East Cameron Folkcore, Tigeryouth, 19.08.2014 in Dortmund, FZW - Bericht von Fö & Tenpints
East Cameron Folkcore, 19.08.2014 in Dortmund
Fö: Gästelistenplätze scheinen schwer im Kommen zu sein. Als wir den Laden betreten, ist noch relativ wenig los, aber der heimliche Blick auf die Gästeliste offenbart: Hier kamen so einige für lau rein. Wird das also eines dieser Konzerte, wo sich jeder für was "Besseres" hält, weil er jemand kennt, der jemanden kennt? Wo sich die Möchtegern-VIPs in den hinteren Reihen tummeln, am Weinglas nippen und der Band anerkennend zunicken, um dann aber nach ner halben Stunde wieder abzuhauen, weil, man wurde ja gesehen, und darum geht's ja? Nunja, um das mal vorweg zu nehmen: Es wurde nicht so, und es kamen genug Leute, die bereit waren, für Musik zu zahlen. Na, dann kann ich mich ja beruhigt in die hintere Reihe stellen und dezent an meinem Weinglas nippen. Bei der Gelegenheit möchte ich ein wundervolles Zitat von tenpints anbringen: "Ich bin eigentlich eher unscheinbar, aber ich werde immer prominenter".
tp: Zunächst muss ich sowieso rein, zum Bierstand. tigeryouth treibt die Leute in den Suff, man muss Schlange stehen. Hin und wieder schaue ich zur Bühne, wo tigeryouth heute noch schlimmer ist als beim letzten Mal.
Fö: bei mir war das "letzte Mal" ja erst vorgestern, also überlasse ich heute mal tenpints das Kritiker-Feld. Beziehungsweise fasse ich mal zusammen: Frisch reparierte Gitarre, etwas Understatement ("Habe ich schon erwähnt wer ich bin? Ist ja eigentlich egal"), guter Sound, einige Mitsingwillige im Publikum, und ein zu vorgestern variierendes Set. Ich fands gut.
Fö: bei mir war das "letzte Mal" ja erst vorgestern, also überlasse ich heute mal tenpints das Kritiker-Feld. Beziehungsweise fasse ich mal zusammen: Frisch reparierte Gitarre, etwas Understatement ("Habe ich schon erwähnt wer ich bin? Ist ja eigentlich egal"), guter Sound, einige Mitsingwillige im Publikum, und ein zu vorgestern variierendes Set. Ich fands gut.
tp: tigeryouth schlägt auf seine Gitarre ein und gröhlt dabei, dass es ihm sehr schlecht geht, und dass er kein Geld hat und am liebsten zu Hause auf dem Sofa liegt. Spannend!
tp: Das wird vermutlich irgendwann langweilig, also spielt tigeryouth auch mal Konzerte in anderen Städten und muss dafür auf die Autobahn, wo er sich dann z.B. "30 Kilometer vor Berlin" befindet, so dass es noch "fünf Stunden bis Köln" dauert. JA, UND?!, möchte ich schreien, tue es aber aus Höflichkeitsgründen erst heute. Dargeboten wird dieses Lied - wie auch alle anderen - mit einem derart leidenden und pathetischen Duktus, dass man meinen könnte, seine ganze Familie sei soeben 30 Kilometer vor Berlin von einem Geisterfahrer ausgelöscht worden.
tp: Also, bei aller Liebe - der Mann mag sehr nett und cool sein und so -, aber erlebt er denn nichts spannenderes in seinem Leben? Sollten Songwriter nicht in der Lage sein, Stimmungen über Geschichten zu transportieren - und nicht einfach vollkommen distanzlos dem Publikum ins Gesicht schreien, wie schlecht es ihnen gelegentlich geht und wo sie gerade im Stau stehen?
tp: Okay, ich schaffe die selbst auferlegte Prüfung nicht und setze mich ins Foyer, wo ich leider immer noch alles mitkriege, aber die zuvor erlebte Fremdschamganzkörpergänsehaut immerhin nicht mehr auftritt. Sind die Texte wirklich so nichtssagend? Ich lese mal nach und stelle fest: auf jeden Fall zu nichtssagend für dieses übertriebene Pathos. Hat er immerhin selber erkannt. So heißt es in "Gerede": "Ich bin kein Freund von Menschen, die gleichzeitig viel und wenig sagen. Und ich fürchte ich neige selber oft dazu." Oh je.
tp: Na ja, ist halt einfach nicht mein Ding, diese extrem eindeutigen Texte in triefender Tagebuchform und das unylrische Rausbrüllen davon. Gut, dass EAST CAMERON FOLKCORE davon meilenweit entfernt sind. Die kommen auf die Bühne, und ein wohliges Gefühl legt sich über die geschundenen Seele. Jawohl!
tp: So schön die Musik und vor allem der Auftritt ist, so wenig fällt mir dazu ein. Schlecht, da Fö ungefähr 200 Fotos gemacht hat!
Fö: Danke für die Lorbeeren. 30 Fotos, eines schlechter als das andere. Macht aber auch keinen Spaß, zu fotografieren, wenn überall diese Typen mit ihren Megaobjektiv-Schwanzverlängerungen rumlaufen.
Fö: Danke für die Lorbeeren. 30 Fotos, eines schlechter als das andere. Macht aber auch keinen Spaß, zu fotografieren, wenn überall diese Typen mit ihren Megaobjektiv-Schwanzverlängerungen rumlaufen.
tp: Wieder viel Leidenschaft und so auf der Bühne. Anfangs wirkt es auf mich ein wenig einstudiert, aber dann wird immer deutlicher, dass die Band zwar sehr professionell, aber auch sehr authentisch ist. Geil!
tp: Neun Musiker*innen und noch mehr Instrumente. Texte gegen Kapitalismus und so. KEIN Ska. Balladesker Country/Folk-Rock. Publikum sehr interessant, geht so in Richtung gut situiertes linksliberales Bürgertum, durchsetzt mit ein paar schwer betrunkenen Partylöwinnen mit Leucht-Armbändern an. Fö, übernehmen Sie!
Fö: Ein wenig fehlt mir auf der Bühne offen gestanden der in den Songtexten transportierte kämpferische Gestus. Okay, am Schluss werden die Fäuste geballt, aber ansonsten könnten sie genauso gut darüber singen, wie sie gerade im Stau stehen, die Leute (ja, auch tenpints) tanzen ja eh.
Fö: Irgendwie merkt man der Band an, dass sie noch nicht allzu lange auf großen Bühnen unterwegs ist, sie grinsen ständig, freuen sich über die Resonanz und scherzen auch mal untereinander, statt ständig nur das Publikum einzubeziehen. Das wirkt dann wieder, wie von tenpints schon erwähnt, ziemlich locker und authentisch.
Fö: Vom Set her - joah, cool. "Robin Hoods Rise", der Opener der aktuellen Platte, direkt zu Beginn (inklusive Intro), hallt noch Stunden später nach. Ziemlicher Hit auch "Sallie Mae", ansonsten muss ich zugeben, dass ich mit dem Material nicht wirklich firm bin, da ich die Tonträger doch eher selten gehört hab. Ah, doch: "Sheep staring at a gun" irgendwan gen Ende, ein Kracher.
Fö: Von Platte ist das ja schon ganz nett (gebt euch einfach mal den Backkatalog auf Bandcamp), hat mich aber nie wirklich über Gebühr gekickt, live ist das schon ne andere Liga, so vom Zusammenspiel der Instrumente her, und die ganzen mehrstimmigen Gesänge und Chöre setzen dem noch die Krone auf. Dat sind mal Hymnen, ey.
Fö: Gesang wechselt immer mal zwischen den drei Typen die man hier sieht (okay, einen nur im Hintergrund), dazu die erwähnten Chöre und immer mal Instrumentenwechsel, sehr verspielt das alles, langweilig wird einem da definitiv nicht!
Fö: Highlight der Sologitarrist da hinten, spielt die ganze Zeit so abgefahrenes Metal-Blues-Gefidel und scheint ein wenig in seiner eigenen kleinen Welt zu leben, bevorzugt mit Rücken zum Publikum und ganz auf Effektgeräte und Gitarre fixiert.
Fö: Die Band ist ja hierzulande beim Grand Hotel Van Cleef unter Vertrag. War bestimmt auch einer von denen, der behauptet hat, East Cameron Folkcore wäre eine Mischung aus Arcade Fire und Fucked Up. Arcade Fire, okay, meinetwegen, aber Fucked Up?? Weil die ein Cello haben oder wat? Hör mir auf ey. Glaubt der Plattenindustrie kein Wort!
Fö: Zugegeben, ich wüsste so spontan auch keinen coolen Vergleich, würde aber mal die großartigen Crazy Arm in den Raum werfen, und auch Freunde der World/Inferno Friendship Society kommen hier auf ihre Kosten. Bloß dass, wie erwähnt, das Kämpferische etwas fehlt.
tp: World Inferno kommen mir auch in den Sinn, wegen des Kollektiv-Charakters vor allem, aber die spielen natürlich in einer anderen Liga. In der AZ-Punk-Liga nämlich, die haben sich nie verbiegen lassen, sind immer gerade ihren Weg gegangen, jedenfalls Jack Terricloth, das mittlerweile einzig verbliebene Gründungsmitglied. East Cameron Dings kann ich mir in einem AZ eher weniger vorstellen.
tp: World Inferno kommen mir auch in den Sinn, wegen des Kollektiv-Charakters vor allem, aber die spielen natürlich in einer anderen Liga. In der AZ-Punk-Liga nämlich, die haben sich nie verbiegen lassen, sind immer gerade ihren Weg gegangen, jedenfalls Jack Terricloth, das mittlerweile einzig verbliebene Gründungsmitglied. East Cameron Dings kann ich mir in einem AZ eher weniger vorstellen.
Fö: Ich hab ja die Theorie, dass das am Sog des GHVC-Indie-Weichspüler liegt. Kaum unterschreibt ne Band bei diesem Label, wird sie unweigerlich immer gefälliger und harmloser. Könnt ihr euch an Young Rebel Set erinnern? Daran, dass die irgendwann mal mehr Folk als Indie gemacht haben? Oder hab ich mir das tatsächlich nur eingebildet?
Fö: Auch East Cameron Folkcore kündigen ein neues Album an, "Kingdom of fear" soll es heißen und im nächsten Jahr erscheinen, ich bin mal gespannt. 2-3 neue Songs werden heute auch gespielt, einen davon fand ich sogar richtig gut.
Fö: Ja, was noch? Ach, keine Sorge, der Weichspül-Faktor hält sich im Hintergrund, der ist auf Platte präsenter, live ist das echt ne ziemliche Party. Ich fühle mich sogar dazu mitgerissen, hin und wieder begeistert die Fäuste zu ballen, kräftig aufzustampfen und den Oberkörper zu wippen. Passiert mir ja selten, sowas!
Fö: Zusammenfassend gesagt: Hat sich mehr als gelohnt dieser Abend, aber da wäre tatsächlich noch Luft nach oben gewesen. Etwas abwechslungsreichere Songstrukturen, bessere Abmischung (okay, der Mischer hat nen gebrochenen Finger. Na und?), aber das sind eher Kleinigkeiten.
Fö: Für nen Dienstag Abend ist die Stimmung wirklich Top (die Band stellt fest, dass hier offensichtlich niemand morgen arbeiten muss), auch nach der obligatorischen Zugabe wird noch so lange gepfiffen und gejohlt, bis mit Gitarre und Mundharmonika noch ein letztes Stück serviert wird, das sie im Bandgefüge einfach noch nicht proben konnten. Cool!