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Cavalcades, Surmoi, 02.07.2015 in Dortmund, Nordpol - Bericht von Fö

Cavalcades, 02.07.2015 in Dortmund

Warm heute. Das liegt, wie ausgedehnte Studien erwiesen haben, mit hoher Wahrscheinlichkeit am Wetter. Um der Hitze zu entfliehen, gibt es ja verschiedene Taktiken - wir entscheiden uns für die naheliegendste, ein Kurztrip zum Nordpol steht auf dem Programm! Mit Skianzug, Wintersocken, Eispickel, Schneeschuhen und ner Thermoskanne Glühwein machen wir uns auf den beschaulichen Marsch. Zu Fuß natürlich, weil die Schlittenhunde gerade streiken (wo ist eigentlich Hasky, wenn man ihn braucht?). Ein wirklich angenehmer Wanderweg erwartet uns. Klar, etwas zugeschneit und nicht immer optimal beschildert, aber wir können uns ja am Kompass orientieren. Hier und da winken uns ein paar Eisbären zu (sie winken mit Flunderfischen, was sehr imposant wirkt). Man muss auch immer aufpassen, stellenweise kann es sehr glatt sein. Wir machen ein Spiel daraus: Wer hinfällt, wird mit Schneebällen beworfen! Sowas weckt doch die Lebensgeister.
Nach etwa 3 Stunden erreichen wir unser Ziel. Zumindest vermuten wir das, weil der Kompass durchdreht, und weil man hier Bier und Club Mate verkauft. Als erfahrener Tourist weiß man: Bier und Club Mate gibt es nur in Szenekneipen oder an gentrifizierten Sehenswürdigkeiten. Ich wusste gar nicht, dass der Nordpol touristisch schon so ausgeschlachtet wird, aber man zahlt tatsächlich Eintritt in Form einer frei wählbaren Touristenpauschale zwischen 5 und 7 Euro! Der Nordpol selbst ist fein hergerichtet. Es gibt zwar keine Garderobe für unsere Winterausrüstung, aber dafür Couch und Cocktail. Auf der Bühne ist schon alles vorbereitet: Eine einsame Fußmaschine steht im Raum und wartet auf Gesellschaft. Das bringt uns auf unser eigentliches Tagesziel: Wir suchen die beste Punkband der Welt! Da genug Szenekundige vor Ort sind, entbrennt bald eine wilde Diskussion und allerortens sind die Menschen vertieft in die Frage aller Fragen. Was für eine Aufgabe!
Derweil hat die Fußmaschine Gesellschaft bekommen! Jemand holt eine Gitarrentasche, öffnet sie und holt eine (man stelle sich hier einen Tusch vor) GITARRE hervor! Mit den Worten "es muss alles vorbereitet sein" stellt er die Gitarre behutsam ab. Eine Fußmaschine und eine Gitarre sind zwar keine Punkband und schon gar nicht die beste Punkband der Welt, aber stutzig macht einen sowas ja schon. Wie wir erfahren, ist die Hauptband des Abends, die auch die komplette Backline dabei hat, noch nicht da, weil irgendwo zwischen Aberdeen und dem Nordpol die Fähren bestreikt werden. Ein Umstand, der übrigens auch das heute startende Bochum Total Festival traf - dort sagten Twin Atlantic ihren Auftritt wegen der erschwerten Anreise ab. Der Nordpol hingegen scheint die besseren Druckmittel zu haben, Cavalcades werden nämlich jeden Moment erwartet! Damit sind Cavalcades zumindest einen Schritt näher am Olymp der besten Punkband der Welt, während Twin Atlantic wahrscheinlich gerade irgendwo im Atlantik rumtwinnen. In Bochum machen Luxuslärm den Ersatz, am Nordpol sind wir ziemlich froh, von einem solchen Ersatz verschont zu bleiben.
Aber: Kommen Cavalcades noch rechtzeitig? Wie wir alle wissen, muss am Nordpol wegen Gefährdung der Eisbärenpopulation um 22 Uhr Schluss mit Livemusik sein. Und eine Supportband gibt's ja auch noch. Ein spannender Abend! Werden Cavalcades rechtzeitig ankommen? Wird die beste Punkband der Welt gefunden? Werden Eisbären hungrig, wenn die Flundern aus sind?
Um 21:24 stürmt eine Horde Packesel den Nordpol. Sie tragen Boxen, und Schlagzeugteile! Unglaublich! Frid gibt den Tipp ab, dass der Auftritt in 9 Minuten starten kann. Ich bin zunächst mal skeptisch, bis um 21:33 schließlich der Auftritt startet. Wahnsinn! Würde Punk sich durch das Vermögen, Zeiten genau einzuschätzen, definieren, wäre Frid eindeutig der beste Punk der Welt. Aber leider weiß hier keiner, wie sich Punk denn nun definiert.
Erste Band des Abends: SURMOI! Der Sänger hat akribisch vorm Auftritt (man erinnere sich: "Es muss alles vorbereitet sein") seine Schuhe ausgezogen. Wir sind uns einig, dass nackte Füße kein Punk sind und Surmoi somit nicht die beste Punkband der Welt sein kann. Noch nicht einmal, trotz des Namens, die beste Oi-Band der Welt.
Zu hören gibt es Geschrei, zwischendurch sogar mal ohne Mikrofon. Das Geschrei wird untermalt durch teils sanfte und teils ausbrechende Instrumentierung. Die Texte scheinen, sofern sich denn mal einzelne Wörter heraus kristallisieren, auf deutsch zu sein. Ich glaube, man nennt sowas Screamo. Oder einfach einer dieser unzähligen Unterkategorisierungen von Hardcore.
Viel mehr lässt sich zum Auftritt eigentlich auch nicht wirklich sagen. Außer vielleicht noch: Es waren Leute da und haben sich das angeschaut, einige haben genickt. Mehr ist vor allem deswegen nicht passiert, weil der Auftritt mit 10 Minuten Spielzeit doch etwas wenig Gelegenheit bot, viel passieren zu lassen.
Nächste Band: CAVALCADES! 12 Stunden Fahrt, 9 Minuten Ausladen und 10 Minuten Vorband gucken zum Verschnaufen, und ab auf die Bühne. Unglaublich! Das ist viel zu sehr Working Class, um Punk sein zu können, aber wir sind trotzdem beeindruckt.
Musik: So Emo-Post-Hardcore-Gedöns. Nicht ganz son Geschrei, wobei ein etwas lauteres Organ mir lieber gewesen wäre, vom Gesang hört man nämlich wenig. Aber vielleicht war da bloß der Mischer (alle Mischer müssen Micha heißen) dran schuld. is ja eigentlich auch wumpe.
Ich halte mich mal damit zurück, hier Bands der Sparte "die klingen wie" zu nennen, weil das nicht unbedingt mein Metier ist. Mich erinnert das bloß an Touché Amoré, und die finde ich arschlangweilig, während Cavalcades zumindest live ganz gut zum Mitnicken anregen. Mitnicken ist kein Punk, weil Punk ja eher dagegen ist, aber ob Kopfschütteln Punk ist, kann ich nicht beurteilen. Aber ich glaube, die beste Punkband der Welt finden wir heute nicht.
Cavalcades spielen auch nur so 3-4 Lieder, der zeitliche Rahmen muss ja gewährt bleiben, und dass man sich in Deutschland akribisch an Zeiten hält, ist wohl spätestens seit heute auch nach Aberdeen durchgedrungen. Beim 10-Uhr-Glockenschlag haben (heucheln?) im Publikum aber alle Verständnis, hier hat man für alles Verständnis, eine sehr friedfertige Subkultur hier am Nordpol. Immer nen kühlen Kopf bewahren, überhitzte Gemüter gibt es woanders. Das' doch schön.

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tenpints
(tenpints)
03.07.2015 18:07
Meine Güte, hätte die Vorband nicht verzichten können? Oder das Konzert ausnahmsweise mal um zehn Minuten verlängert? (Es wäre sicherlich nicht gleich das SEK gekommen...) Oder haben die einfach nur ein 10-Minuten-Set, mit dem sie dann durch Europa touren?

Sehr skurril.

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