Alternative Stage: The Other, Rantanplan, May The Force Be With You, Awesome Scampis, Tyler Leads, Skapa Flöw, Effektief, 09.07.2016 in Lünen, Pfarrer-Bremer-Platz - Bericht von Zwen
Alternative Stage Tag 2, 09.07.2016 in Lünen
Tja, was soll ich sagen? Ich betrete den Pfarrer-Bremer-Platz, als gerade die Gitarre bei TYLER LEADS einfadet. Trotz Zugverspätung bin ich also auf die Sekunde pünktlich gekommen.
Ich hatte mich ja im Vorfeld schon auf extremst nervige Schülerbands eingestellt, die alle Mitmachspielchen machen und die anwesenden drei Leute belästigen. Das ist heute nicht der Fall. Zwar hat auch der Tyler Leads-Sänger ziemlich Bock und fragt häufiger mal sowas wie "Lünen, geht's euch gut?!". Da jedoch jedesmal keine Antwort vom Publikum kommt sagt der Gitarrist irgendwann "Immerhin sind noch 5 Leute da". Das finde ich witzig.
Auch sonst ist die Band eine ziemliche Überraschung. Ich war ja mal vor vielen Jahren tatsächlich auch in dieser Metal-Szene drin bis dann bei mir irgendwann Punkrock daherkam. Zeitgleich hatte auch ein Genre namens Metalcore seine Hochzeit und die Musik und die Attitüde von vielen Leuten fingen an, mich anzukotzen.
Junge Bands wie Tyler Leads oder letztes Jahr Nightfyre, die wieder den Old School-Metal hervorbringen und das Ganze schön authentisch spielen, lassen mich dann wieder hoffen.
Der Auftritt macht mich außerdem sehr durstig, weshalb es mich erstmal zum Bierstand verschlägt. Ein Bier kostet zwei Wertmarken, also umgerechnet 2,20€. Für ein Umsonst-Festival auch mehr als okay, weshalb ich insgesamt 20 Euro umsetze.
Als zweites dürfen heute EFFEKTIEF ran. Von denen hatte ich auch mal eine Bewerbung im Postfach und was soll ich sagen? Derartige Punkbands sind der Grund, weshalb ich mich vielleicht bald wieder vom Punkrock abwende, mir lange Haare wachsen lasse und mich noch mehr zutattoowieren werde. Die Musik ist glatt und sauber und entspricht total langweiligem Stadionrock.
Ich kann diese Musik zwischen Rogers, Broilers, Betontod und den Toten Hosen eigentlich überhaupt nicht mehr als Punk bezeichnen, denn selbst die von mir hier genannten Bands haben mal ziemlich dreckig angefangen und haben dann erst mit zunehmenden kommerziellen Erfolg mit dem Stadion-Deutschrock angefangen.
Momentan scheint das aber irgendwie so eine Schiene zu sein. Eben Vorstadtrebellen aus der Oberschicht, die von ihren Eltern ein riesiges Backdrop, ordentliche Instrumente und direkt auch das erste Album finanziert bekommen haben und bevor es dann nächstes Jahr ins Ausland geht uns noch mal mit einer Menge Einfallslosigkeit nerven.
Ich höre mir die ersten Songs noch an, dann versorge ich mich mit Biernachschub und schlendere ein wenig über den Platz. Es gibt Cocktails, veganes und unveganes Fressifressi, Bandmerch und den Stand von Horrorbusiness. Bei letzterem bleibe ich etwas länger stehen, unterhalte mich angeregt und wühle begeistert durch die CDs. Am Ende kann ich ein Album von Slup, eines von Rawside, eins von Only Attitude Counts und das großartige "A Link To The Past" von den Vaders abgreifen. Latzen muss ich dafür insgesamt gerade mal 10€. Was ein Preis-Leistungs-Verhältnis!
Nach EFFEKTIEF spielen dann SKAPA FLÖW; die machen Glamrock. Ist schon die zweite Band, die noch einen relativ frischen Eindruck macht und trotzdem Oldschool-Musik spielt.
Gefällt mir auch ziemlich gut, vielleicht etwas gelassener als Tyler Leads, aber trotzdem nicht verkehrt. Ich muss mir noch ein Bier holen.
Die langhaarigen Typen, deren Frisuren dank Ventilatorentechnik auf der Bühne noch voluminöser wirken kommen mir auch stark bekannt vor. Wahrscheinlich ebenfalls Gesellen aus dem Horrorbusiness-Umfeld.
Ansonsten ist die Atmosphäre gewohnt familiär (im wahrsten Sinne des Wortes). Macht mir jedenfalls großen Spaß und das Wetter ist auch hervorragend. Optimal also!
Bereits als sich der Platz langsam zu füllen beginnt, wird mir klar, dass gleich das Urgestein des Labels MAY THE FORCE BE WITH YOU auf der Bühne steht. Die sind ja für mich sowas wie die einzige legitime Metalcore-Band.
Die Jungs wissen auf jeden Fall, wo ihre Musik herkommt und Szene-Arroganz und Plattitüde sucht man hier auch vergebens, stattdessen gibt es ein ordentliches Brett.
Hier ein schönes Bild von Festival-Papa Dave. Alternative Stage managen und dann noch selber spielen. Der muss heute auch wieder ganz schön im Stress sein. An dieser Stelle sollte, denke ich, ein dickes Dankeschön auch von meiner Seite aus angebracht sein.
Wie schon erwähnt: Energiegeladenes Set, auch wenn nichts an diese krasse Weihnachtssause herankommt.
Als Zugabe gibt es heute "What Happened?" von H2O, das Dave seiner Tochter widmet, da in diesem Lied endlich mal nicht so viel rumgeschrien wird. Dafür heute mit Gastsänger (links im Bild). Macht gut Bock und ich brülle selbst auch mal kurz ins Mikro. Außerdem ist das immerhin ein kleiner Trost dafür, dass ich H2O aufm Jera verpasst habe.
Normalerweise ist es ja immer ein bisschen komisch, wenn man eine Ska-Party-Band auf sowas wie May The Force folgen lässt, es gibt jedoch eine Band, bei der dies aus der Gewohnheit heraus eigentlich selbstverständlich ist. Die Rede ist natürlich von den AWESOME SCAMPIS.
Joa, also ich finde - im Gegensatz zu manch anderem in der Redaktion -, dass die Band durchaus ihre Berichtigung hat und wenn hier alle meinen, dass sie eine Schülerband sind, dann ist das hier wohl die beste Schülerband.
Man kann den Scampis ja so vieles Vorwerfen, aber das sie den Heimvorteil heute nicht voll ausnutzen, gehört definitiv nicht dazu. Ist auch die erste Band zu der so richtig ausgelassen getanzt wird. Wenn es dann auf dem Platz so aussieht, finde ich Mitmach-Spielchen auch definitiv okay und Awesome Scampis ohne Mitmachspielchen ist halt auch irgendwie unvorstellbar.
Natürlich bekommen wir heute auch "Tauben vergiften" zu hören. Da ist es doch etwas inkonsequent dieses Täubchen hier so ungehemmt über die Bühne flanieren zu lassen, anstatt ihm mal ordentlich eine zu knallen. Naja, müssen se selber wissen.
Kommen wir aber nun zu dem für mich musikalischen Highlight des Tages THE OTHER. Die habe ich zum ersten und einzigen Mal 2010 auf dem Ruhrpott Rodeo gesehen. Das war zu einer Zeit, als ich Horrorpunk noch total großartig fand und noch nicht ein Jahr später an der selben Stelle von dieser Misfits-Cover-Band von Jerry Only total desillusioniert worden bin. The Other haben mir damals auch sehr gut gefallen und sie sind für mich bis heute eigentlich die beste aktive Band, die klassischen Horrorpunk-Band spielt. Das sehe wohl nicht nur ich so, sondern auch ein paar andere Leute, weshalb die Band in den letzten Jahren erfolgstechnisch ziemlich durch die Decke gegangen ist: große Touren durch aller Welt und immer wieder im Vorprogramm von großen Bands.
Aus genau diesem Grund ist mir heute auch etwas bange. Schließlich war das letzte mal, dass ich mich auf eine Horrorpunk-Band über alle Maße gefreut hatte (und das war eben bei den Misfits 2011) ein Total-Desaster und hat unterm Strich wohl auch dazu geführt, dass ich lange Jahre geschminkte Menschen mit E-Gitarren komplett ignoriert habe.
The Other haben seitdem ich sie das letzte Mal gesehen habe, relativ häufig die Besetzung gewechselt. Laut deren Facebook-Seite ist man jedoch weiterhin mit seinen Ehemaligen auf einem guten Kurs und versteht sich immer noch. Das ist doch gut! Ganz frisch dabei ist heute der Bassist, ein netter, sympatischer Bursche mit einer kecken Frisur und einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.
Der Drummer ist aber noch ganz der alte von damals und Sänger Rod Usher ist natürlich auch noch dabei.
Nun aber der Teil auf den ihr hier alle wartet: Die Kritik. Diese fällt tatsächlich gut aus. Live hat die Band jedenfalls nichts von ihrer Energie und ihrer Geschwindigkeit eingebüßt. Auch die neuen Songs, wie "Dreaming Of The Devil" machen gut Stimmung.
Ein paar alte Schmankerl, wie "Beware Of Ghouls", "Der Tod steht dir gut", oder "Lover's Lane" gibt es aber auch zu hören. Wenn es nach mir ginge, hätten sie noch etwas mehr vom "We are who we eat"-Album spielen können, aber das ist dann wohl das alte Problem mit den alten Alben, die alle kennen und mögen und der Band, die irgendwie auch die neuen Songs spielen möchte.
Allgemein wirken die Musiker ziemlich sympatisch, was an der vielen Bewegung auf der Bühne liegt, aus der eine große Spielfreude spricht. Gleichfalls wird noch mal daran erinnert, dass man hier schon vor etlichen Jahren gespielt hat, als man noch sehr unbekannt war und im September auch schon wieder nach Lünen kommen wird und zwar ins Lükaz. Dafür dankt man den Veranstaltern der Stadt.
The Other sind vorbei und ich bin erleichtert. Zumindest für mich ist Horrorpunk in der letzten 3/4 Stunde wieder von den Toten auferstanden. Mittlerweile ist es dunkel geworden und schon ist es Zeit für den Headliner RANTANPLAN.
Puh, was soll ich sagen? Komischer Weise bin ich mit dieser Band nie so wirklich warm geworden, obwohl ich Ska eigentlich ganz gerne mag und sie bis jetzt auch immer gut Gas gegeben haben.
Gas geben tun sie auch heute in Lünen, aber vielleicht ist mir das auch einfach noch zu viel Deutschpunk. Ein paar Lieder erkenne ich aber doch wieder.
Nichtsdestotrotz kann ich mich meinen ganzen feiernden Freunden nicht anschließen und gehe stattdessen lieber schon nach der Hälfte des Sets. Stattdessen versuche ich noch den Zug nach Hause zu bekommen.
Dieser fährt mir natürlich genau vor der Nase weg und wie das nun mal in einem Kleinstädtchen wie Lünen ist, kommt selbiger auch nur ein Mal in der Stunde. Als ganz besondere Note lässt sich die DB auch noch einfallen, zwischen den zwei Stationen, die es zu mir braucht, noch spontan eine Baustelle einzurichten. Wir fragen am Bahnhof derweilen alle möglichen Leute, wo dieser angekündigte Schienenersatzverkehr denn halten könnte. Ergebnis: Ungefähr 30 Leute sind genauso ratlos wie wir und eine Busfahrerin sagt uns freundlich, aber bestimmt, dass sie jetzt Feierabend hätte, aber der Bus hier eigentlich irgendwo halten müsste.
Immerhin treffen wir noch KANYE WEST. Total netter Typ, leider haben wir ihm versprochen, dass wir die mit ihm gemachten Fotos nicht ins Netz stellen. Tja, so ist das leider, aber der gute Mann möchte wohl auch einfach nach den ganzen Problemen, die er in letzter Zeit hatte, nicht mehr so in der Öffentlichkeit stehen. Das kann ich natürlich nachvollziehen. Trotzdem ist er sich nicht zu schade uns noch Autogramme zu geben, bedankt sich für den Vodka und verschwindet mit seiner Limousine in die Nacht. Ehrenmann!
Unser Wegkomm-Problem hat sich nach 1 1/2 Stunden aber immer noch nicht gelöst und so langsam gehen in Lünen schon die ersten Lichter aus.
Somit entscheide ich spontan einfach mal locker nach Dortmund zu laufen. Über dunkle Felder und durch noch dunklere Wälder. Ob ich nun mit einem Bären, einer Hecke, oder doch nur dem schlechten Weg gekämpft habe, mag ich heute nicht mehr zu rekonstruieren, nur dass ich ungefähr eine gute Stunde gebraucht habe weiß ich, teilweise bin ich wohl auch gejoggt. Nichtsdestotrotz hat es sich wirklich gelohnt, sodass ich nächstes Jahr gerne wieder komme. Vielleicht fährt dann ja auch wieder ein Zug nach Hause.