Chefdenker, Knastparty, 17.10.2014 in Düsseldorf, AK47 - Bericht von tenpints
Chefdenker, 17.10.2014 in Düsseldorf
Eigentlich war der Plan für heute Gästeliste bei The Smith Street Band, aber die ist voll und das Konzert ausverkauft. Was ist da denn los, in Bielefeld in April wollte die noch keine Sau sehen. Na ja, zieh ich mir halt mein Smith-Street-Band-Shirt an und ab zu Chefdenker. Vorband heißt KNASTPARTY und spielt schreckliche Musik in lustigen Kostümen. Da sie aber leider keine lustigen Ansagen zu machen scheinen, interessiert mich das eher weniger.
Also wieder vor die Tür. Ich bin heute ohne die üblichen Verdächtigen hier (die haben es am Mittwoch mal wieder übertrieben bzw. treiben sich in Berlin rum bzw. haben halt keinen Bock), aber dafür hat sich u.a. ein bekannter und beliebter Sozialwissenschaftler aus Köln spontan zum Konzert verirrt.
Es geht bei unseren Gesprächen u.a. um die Frage, warum Leute eigentlich aus Rhein-Ruhr nach Berlin ziehen, wenn sie da dann ja doch nur auf Drogenpartys gehen oder im Internet rumhängen, weil halt nicht die Stadt das Problem ist, sondern sie selber! Es geht recht sprunghaft auch um verschiedene andere Themen, z.B. darum, dass es schrecklich ist, wenn man in Gesprächen ständig das Thema wechselt.
Dann springen wir zum nächstgelegenen Büdchen, um Schnaps zu kaufen. Der fleißige Feldforscher M. mischt Chantré mit Kleiner Feigling, nachdem er einen Stehpinkler nach erfolgtem Geschäft per Handschlag in unsere Runde eingeladen hat.
Urin ist ohnehin ein Thema, das Chefdenker mit Düsseldorf verbindet. Als Thomas noch nackt gespielt hat und der Kollege nicht in der Band war, die Sache mit der Urinflasche, IHR WISST SCHON!!
Das vorhergehende Bild stammt von weiter hinten als dieses. Das liegt daran, dass ich da noch hinten stand im unfassbar vollen AK47. Ein Irrer rastet bei Lied Nummer drei oder vier, jedenfalls bei "Kugel durch den Kopf", vollkommen aus, kriegt sich nicht mehr ein und möchte allen das Konzert verderben. Ein Typ und ich versuchen ihn rauszuschmeißen, aber es klappt nicht, er boxt mich. Irgendwann reißt er den mit ca. 20 leeren Bierflaschen gedeckten Tisch direkt neben mir um und fällt in die Scherben. Niemand ruft "Ey die Hunde!".
Ich helfe dem Wahnsinnigen auf, nett wie ich bin, schubse ihn zum Ausgang und brülle so lange "RAUS", bis meine Wut einigermaßen verflogen ist, also gefühlte fünf Minuten. Dem schließen sich noch andere Menschen an, es wirkt, und schließlich übernimmt jemand vom Laden den blutenden Typen, der die ganze Zeit grinst, weil er sich so geil findet. Das Foto hat übrigens nichts damit zu tun.
Nun ja. Alle anderen sind friedlich und feiern, und nach fünf Minuten Schnaufen und Zittern kann ich das auch wieder. Das AK47 ist ein herrlicher Ort, nicht nur, weil die Kiefernstraße generell so eine angenehme Atmosphäre bietet, sondern weil ich hier immer das Gefühl hab, dass Punk gerade erst begonnen hat. Alles old-school, massenhaft klassische Punks im Publikum, ordentlich (angenehmer) Pogo, alles gut. Und ich kann am Rand stehen, mitsingen und das Ganze genießen.
Thomas ist aus der Babypause zurück. Einerseits schön, andererseits schade, Aushilfsbassist Khal Drogo war ein Hammer-Anblick.
Thomas und Caddy tragen übrigens keine Windeln. Find ich gut, man muss sich als Band ja auch hin und wieder mal neu erfinden. Soziologe M. übrigens kennt die Band erst seit 2010 und glaubt mir zuerst nicht, als ich ihm erzähle, dass Thomas früher immer nackt war, z.B. im evangelischen Jugendzentrum "Café Nova" in Essen. War schön damals!
Schön ist es heute auch hier, trotz der fehlenden nackten Haut. Nicht einmal im Publikum zieht jemand richtig blank.
Ich wollte eigentlich total bekloppt sein, alle Fotos drin lassen und unter jedes schreiben, dass dieses Konzert das beste ist, was ich jemals erlebt habe, aber ein paar hab ich dann doch aussortiert, sorry.
Ich fühle mich mindestens zehn Jahre jünger, so wie damals halt, als ich auf den ganzen anderen besten Konzerten meines Lebens war und viel mehr getanzt und gebrüllt habe.
Superviel Spielfreude bei der Band, die im übrigen komplett nüchtern zu sein scheint. Dafür sind natürlich im Publikum alle total besoffen, inkl. mir. Der Chantré und das Adrenalin von vorhin haben mir den Rest gegeben. Später stoße ich mir gepflegt auch noch ein paar Mal den Kopf am Eingang, geil.
Ein Blackout ist immerhin nicht zu verzeichnen. Hatte ich sowieso noch nie, mein Gehirn scheint unermesslich groß zu sein.
Gitarrensolo! Das erste hat die Band übrigens ganz am Anfang schon versemmelt. War aber der einzige gravierende Fehler, meine ich.
Als ich meine heroische Tat vom Anfang des Konzerts nochmal in Gedanken reflektiere, fällt mir auf, dass ich einem blutenden Mann aufgeholfen habe, ergo Blut an meinen Händen sein muss UND ICH MICH WAHRSCHEINLICH MIT EINER SCHLIMMEN KRANKHEIT ANGESTECKT HABE. Hier ein Beweisfoto.
Hände waschen, gute Idee. Im Laden geht die Party weiter, Chefdenker reihen Hit an Hit und spielen auch deutlich länger als sonst. Auf jeden Fall eins der besten Konzerte, das ich je von ihnen gesehen hab!
Ein Gast hat Lust mitzusingen, denn Claus (oder der Kollege?) hat spontan "Hier kommt Alex" angespielt, was die anwesenden Düsseldorfer natürlich sofort aufgreifen und immerhin die komplette erste Strophe schmettern. Hammer!
Neben mir findet pure Romantik statt. Ob Chefdenker gerade "Facetten der Liebe" spielen? Wunderschön.
Der junge Mann mit dem Oberkörper hat irgendetwas wichtiges mit Caddy zu klären. Keine Ahnung, was es ist.
Es wird ein Cover gespielt, Caddy singt. Inhaltlich geht es um Sperma und Kot, wenn ich das korrekt in Erinnerung habe.
Publikumsinteraktion wird groß geschrieben, u.a. interagiert das Publikum mit Claus, indem es ihm den Mikroständer hin und wieder gegen den Mund haut und mit ihm spricht.
Auch ich interagiere mit der Band, indem ich mich nach dem Konzert bei jedem Mitglied per Handschlag für das schöne Erlebnis bedanke. Es war aber nicht die Blut-Hand, keine Sorge!
Ich will eigentlich schon abhauen, wegen der Sicherheit, aber bin so begeistert, dass ich auf keinen Fall "Toni Schumacher" verpassen will. Gute Entscheidung: Toni ist super, in der Bahn zum Bahnhof sehe ich noch was Interessantes, und der RE1 nach Hamm ist mein direkter Anschluss, obwohl er gar nicht in der Fahrplanauskunft auftaucht! Vermutlich wegen des Streiks, der ja um 2 Uhr beginnen soll. Ich steige um 1:22 Uhr trotzdem ein und kämpfe während der Fahrt vor allem während der Zwischenhalte alkohol- und streikbedingt mit Übelkeit und Angst. Um 1:58 fährt der Zug in Bochum ein, und ich sehe mich schon zitternd und orientierungslos den Bochumer HBF vollbrechen. Aber dann fährt der Zug doch wieder an, ein Streikbrecher sitzt am Steuer! So ein Arschloch, ey, aber: NICE!!! Außer mir sitzen vielleicht noch fünf andere Leute im Zug, ich bin begeistert.
Ja, und jetzt sitze ich hier abends, habe erstaunlicherweise kaum einen Kater, bin aber krank, zum ersten Mal seit gefühlten zwei Jahren so ein richtig bekackter Schnupfen. DAS KOMMT DAVON, aber egal, muss ja, Punk ist und bleibt eben das Geilste. Gute Nacht.