Keinkultur Festival: Egotronic, Fights & Fires, Lygo, Abfukk, Suralin, DFT, 12.09.2015 in Bonn, Pantheon - Bericht von Fö
Keinkultur Festival, 12.09.2015 in Bonn
Bonn selbst - immer ne Reise wert. Nat fällt auf, dass die Leute auf den Straßen alle traurig gucken. Vielleicht, weil sie es immer noch nicht überwunden haben, dass sie nicht mehr Bundeshauptstadt sind. Und so führt uns unser Weg vorbei an vielleicht ehemals mal geschichtsträchtigen Orten. Die Adenauerallee entlang, am Bundesrechnungshof vorbei zum Bundeskanzlerplatz - so ganz allgemein scheint die Vorsilbe "Bund-" sehr beliebt zu sein bei den hiesigen Bundesstadtplanern. Vielleicht sollte man mal im Rahmen einer Image-Kampagne stattdessen die Vorsilbe "Bunt-" einsetzen und die ganze Stadt etwas farbenfroher gestalten, dann lachen die Leute vielleicht wieder mehr. Apropos: wenn man in Bonn lachen will, geht man wohl ins bunte Pantheon-Theater - das Ende des Jahres abgerissen wird. Man merkt, Spaß und Kultur wird in Bundesbonn groß geschrieben. Womit wir wieder beim Thema wären: Keinkultur, der Name scheint klug gewählt. Dieses Jahr zum zweiten Mal im Pantheon stattfindend, wo ich noch nie war, was sich aber als ein ganz schicker aber auch netter Laden entpuppt.
Meine einzige Kritik an der Veranstaltung: Ich mag es nicht, wenn Festivals ihre Zeitpläne oder zumindest Spielreihenfolgen nicht im Vorfeld kommunizieren. Klar ist das ein verständlicher Schritt, der Besucher soll sich ja gefälligst alle Bands anschauen - vielleicht bin ich auch ne Ausnahme, weil ich eigentlich immer gewillt bin, mir alle Bands anzuschauen - aber es gab echt schon Situationen, wo ich mir den Besuch einer Veranstaltung geklemmt hatte, weil ich mir nicht sicher war, ob ich in der mir zur Verfügung stehenden Zeit überhaupt die Bands sehen könnte, wegen denen ich gekommen wäre. Boah, langer Satz. Und so konjunktivistisch. War das Wort "könnte" richtig gewählt? Egal. Ich lass das mal so stehen und beende mein Plädoyer für Zeitpläne. Is ja eigentlich auch egal, Zeitpläne sind eh kein Punk und Bierflaschen werfen kann man auch wenn keine Band spielt.
Als wir ankommen, spielt bereits die erste Band - was schade gewesen wäre, wenn es eine Band gewesen wäre, die ich hätte sehen wollen. Es sind aber bloß DFT. Erleichtert atme ich auf. Zaghaft betreten wir den Raum. Wirklich nette Lokalität, vorne eine Tanzfläche in angenehmer Größe und rundum Emporen, etwas Amphitheater-mäßig, was ich für Konzerte immer ganz schön finde.
DFT jedenfalls sind eine Band mit Thorben von Cüntsler (Bundescüntsler?) und Lasse von Schreng Schreng & La La, die anderen Mitglieder kenne ich nicht. Laut Internet gab es die Band schon in den 90ern, aber ich hab keine Ahnung ob das hier ne Reunion ist oder ob sich einfach fortwährend niemand für die Band interessiert hat, ich jedenfalls hatte vorher nie von ihnen gehört. Vielleicht kennt man die auch nur in Bonn - aber dann wäre hier wohl mehr los.
DFT jedenfalls machen Musik, die ich schon in den 90ern langweilig fand. So Alternative-Grunge-Gedöns. Auwei! Vielleicht ein leichter Hang zum 90er Indie-Emo, aber das kann ich mir auch nur eingebildet haben. Ich tendiere nämlich dazu, wenn mir Musik langweilig wird, die Musik im Kopf einfach mit angenehmeren Musikstilen zu verknüpfen. Leider gelingt es mir nicht, die gedankliche Brücke zum Thrashmetal zu schlagen.
Nächste Band: SURALIN. Noch so eine Band, von der ich nie zuvor gehört habe. Was ja nicht schlimm ist, es gibt ja immer mal Bands die man noch nicht auf dem Schirm hatte, die einen aber vom Stand weg umhauen. Ist mir zum Beispiel passiert, als ich zum ersten Mal Fights & Fires oder auch Lygo gesehen habe, die ja heute ganz zufälligerweise auch spielen, wodurch man den Veranstaltern ja schonmal ein ganz gutes Händchen bescheinigen kann. Aber ob das Händchen auch bei Suralin in den richtigen Topf gegriffen hat?
Es fällt mir schon schwer, den Topf überhaupt zu beschreiben. Son bisschen Wave/Postrock/Indie mit Alternative-Rock verwebt. Klingt soweit ganz okay, hier und da ein paar zackige Passagen die ganz gut ins Ohr gehen, im Gesamten aber doch nichts, was mein Ohr lange erträgt.
Im Großen und Ganzen also: war okay, aber nicht meine Musik. Nat macht mich heute darauf aufmerksam, dass die Konzertberichte bei Bierschinken alle gleich sind: Entweder wir schreiben "War okay, aber nicht meine Musik", oder "die sind klasse, hab ich zwar schon zwanzigmal gesehen, aber immer wieder super"
Danach ABFUKK! Die sind klasse! Zwar hab ich die nun mittlerweile schon oft gesehen, möchte aber hier mal zu Protokoll geben, dass die echt immer super sind. Wobei Abfukk eher so die Kategorie Band ist, auf die ich mich nicht sonderlich großartig freue - eben weil oft genug gesehen - die mich live dann aber doch immer mitzureißen wissen.
Endlich wird auch mal ein wenig gepöbelt. Sowohl von der Bühne als auch zur Bühne hin. Total schön, als irgendein Zwischenrufer vom Sänger mit "Wer hat das gesagt?!" bedacht wird und der Gitarrist antwortet mit "Der große Hässliche da!" - ihr seht, man versteht sich hier.
Da hinten, könnt ihr ihn sehen? Den Hässlichen! Nee, den anderen! Ach, egal. Erstmalig kommt auch mal ein wenig Bewegung in die Zuschauerreihen, man sieht sogar schon die erste Bierlache auf dem Boden! Total schön. Das Publikum verhält sich zwar teilweise, als würde es Punk gerade erst entdecken, aber der jugendliche Tatendrang ist doch ganz putzig anzuschauen.
Kennt man als Punkband gar nicht: Funkmikrofone! Echt mal ungewöhnlich. Ich warte die ganze Zeit darauf, dass Sänger Marcel so routinemäßig nen Mikrokabel-Wirbel-Move macht, aber da fällt er leider nicht drauf rein. Bestimmt mussten die Bands hier vorher nen Vertrag unterschreiben, dass sie ja nicht die teuren Mikros schrotten.
Wie auch immer. Die Abfukk-Asis liefern ne amtlich stabile Leistung ab mit den üblichen Hits, ich bin aber so alt und gebrechlich, dass ich im Laufe des Sets nur zweimal dazu komme, vor Euphorie den Punkrockfinger zu heben und mitzugrölen. Vielleicht brauche ich auch was von diesem Kreatin, von dem immer alle reden.
Nächste Band: LYGO! Tolle Band! Habe ich ja letztens erst in Kamen gesehen und für großartig befunden, aber es irgendwie nicht geschafft, mich wie eigentlich vorgenommen ausführlich mit der Platte zu befassen. Also gebe ich den Auftrag mal weiter: Hier, hört das!
Übrigens kenne ich die Band anscheinend schon länger als ich dachte, jedenfalls habe ich auch meinem Rechner ein paar 3 Jahre alte mp3s gefunden, denen zufolge die Band damals noch "Leave your guns outside" hieß, aber ansonsten genauso herrlich atonales Geschrei wie heute servierte. Ich habe übrigens keine Ahnung, was "atonal" heißt, wollte das Wort aber mal verwenden.
Lygo machen so ne Mischung aus Trend, Turbostaat und Frau Potz, wage ich mal zu behaupten. Ich mag Schubladen! Dafür dass das nur drei Leute sind, ganz ordentlicher Soundwumms, und dass der wütend-keifende Gesang auch dann und wann mal zweistimmig erschallt, macht die Sache noch zusätzlich spannend.
Laut eigener Aussage haben sie für heute sogar viel geprobt, was sie aber, wie sie mir später, ohne dass ich gefragt hätte, erzählen, damals vor Kamen auch getan hätten. Das scheinen so Muckertypen zu sein, freiwillig erzählen dass man viel probt, Ker! Außerdem wurde auch noch recht häufig während des Auftrittes gestimmt. Chris meint, dass der Bass doch eigentlich bundrein sein müsse. Ich habe keine Ahnung, was das ist, vermute aber mal, dass das wohl so ein Bonner Begriff sein muss. Ihr wisst schon, wegen der Vorsilbe.
Danach: FIGHTS & FIRES! Eigentlich ja der heimliche Grund, weswegen ich hier bin. Übrigens, bisschen Klatsch & Tratsch & Gossip aus der Veranstalterszene: Als die Band für das heutige Datum ne Auftrittsmöglichkeit gesucht hat, hatte ich mich ja auch um Hilfe bemüht und sogar was gefunden, bekam aber dann von der Band die Mail, dass in Aussicht stehen würde, auf nem Festival spielen zu können. Woraufhin ich einfach mal die Daumen gedrückt habe, dass es sich dabei wenigstens ums Keinkultur handelt. Tja, die Welt ist klein!
Fights & Fires aus Worcester sind eine von diesen Bands, die man unbedingt mal live gesehen haben muss. Mit was für einem Elan die da über die Bühne schwingen und ihre Bahnen im Zuschauerraum ziehen, Hut ab meine Herren, wer da stillsteht ist vermutlich taub, blind oder tot.
Die Musik ist, sagen wir mal, so Punkrock mit Postcore- und Rock'n'Roll-Einschlägen. Eigentlich ne ganz trendy Sache also. Ihr mittlerweile schon 2 Jahre altes Album "We Could All Be Dead Tomorrow" kann man sich übrigens hier runterladen (ebenso wie das Vorgängeralbum) - aber lasst euch gesagt sein, an die Livepräsenz der stämmigen Truppe kommen die Aufnahmen einfach nicht ran.
Dem Publikum merkt man an, dass viele die Band im Vorfeld nicht wirklich auf dem Schirm hatten - aber sie tun ihr Bestes, mittels unkoordinierter Schwankungen des Ober- oder wahlweise Unterkörpers ihr Wohlwollen mitzuteilen. Is' doch nett. Allerdings macht sich bemerkbar, dass die Besucherzahlen heute etwas dürftig sind. Ist zwar nicht wirklich leer, aber voll auch was anderes. Sehr schade. Andererseits - umso mehr Platz für Fights & Fires, sich genüsslich auszubreiten.
Ich bin jedenfalls ziemlich begeistert und verstehe nicht, warum die Band trotz unermüdlichem Touren noch nicht die ihr zustehende Fanbase vor der Bühne stehen hat. Aber bei sowas blick ich eh nie durch. Grandioser Auftritt von Fights & Fires! Immer wieder super halt!
Nun wirds aber auch Zeit für den Headliner des Abends! EGOTRONIC! Spürbar die Band, auf die die Meisten heute gewartet haben, die Tanzfläche füllt sich jedenfalls ziemlich schnell. Könnte auch am Intro gelegen haben, das Chrü vorher extra noch aus dem Netz gezogen hat - aber das haben wir nicht gehört. Kann ich also nichts zu sagen. Pech, Chrü!
Ich hab die Band in letzter Zeit ja wirklich ziemlich häufig gesehen - das wird mir auch heute bewusst. Irgendwie bin ich doch etwas Egotronic-übersättigt, zumindest braucht der Auftritt so seine Zeit, um bei mir zu zünden. Also laufe ich ein wenig rum. Am linken Bühnenrand steht ein Typ, der freundlich mit mir anstößt und mir für mein Shirt gratuliert. Nette Leute hier in Bonn!
Am rechten Bühnenrand steht ein Trüppchen knapp bekleideter junger Damen, umgeben von Parfümwolken. Das finde ich gut, dann weiß ich immer wo ich besser hingehe, wenn ich pupsen muss. Ich hatte nämlich vorm Auftritt ein Warsteiner 0,0er, das schlägt mir immer etwas auf den Magen. Zum Glück gibt es am Tresen auch Jever Fun, das ist erträglicher. Für alles andere gibt es Parfüm.
An den vorderen Bühnenrand traue ich mich nicht, da muss der Blick von hinten reichen. Die Leute sind ganz gut am Feiern. Was dann auch irgendwann ansteckend wirkt.
Es gibt ein ganz geiles Set zu hören. Mit viel Politik - zumindest von den Songs her, die Ansagen halten sich damit heute etwas zurück. Aber mich dünkt, das Publikum scheint eh eher wegen der Party und nicht wegen politischen Vorträgen hier.
"Was solls", "Glücksversprechen", "Toleranz", "Rannte der Sonne hinterher", "Raven gegen Deutschland", "Die Band der Vollidioten", "Die Bismarck" oder auch der neue Track "Deutschland, Arschloch, Fick Dich" - ganz geiles Set!
Eher spontan dabei, wenn ich das richtig mitgekriegt habe, waren wohl "Kriegserklärung" und "Lustprinzip" - schon ganz gut, wenn ne Band auch spontan sein kann. Bei so Electro-Bands ist man sich ja eh nie sicher, ob da nicht einfach nur ein mp3-Player durchläuft, da sind so Set-Abweichungen schon ganz gut für die Credibility.
Wie auch immer. Macht Spaß! Insbesondere so ungefähr um 0 Uhr, als ein gewisser Chrü Geburtstag hat und das noch versucht, durch spontane Gitarrensoli zu vertuschen. Aber Pustekuchen - Verzeihung, Lebkuchen. Und so singen wir alle "Happy Birthday" und "Und doch bin ich verliebt in Chrü", und er wird ein wenig rot.
Zur Zugabe wird gedanced und das wichtigste Bandmitglied gewürdigt: Der Computer! Es gibt noch Pilze (zu hören, nicht zu essen), und dann ist der Auftritt auch irgendwie recht schnell vorbei. Aber wir müssen ja auch alle noch Chrü gratulieren!
Und dann? Wir bleiben noch ne Weile und beobachten Chrü, machen uns aber aus dem Staub, als die Band sich hilfesuchend nach Leuten umschaut, die beim Einladen helfen könnten. Chrü passt leider nicht mehr in den Kofferraum, den Rest bringt Gesas Partymobil in eine andere Dimension. Danke!