Terrorgruppe, K.I.Z., 29.05.2014 in Berlin, SO 36 - Bericht von Philriss
Terrorgruppe, 29.05.2014 in Berlin
Heute soll ich also endlich auch mal die Gelegenheit bekommen, die Terrorgruppe zu sehen. Irgendwie hat das vor ihrer Auflösung in 2004 nie so wirklich hingehauen. Deshalb bin ich den ganzen Tag schon ein wenig aufgeregt. Gegen 7 steht das Treffen mit Bönx an, kurze Zeit später kommt auch Herr Mansmann. Bei nem Bier vom Büdchen (hier heißt das Späti) erzählt Bönx dann ganz knapp, wie verdammt gut es am Tag zuvor war und das Fö bereits um halb 6 losmusste, um mit nem Bus zum Ruhrpott Rodeo zu fahren (das ist definitiv kein Punkrock).
Um kurz nach 8 (und damit den deutschen Tugenden entsprechend) stehen dann die Taka Tuka Ultras auf der Bühne. Das es sich dabei um K.I.Z. handeln sollte, war ein offenes Geheimnis (zumindest wenn man die letzten Videos mitbekommen hat). Laut aufgeschnappten Gesprächsfetzen von Klokonversationen waren einige sogar nur deswegen hier.
Dementsprechend werden K.I.Z. auch ziemlich gut abgefeiert. Teilweise beherrscht das Publikum die Texte sogar besser als die drei Rapper auf der Bühne. Zumindest gibt es einige Textaussetzer, die selbst die Jungs zum Lachen bringen.
Obwohl ja häufig eine gewisse Rivalität zwischen dem HipHop- und dem Punk-Lager suggeriert wird, passt der Auftritt wunderbar hier hin. K.I.Z. sind so etwas wie die "Punks" unter den Hip Hop Künstlern (hoffentlich gibt es für diesen Satz keine Schelte) und einige ihrer Alben wurden ja bekanntlich auch von Archi produziert. Nichtsdestotrotz macht es ihnen sehr viel Spaß, mit dieser Rivalität zu spielen: "Seid ihr wegen Hip Hop hier oder wegen Punk?" - Antwort: Hälfte/Hälfte (wenn die Lautstärke des Gröhlens als Messwert gelten darf).
Insgesamt fand ich den Auftritt spitze, hatte die Jungs auch eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gesehen. Außerdem fehlten die etatmäßigen 16-jährigen Girlies, die sonst bei den Konzerten rumhängen, was als durchweg positiv zu vermerken bleibt! Textsicherheit hin oder her: K.I.Z. sind einfach großartig.
Im Anschluss gibt es eine (wirklich sehr) kurze Umbaupause, die gerade mal für einen Toilettengang und einen Barbesuch reicht. Hier trifft man dann auch noch Mitglieder der Jena Sterni Crew, die sich bei der DivaKollektiv Release Party nackt gemacht haben (ganz nackt, also kein Sexismus). Dann müht man sich zurück in die vorderen Reihen und schon schallt einem "Sabine" entgegen!
Fö hatte ja bereits gestern von den Begleitumständen dieser Reunion berichtet, sodass ich mir den Part gerne schenke. Auch die Kommentare zu dem erweiterten Bandkreis müssen da nachgelesen werden (also Bass, Schlagzeug und Keyboard). Stimmt alles, was der Fö da so geschrieben hat.
Stimmungsmäßig platzt der Raum aus allen Nähten. Es wird geschoben, gedrückt, gepogt, böse geguckt und lauthals mitgegrölt. Punkrockfinger sind überall zu finden und Herren (und Damen) mittleren Alters haben ein Glänzen in den Augen! Das Publikum zeigt sich zudem lernwillig und beleidigt die Band durchgehend mit einem "Fick dich du Fick!" Das hat Archi in seiner Zeit beim Hip Hop gelernt.
Aus dieser Zeit stammt auch eine Kollaboration mit K.I.Z.: Klopapier. Hierfür kommt die komplette Vorband nochmals auf die Bühne und bringt die Meute vor der Bühne zum tanzen: "Es saßen drei Gestalten, auf nem Donnerbalken und sie schrien nach Klopapier - Klopapier! Dann kam der vierte, der beim kacken schmierte und sie schrien nach Klopapier - Klopapier!" Das hat es gestern sicher nicht gegeben...
Ansonsten scheint die Songauswahl (und die Scherzauswahl) gestern nicht ganz unähnlich gewesen zu sein. Es kommen "Gestorben auf dem Weg zur Arbeit", "Allein gegen alle", "Schöner Strand", "Keine Airbags (für die CSU)", "Nazis im Haus", "Rumhängen", "Neulich Nacht", "Keiner hilft euch", "Tresenlied", "Opa", "Kinderwahnsinn", "Die Gesellschaft ist schuld dass ich so bin", "Mein Skateboard ist wichtiger als Deutschland", "Namen vergessen", "Sonntag morgen", "Ich bin ein Punk" und so weiter... Nur "Der Rhein ist tot" hat gefehlt! Schämt euch!
Natürlich wird sich auch durchgängig über das Alter der Bandmitglieder lustig gemacht, die Arschrakete wird heute wieder weniger erfolgreich gezündet und Zugaben gibt es auch nicht. Archi meint, dass es doch total unnötig sei erstmal diesen weiten Weg von der Bühne runter zu gehen um dann doch wieder zurückzukommen, um die restlichen Songs von der Setlist zu spielen. Außerdem sei das ja kein Punk!
Auch heute war also alles super. Wieder eineinhalb Stunden (mehr oder weniger) Vollgas und Euphorie, die hervorragend ins Publikum übertragen wurden. Da hat man ja (mittlerweile) schon ganz andere Reunion-Konzerte gesehen... Wer also Bedenken hat: weg damit! Mit dem ersten Ton von "Sabine" ist man dann direkt wieder 16 (oder jünger) und kann alle Texte (auch ohne vorher zu üben) mitgrölen. Richtig gut!