Horst Festival Sonntag: John Coffey, Crazy Arm, Sniffing Glue, Kapelle Petra, Kosslowski, 04.08.2013 in Mönchengladbach, Platz der Republik - Bericht von Fö
Horst Festival 2013 Tag 3, 04.08.2013 in Mönchengladbach
Erster Kracher des Tages: KOSSLOWSKI! Aus Wattenscheid! Wobei wir vermuten, dass die gar nicht aus Wattenscheid kommen, sondern das nur behaupten, um hip zu sein. So wie andere Bands nach Berlin oder London ziehen, um Bekanntheit zu erlangen. Wattenscheid ist ja, nicht zuletzt durch die mächtigen Kassierer, weltweit als Kulturmetropole bekannt.
Eine tolle Band. Spielen eigentlich viel zu selten. Mein letzter Konzertbesuch ist auch schon ne Weile her, und damals war es nur für anderthalb Lieder - heute immerhin ne halbe Stunde volle Kanne Punk-HC-Rocknroll-Granate. Kann man nicht wirklich gut umschreiben den Sound, das brettert dich einfach um. Geil!
Mal wieder dezente Veränderungen in der Belegschaft. Zuletzt hatten sie ja nen Liveschlagzeuger, wodurch Daniel sich auf den Gesang konzentrieren konnte, heute sitzt er aber wieder hinter der Schießbude und singt nur gelegentliche Backings. Ohne Headset-Mikro!
Gesang also fast hauptsächlich von David. Etwas schade, im Wechsel konnten die beiden Schrei-Organe noch etwas mehr. Aber egal. Hauptsache es wird geschrien.
Und die Mähnen werden geschüttelt. Volle Breitseite und so. Sagte ich schon "die deutschen Kvelertak"? Sagt man doch so, im Musikpresse-Biz. Da lebt man von Floskeln! Ich könnte auch sagen "die Wattenscheider Pink Floyd", aber das würd mir dann doch wieder keiner glauben. Mir inklusive.
Nur geile Kracher. "Jubel, Trubel Scheiterzeit". "Firlefanz". "Totleben". Oder, natürlich unvermeidlich, "Wattenscheid" (eine schöne Stadt!). Zuletzt hat die Band drei 2:20-Songs in den Kaputtmacher Studios aufgenommen (dat is da, wo auch Goodbye Fairground verdelt wurden) und gratis zum Download gestellt - löblich! Auch diese Lieder werden heute dargeboten.
Achja, ich wollte ja nochmal auf das Publikum zu sprechen kommen. Wobei, eigentlich nicht. Andererseits, das war einfach zu lustig! Zugetackerte 15jährige mit Tunneln und Nasenringen so groß dass da Überwachungsdrohnen durchfliegen können - und dabei gucken sie auch noch so irre böse. Voll süß. Oder die Mädels direkt vor der Bühne: Aufm Handy rumtippen oder sich unterhalten, aber ja nicht zur Bühne schauen. Höchstens mal genervt, weil man sich bei dem Krach ja nicht unterhalten kann.
Solche Leute gab's ja gestern schon, aber nun wirklich nicht in dem Ausmaße. Hat aber eigentlich auch nen hohen Unterhaltungswert. So hoch, dass es mich geringfügig vom Auftritt der vier Wattenscheider (ich mag das Wort) ablenkt.
Also, wo war ich stehen geblieben? Kosslowski sind eine absolut und über alle Maßen zu empfehlende Band. Punktundaus. Danke für den Auftritt!
Rüber zur Bühne "da vorne". Genau wie gestern gibt es auch heute nur eine einzige Band, die uns dort interessiert: KAPELLE PETRA! Coco und Schlossi finden den Humor bei der Sache nicht so ganz. Jochen, Lars und ich sehen das irgendwie anders.
Kürzlich kam ja ne neue Scheibe raus. "Internationale Hits" heißt die. Absoluter Hit: "Aber 'ne Wurst, die isste doch!" - großartig! Ein Lied über den Satz, den Vegetarier und Veganer wohl am Häufigsten zu hören bekommen. Gab's eigentlich noch nen Kapelle-Akustik-Gig am Veganerstand?
Bühnenskulptur Gazelle. Ein Mann von Welt! Super Auftritt, sehr kurzweilig, aber auch leider sehr kurz: Ne halbe Stunde reicht nicht ganz für die Hitdichte der Hammer (das war kein Adjektiv) Band.
"Protestlied", "Gewitter", das Funny-van-Dannen-Cover "Alles verkauft" und so weiter. Die Band verbreitet fleißig gute Laune und ich kaufe es ihnen wirklich ab, dass sie sich über den Publikumszuspruch ehrlich freuen.
Darf am Ende auch nicht fehlen: "Geburtstag", heute mal aus-nahms-weise live gespielt, weil ja zu-fäl-lig Gazelle Geburtstag hat und Horst 5 wird. Mit der Ankündigung, dass Horst ja im nächsten Jahr 6 wird. Bekanntester Song der Band, wenn auch nicht unbedingt der beste - aber trotzdem witzig.
Oder "Gazelle trainiert für Olympia", todschick in Ballonseide turnt das unerschrockene Maskottchen über die Bühne. Schön, dass die Kapelle nach all den Jahren ihrer Existenz nicht an Witz verloren hat.
Nu aber flott! Leider verpassen wir vor lauter Geschunkel den Beginn des Kontrastprogramms auf der Bühne "da hinten": SNIFFING GLUE, die hiesigen local heroes in Sachen auffe Fresse! Jawollja!
Ist auch wieder gut gefüllt vor der Bühne. Ausgerechnet die harten Typen mit den riesigen Tunneln und Nasenringen sichtet man hier aber nicht (die mögen wohl keine harte Musik). Sniffing Glue haben echt das schönste Publikum.
Ist ja auch ne schöne Band. Marcel, wie mir heute ins Auge fällt, mit Black-Flag-Tattoo am Bein. Der soll mal aufpassen dass Onkel Greg ihm da keine Klage reindrückt! Der nächste Einfluss der Band, Dead Kennedys, werden sogar direkt gecovert. California Über Alles und so.
Oh, Sprungfoto. Ist ja auch fast schon schwer, bei Sniffing Glue ein Foto zu machen, bei dem nicht irgendwer springt. Nunja. Auftritt ganz okay, hab ich schonmal geiler gesehen, nimmt zum Ende hin etwas Fahrt auf, aber irgendwie ist das so Open Air nix.
Anschließend: Zeit überbrücken. Auf der großen Bühne spielen "OK Kid", aber die sind uns nicht "ok" genug, um uns das anzuschauen. Im Zirkuszelt gibt's gerade "Fußpflege deluxe", aber wir haben Angst, da einen Blick zu riskieren. Stattdessen: Im Schatten rumlungern und Stände begucken.
Aber pünktlich zurück zu CRAZY ARM! Eigentlich der Hauptgrund meiner Anwesenheit hier heute. Unfassbar gute Band. Punk, Folk, Soul und die richtige Portion Politik im Subtext. Zu Unrecht unterschätzt, die Band. So sehr, dass sich der Sänger noch fast persönlich bei den 2-3 Gesichtern im Publikum bedanken will, die mitsingen.
Super Auftritt der Band. Die Songs kommen verdammt gut, wechseln stetig zwischen den ruhigen folklastigen Parts und den krachigen Punkrock-Ausbrechern, ohne dass der Mix irgendwie nervig wirkt - gibt wohl kaum ne Band, die das so stimmig hinkriegt.
Und dann der Gesang, so viel Soul und Vibe und wie auch immer man dazu sagt. Sänger Darren Johns hat ne herrlich variable Stimme, dehnt die Silben manchmal wie ein Gummiband, das kurz vorm Zerreißen zurück schnallt. Merkt man vor Allem bei "Song of Choice", ursprünglich ein Coversong von keine Ahnung wem. Da darf auch mal die Akustikgitarre ausgepackt werden.
Bin ja sonst nicht so der Akustikgitarren-Fan. Andererseits hat der Gitarrist ja sonst nicht die Möglichkeit, seine Arme so lustig zu verschränken. Höhö. Die Band hat übrigens kürzlich ein Akustik-Album aufgenommen und für September angekündigt. Hm, ich bin mal gespannt. Akustik, brrrr...
Mittlerweile auch schon fast zwei Jahre her, dass ich die Band zuletzt gesehen habe - damals im Vorprogramm von Against Me! Leicht veränderte Besetzung: Keyboard und Violine ist nicht dabei. Hm. Das macht den Sound vielleicht etwas kompakter, aber so wirklich schmerzlich vermissen tu ich das nicht.
Wieder etwas Pause, bis es weitergeht. Alice Francis spielt auf der Hauptbühne, haben wir ja erst kürzlich beim Wilwarin mehr oder weniger ignorieren können, also setzen wir uns mal auf die Kinderwiese (oder auf die Sofas, die bereitstehen). Schlossi und Lars schaffen es nicht, mich zum Kinderschminken und anschließendem Balancieren zu schicken.
Pünktlich 18:45 stehen wir wieder "da hinten", um die aktuelle Sensationsband JOHN COFFEY zu begutachten. Werden ja überall als saugeile Liveband empfohlen - na, da bin ich mal gespannt! Zunächst mal sieht man vor allem eines: Staub!
Also scheint zumindest der Bekanntheitsgrad der Niederländer schon ganz ordentlich zu sein. Mitgesungen wird auch fleißig, auch von der Band selbst - irgendwie findet sich immer mindestens ein Gitarrist, der den Sänger am Gesang unterstützt. Vermutlich, damit das "fetter" kommt.
Musik: Geil! Wie eigentlich bei der hohen Schnurrbartdichte nicht anders zu erwarten. Son Punkrock-Hardcore-Gemisch, aber irgendwie mit ner eingängigen Pop-Attitüde dabei. Erinnert mich ein wenig an die Cancer Bats.
Wer nicht mit Schnurrbart und langen Haaren überzeugen kann, muss eben verrückt gucken! Schönes Shirt, übrigens! Die Band fragt zwischendurch, wer denn heute Kosslowski gesehen hat - "oh, no one?". Ach, ihr wisst ja, zu faul mich zu melden. Aber vom Sound her passen die beiden Bands echt ganz gut zusammen.
Der Gitarrist mit ohne Schnurrbart wagt auch mal den Gang in die "Menge", wird dort fleißig abgefeiert und verteilt anschließend brav High-Fives. Also dat mit der geilen Livepräsenz der New-Kids-Lookalikes stimmt definitiv. So viel Bewegung sieht man selten!
Songs: Ich muss zugeben, bisher zwar 2-3 Mal der Konserve der Jungs (bisher zwei Alben) gelauscht zu haben, aber so 100% mitreißen könnte mich das bis dato nicht. Bis dato! Ich glaub, ich geb denen noch ne Chance. Geil.
Gibt ja andere im Publikum, die dafür umso mehr mitsingen. Das freut auch die Band, die fühlen sich hier fast wie in der Heimat, wie sie betonen. Naja, wieviel Kilometer waren das nochmal von Mönchengladbach bis zu den Niederlanden? Oder misst man das in Metern?
Die Songs: Kracher. Echt. Vor allem die vielen mehrstimmigen Refrains, geht echt ins Ohr. Kann mich an "Dirt & Stones" erinnern, "Whispers" kam auch ganz geil. Am Ende "Romans", Überhit ey. Bisschen Southern-Rock-Atmosphäre, inklusive Publikums-Chor. "Miles 'till the end of the road we walk..."
Den Gang ins Publikum hatten wir ja schon, aber nun auch vom Sänger! Wie Moses teilt er die Massen und stellt sich irgendwo mitten rein. Wie lang ist denn bitteschön das Mikrofon-Kabel? Geil!
Sämtliche Vorschusslorbeeren, die bisher über die Band existierten, sind definitiv gerechtfertigt. Absolut zu empfehlen! Wer mal reinhören will, kann das hier tun - aber wie gesagt, ich brauchte erst das Live-Erlebnis bis zur endgültigen Zündung. Aber jetzt grad hör ichs wieder und finds verdammt geil. Oi.
Und nu? Es spielen später noch "Cloud Nothings" und vielleicht könnte sich auch ein Blick auf "Disco Ensemble" lohnen, aber so ganz unbedingt sehen muss ich die nicht, und der Rest der Reisetruppe sieht das ähnlich, muss ja in Teilen sogar morgen früh raus - also verzichten wir auf die heutigen Headliner.
Noch ein abschließendes Fazit: Top Bandauswahl beim Horst, zumindest auf der "da hinten"-Bühne, aber das "da vorne" ging eigentlich auch klar, die Mischung machts halt. Publikum weniger meins, hatte teilweise was von Stadfest (äh, Dorf?), aber auch das hielt sich "da hinten" eigentlich in Grenzen. Von daher: Daumen hoch für dieses Festival, das (noch) ohne Großsponsoren leben kann. Wobei, so dicht wie der Boden gen Ende von TicTac-Dosen gepflastert war...ganz ohne Sponsoren geht's ja doch nicht. Ejaaaal. Horst, gerne wieder.