogramm, so für Freunde von Hot Water Music und Konsorten - bloß irgendwie ohne Hits. Vielleicht hab ich in letzter Zeit einfach zuviel derlei Musik gehört, da stechen Paper Arms einfach nicht sonderlich heraus.
Klingt auch nicht sonderlich druckvoll, aber das könnte am Open-Air-Sound liegen, der zur frühen Stunde noch etwas laff wirkt. Der Sound der Band selbst - ja, ist okay. Schöne Chöre dann und wann, aber nichts was bei mir hängenbleibt. Hat was von Title Fight (siehe auch das Shirt des Sängers), für die konnte ich mich auch nie über Gebühr begeistern.
Insgesamt: Netter Auftritt, so zum Mitwippen. Vielleicht reißense in nem kleinen Club ja mehr. Vielleicht waren sie heute auch einfach nur müde, haben sie doch schließlich ne 12-Stunden-Fahrt von Slowenien hinter sich. Insgesamt werdense aber doch ganz gut aufgenommen, hier und da gibt's sogar Leute, die mitsingen können...
Danach: Warten, Rumlaufen - und schließlich doch wieder vor der Ringbühne landen. Und das, obwohl RADIO HAVANNA spielen. Die haben zwar, im Gegensatz zu dem was parallel so spielt, den richtigen Musikstil gewählt - aber das Resultat trifft eher nicht so meinen Nerv.
Schon der Beginn. Geht los mit Intro, dann setzt das Schlagzeug ein, dann stürmen Bass und Gitarre auf die Bühne, zuletzt hüpft der Sänger auf die Bühne und lässt sich feiern. Puh ey. Schlimmer als Stadionrock, dat is ja fast noch peinlicher als Green Day.
Vor der Bühne ist unverständlicherweise recht viel los. Aber zur Hälfte vermutlich Leute, die auf Thomas Godoj warten, der spielt irgendwann heute Abend und hat beachtlich viele Fans, die mit Shirts seiner aktuellen Tour rumlaufen. Vielleicht kann der ja Stadionrock? Naja, zurück zu Radio Havanna. Übliche Show inklusive Mitklatschen und überheblichen Rockstar-Ansagen.
André steht neben mir und meint, wenn er mal irgendwann auf der Bühne stehen und solchen Schwachsinn labern sollte, ich dürfe ihn da runter schubsen. Bei Fichte bin ich auch immer kurz davor, aber dann müsste ich ja noch näher dran gehen.
Fichte, das ist sowas wie der Campino von Radio Havanna. Hier klettert Campino die Bühnentraverse hoch. Is dat denn n Kletterparadies hier? Immerhin der Rest der Band ist auf dem Boden geblieben. Haha.
Dann mal langsam zur nächsten Bühne schlendern. Wir kommen am Zacher vorbei, wo gerade MAJOR LEAGUES spielen - gute Band, wollte ich mal so am Rande erwähnt haben. Wir gehen trotzdem nicht rein. Keine Zeit vergeuden.
Hauptgrund meiner heutigen Anwesenheit und definitives Highlight des heutigen Tages: HERRENMAGAZIN! Eine der wenigen mit dem Schimpfwort "Indie" bedachten Bands, die ich wirklich uneingeschränkt abfeiern kann. Weil sie gut sind.
Außerdem ist hier, am Konrad-Adenauer-Platz, die schönste Bühne des Festivals. Das sollte mal gesagt sein. Außerdem auch noch mit dem besten Sound gesegnet - wobei das auch an der Band liegen mag, ist halt kein Krach. Eher herrlich schöne Musik mit Wortwitz und Melancholie. Eine bestens aufgelegte Band und ebensolche Zuschauer, wat willste mehr?
Sänger Deniz scherzt mal wieder viel, grüßt Leute im Publikum oder auch auf dem Dach vom Hochhaus gegenüber. Nebenbei gibt's Storys über seine Skater-Vergangenheit. Quintessenz-Thema des Auftrittes ist aber "Saufen". Die Band fragt ständig nach Bier, Gitarrist König Wilhelmsburg meint, er schwitze dieses aus allen Poren, und ein Typ im Metallica-Shirt grölt ständig "jeden Tag nur saufen" - wenn er nicht gerade die Herrenmagazin-Songs mitsingt.
Und überhaupt - gibt beachtlich viele, die hier mitsingen. Und dabei verträumt (oder betrunken) gucken. Auch sonst echt angenehm hier. Es ist gut gefüllt, aber nicht zu voll, und alle freuen sich. So sollte es sein. Aber Herrenmagazin haben halt einfach nur Hits und sind dabei so herrlich grunsympathisch!
Gute Zusammenstellung aus den drei Alben, auch Klassiker wie "Atzelgift" oder "Lnbrg" dürfen nicht fehlen - gerade letzteres scheint ein Publikumsliebling zu sein, da darf sich Deniz auch mal mit dem Gesang zurückhalten und die Stimmen der Zuschauer erschallen lassen. Tja, danach ist aber auch schon Schluss. Keine Zugabe mehr. Schade. Straffes Programm hier.
Damit ihr wisst, was sonst so gespielt wurde: Hier ne Setlist. Setlist-Model Djrj war auch mal wieder mit schwenkbarer Kamera unterwegs, also werdet ihr in den nächsten Tagen wohl Stoff auf seiner Youtube-Seite finden...
Anschließend wird gefegt. So ganz allgemein ist es echt relativ sauber beim Bochum Total, und dank Glasflaschenverbot auch wenig Scherben. Find ich gut. Ich prangere bloß an, dass es nach wie vor hierzulande kein alkoholfreies Bier aus Dosen gibt. Buh!
Das eigentlich beste an Bochum Total, zumindest für Livemusikliebhaber, sind aber eh nicht die großen Bühnen, sondern die vielen kleinen Konzertchen in gemütlichen Kaschemmen am Wegesrand. Also, "gemütlich" ist so relativ zu sehen - Massenveranstaltung isset immernoch. Entsprechend voll ist es auch im Intershop, als 2ND DISTRICT loslegen. Immerhin ist die zweite Tür geöffnet, wodurch wir, als wir reingehen, plötzlich direkt vor der Bühne stehen.
Aber das stört mich ja nun nicht wirklich. Also, 2nd District aus Bochum-Langendreer (es sind sogar zufällige Besucher hier, die ebenfalls aus Langendreer kommen und die Band noch nicht kennen. Sachen gibt's!). Punkrock-Glam-irgendwat mit geleckten Gitarren und fettigen Haaren.
Mal wieder ne Band, die sich ganz sprichwörtlich den Arsch abspielt und jede Häuserecke bespielt, dann darfs ja wohl auch mal die eigene sein. Heute wird auch recht ordentlich gefeiert vor der Bühne. Inklusive Menschen, die auf selbige fallen und die Mikroständer umreißen - was Schwuppi zu der Durchsage verleitet, sie hätten doch alle keine Zahnzusatzversicherung.
Die Zähne sehen aber doch noch ganz in Ordnung aus. Guter Auftritt. Gibt auch neues Material zu hören - schließlich kommt ja bald, also im September, das neue Album auf dem Majorlabel Rilrec. Labelchef Maks ist auch hier, verschwindet aber irgendwann und wir machen uns tatsächlich Sorgen, dass er Pommes holen gegangen ist und seine Anvertraute Sabbi hier gelassen hat. Aber er taucht dann doch irgendwann wieder auf.
Insgesamt: Guter Auftritt, aber ohne wirkliche Highlights. Muss ja auch nicht. Der Profi spricht von "grundsolide".
Noch ein Bierchen (0.3er im Intershop für 2.50€ geht noch irgendwie in Ordnung, im Vergleich zu den horrenden Preisen gewisser anderer Lokalitäten) und rüber zu einer gewissen anderen Lokalität. In der Rotunde alias Coolibri-Stage spielen heute eher lokale Bands, wie hier beispielsweise NOTHING BUT RASCALS. Pluspunkt: Es ist echt super gut gefüllt hier drinnen! Minuspunkt: Die Veranstaltung wird moderiert. Moderationen auf Rockveranstaltungen erzeugen bei mir Brechreiz, da mag die Moderatorin auch noch so nette Interview-Fragen stellen
Die Band: Auch nett. Habe ich ja kürzlich erst im FZW gesehen, wo sie auch schon ganz gut zu unterhalten wussten. Heute macht das, dank der echt gut gefüllten Rotunde, nochmal etwas mehr Spaß. Wie sich heraus kristallisiert, hat außerdem der Sänger heute Geburtstag...
Hier, Publikum. Musik: Naja, Indie halt, ne? Hahaha. Hat teilweise was von "Jimmy Eat World". Gibt auch Momente, in denen ich an "...and you will know us by the trail of dead" denken muss. Warum auch immer. Vielleicht, weil da ja doch einiges an Instrumentenfertigkeit spürbar ist. Mein Problem heute: Weil ich kein Lied kenne, dauert mir der Auftritt dann doch irgendwie zu lang.
Nach meinem letzten Bericht von dieser Band gabs übrigens ne kleine Diskussion auf Facebook, Bierschinken wäre fies und ungerecht. Fand ich super. Der einzige Grund, warum ich schlecht über Bands schreibe, ist ja eigentlich, damit sich irgendwer darüber aufregt. Naja, eigentlich war die "Diskussion" viel zu harmlos. Ich sollte mehr über Indie ablästern. Oder Metalcore. Oder sonstige Musikstile, die scheiße sind.
Anschließend: Indie-Metalcore von WILLY FOG! Die fünf tapferen Schneiderlein sind ja endlich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere angelangt: Headliner bei Bochum Total! Also zumindest letzte Band am Donnerstag. Is ja schonmal was. Maks hat mich zuvor schon darauf aufmerksam gemacht, dass die hier letzte Band sind - und bei unserem "Bierschinken eats FZW" als erste Band auf die Bühne mussten. Ich antworte ihm irgendwas mit höherer Qualität bei der Programmauswahl, aber dann fällt mir ein, dass Radio Havanna bei uns ja auch gespielt haben. Mist.
Die Willys, ey. Immer noch schön gefüllt hier - und ich hab sogar das Gefühl, dass das nicht alles nur Zufallsgäste sind. Im Gegenteil, beachtliche Publikums-Chöre hier. Wow! Zu Recht natürlich. Willy Fog sind ja schließlich das Beste, was dem Indie-Metalcore-Bereich in den letzten Jahren passiert ist. Oder Freejazz-Krautrock. Soul-Psychedelic. Prog-Schlager. Trübe-Fressen-Pop. Wie auch immer.
Muss ich doch wohl nicht mehr viel zu sagen. Keiner kann so schön amourös seinen Mund aufsperren wie Frontschwalbe Jonas. Er kann auch wunderbar mit dem Fuß auf dem Boden stampfen und dabei mit seinen Armen so Pump-Bewegungen machen. Irgendwas muss man halt zu tun haben, wenn die Instrumental-Fraktion sich mal wieder in irgendwelchen sphärischen Schlieren verliert.
Sowieso, alles geil. Amtliche Eskalation vor und auf der Bühne. Ne Unmenge an richtig starken Songs. Nebenbei werden noch neue Veröffentlichungen angekündigt - eine Split und, hört hört, endlich mal ein Album. Wow! Gibt auch ein paar Lieder, die ich nicht kenne. Aber bei der Veröffentlichungspolitik von Willy Fog blick ich eh nicht durch. Nuja.
Irgendwann wechselt Jonas seinen Standpunkt. Also, nicht den politischen, glaube ich zumindest, sondern den, wo er halt steht. Und zwar mitten in den Moshpit rein. Da tigert er rum, brüllt die Leute an und bleibt zwischendurch minutenlang auf dem Boden knien. Bittet auch irgendwann darum, dass doch gefälligst mal alle ruhig sein sollen und dann brüllt er einfach mal ohne Mikrofon die ganze Rotunde zu Brei. Mir war gar nicht bewusst, dass Willy Fog neuerdings Screamo machen. Trotzdem geil.
Komplett geb ich mir den Auftritt aber nicht, muss ja am nächsten Tag früh raus - und da sich die Bands in der Rotunde ne Verspätung von ner runden halben Stunde aufgehalst haben, ward es mir leider nicht vergönnt, bis zum bitteren Ende zu bleiben. Trotzdem - alles geil. Hat sich doch mal wieder gelohnt, bei Bochum Total vorbei zu eiern. Dank Indoor-Programm hab ich auch von den nach Polizei- und WAZ-Angaben heutigen 120.000 Besuchern wenig mitbekommen. Aber ey, die WAZ behauptet auch, Jupiter Jones hätten außer ausgerechnet "Still" keinen Hit - bei so viel Ignoranz möchte man doch irgendwen schlagen. Weiter geht's morgen, Bericht vom zweiten Tag hier!