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Actual Crimes, Sky:lark, Casual Sect, 24.10.2015 in London (UK), DSFL - Bericht von tenpints

Actual Crimes, 24.10.2015 in London (UK)

Samstag später Nachmittag in London. Gerade habe ich, wie sollte es auch anders sein, eine hervorragende Vorstellung von "Billy Elliot The Musical" hinter mich gebracht, dem vermutlich einzigen sozialistischen und durchaus queer-feministischen Musical der Welt. Gut, ich hätte auch die Niederlage Rot Weiss Ahlens bei Rot-Weiß Essen miterleben können, aber jetzt bin ich nunmal hier und habe den Glanz der großen weiten Welt in den Augen, komme nicht klar ob der schieren Brillanz und des immer wieder erfrischenden Enthusiasmus der Schauspieler*innen, bin noch ganz beseelt vom großen Sieg des kleinen Jungen inmitten einer der niederschmetterndsten Niederlagen in der Geschichte des sozialistischen Kampfes. Nun ja. Um mich herum sind tausend Menschen, und es regnet. Kurz überlege ich, ob ich einfach im Theater bleiben und ein Ticket für die nächste Vorstellung nur zwei Stunden später lösen soll, denn da ist es warm und trocken, und ich bin ein Gewinnertyp.
Ein Dosenbier später sitze ich im Bus. Es regnet sehr stark, und meine Schuhe haben Löcher. Dadurch sind meine Füße ein bisschen nass. Die Fahrt zu meinem Ziel wird eine Stunde dauern. Da London mindestens zur Hälfte aus Baustellen besteht, steht der Bus im Stau. Das Dosenbier will raus, DOCH ES GEHT NICHT! Plötzlich bin ich dann doch da, und ich feiere mit Slough Feg auf dem Kopfhörer und geballter Faust meinen Triumph.
Da ich, wie gesagt, ein Gewinnertyp bin, fahre ich zum WINNERS TEMPLE. Hier bin ich unter meinesgleichen. Wir können beten, singen, Spaß haben, und bald kommt Jesus (das steht auf dem LED-Schirm da oben, neben einer Uhr). Wenn es mir zu bunt wird, gehe ich einfach zu einer der 86 anderen freikirchlichen Gemeinden in der Nähe.
Oder ich gehe zum DIY SPACE FOR LONDON, einem neuen Laden mitten in dieser merkwürdigen Mischung aus Industriegebiet und Armenviertel südlich der Themse. Davon hat mir N. erzählt, einige seiner Freunde schmeißen den Laden nämlich u.a., und da dachte ich mir, das muss ich sehen! Eigentlich hatte ich London nämlich gebucht, um ein Konzert zu besuchen, das jedoch ist dann abgesagt worden. Monatelang kein Alternativprogramm gefunden, nun ist es da.
Der Laden besitzt den Charme einer frisch gebauten Industriehalle, und das ist er tatsächlich, denn hier ist nichts besetzt, sondern tatsächlich einfach mal selber gebaut. So ist aus einer leeren Halle im Laufe von drei Jahren mit der Hilfe vieler Spender und Bauwütiger ein Zentrum mit mehreren Veranstaltungsräumen und einem Plattenladen geworden.
Wenn man dort etwas machen will, z.B. Konzerte organisieren oder besuchen, muss man Mitglied sein. Das kostet nur 2 Pfund pro Jahr. Das Konzert kostet 5, und alles Geld geht an den Verein, denn Geld braucht man ja nun im scheiß Kapitalismus. Fotos darf ich gerne machen, und alle sind sehr freundlich und machen in keinem Moment den Eindruck, einem dahergelaufenen Deutschen gegenüber irgendwie misstrauisch sein zu müssen. Komisch, aber ziemlich cool.
Ich fühle mich jedenfalls wie zu Hause. Bei der Bude an der Ecke hole ich mir erstmal Beck's (eine Schanklizenz hat der DSFL noch nicht), und eingekauft wird hier nicht bei Tesco oder Sainsburys, sondern bei Aldi und Lidl. Ich befinde mich offenbar in einer Community voller schwarzer Christen, und selbst das gibt es im Kleinformat auch in der Nordstadt. Ist das diese Globalisierung, von der alle sprechen? Haha, Spaß, ich bin ja nicht doof.
Jedenfalls schwalle ich die netten Leute am Eingang erstmal in elegantem Englisch damit zu, wie interessant ich es doch finde, dass ein Haufen weißer Atheisten sich in so einem Viertel breit macht. Eine der beiden erklärt mir, dass sie das auch interessant fänden, Probleme gebe es jedoch keine, und sie hoffe, dass sich das bald noch etwas mische. Das ist nett und naiv, und ich mag das.
Mann, was fühle ich mich gut. Bin kurz davor, alle ca. 40 Gäste anzuquatschen, lasse es dann aber zum Glück. Aber schön, dass ich tatsächlich mit Fremden sprechen kann! Muss am Englisch liegen.
Huch, jetzt haben wir die erste Band schon verpasst. Es handelte sich um Sky:lark, eine Post-Hardcore-Band. Wegen technischer Probleme und der Akustik einer leeren Halle aus frischem Beton ein eher gewöhnungsbedürftiger Auftritt, aber cool.
Irgendwas wird an die Wand projiziert.
Die Band CASUAL SECT ist als nächste dran. Sie spielt viele Lieder. Und diverse "Noise Breaks". Das Niveau meiner Fotos passt sich ihr an.
Da fährt man eine Stunde Bus, um mal aus dem schicken West End rauszukommen, und dann sowas! Ich werde verfolgt.
In England ist Dosenbier noch angesagt, denn es gibt ja kein Pfand. Auch der DSFL will, dass Dosen mitgebracht werden und kein Glas. Also, ÖKOLOGISCH IST DAS JA NUN NICHT, ihr Lieben, aber mal ehrlich, scheiß drauf, hier schnappt sich ein irrer Hippie gerade eine Trompete.
CASUAL SECT machen übrigens vollkommen sinnlosen Stoner Rock oder sowas. Wenn das Satire sein soll, ist sie nach hinten losgegangen; ist es ernst gemeint, haben sie mein ganzes Mitleid.
Nach dem Auftritt muss ich mich erstmal setzen, dann schaffe ich es doch tatsächlich, mich noch mit einer der Veranstalter*innen zu unterhalten, denn schließlich haben wir gemeinsame Freunde. Abendfüllende Konversation sieht natürlich anders aus, und leider schaffe ich es nicht, mich in die Liste für den sich an das Konzert anschließenden Höhepunkt des Abends einzutragen:
KARAOKE!!
ACTUAL CRIMES spielen als letzte, weil sie die beste Band des Abends sind, nehme ich an. Oder aus Zufall. Wie dem auch sei, ich freue mich, dass sich der Abend nun auch musikalisch endlich lohnt.
Schmissiger "working class feminist punk" wird geboten - musikalisch eher Indie Rock, würde ich sagen, aber sehr cool und laut und unterhaltsam. Die Sängerin hat ein Spitzen-Organ.
Anderer Name für die Musik laut ihrer Bandcamp-Seite: "queercore". Na ja, warum nicht.
UND HIER NUN SCHLIESST SICH DER (queere) KREIS: Nat Sweeney, einer der aktuellen Hauptdarsteller von "Billy Elliot", hat ein Idol :Nicki Minaj! Damit hat er offenbar was gemeinsam mit dem bärtigen Punk, der hier Nicki-Minaj-Karaoke betreibt - und ich hab ein geiles Foto gemacht.
Das Karaoke ist auch sonst sehr unterhaltsam, aber ich habe es ja nicht geschafft mich dazu durchzuringen, "Dancing With Tears In My Eyes" auf die Liste zu schreiben, und nun ist die Liste schon so lang, und ich bin schon so müde und will am Sonntag noch stundenlanges Touri-Programm hinter mich bringen, also bleibe ich nicht allzu lange. Hier ein typisches Touri-Foto, es stammt von eben jenem Abend und zeigt, dass ich es geschafft habe.


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Location:
DSFL
96-108 Ormside St
SE15 1TF London (Großbritannien)
diyspaceforlondon.org

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