The Jim Tablowski Experience, Brookland, Diarrhea Suicide, 12.08.2016 in Dortmund - Bericht von Fö & tenpints
The Jim Tablowski Experience, 12.08.2016 in Dortmund
Ich glaube, das hängt u.a. sehr von der Klassenzugehörigkeit des jeweiligen Schulkindes ab. Also Proletariat oder Bourgeoisie, das ist hier die Frage. Ein proletarisches Kind, evtl. sogar eines mit arbeitslosen Eltern, das hat Stress. Stress haben auch Brookland, Diarrhea Suicide und THE JIM TABLOWSKI EXPERIENCE! Was geht da ab? Irgendjemand hat die drei besten Bands, die Dortmund zu bieten hat, in einen kleinen Kabuff geladen und lässt sie dort Schandtaten vor Publikum verrichten. Das ist phänomenal gut und ich freue mich Wochen im Voraus wie ein kleines Schulkind, gesetzt den Fall, kleine Schulkinder haben überhaupt was zum Freuen, was heutzutage ja keine Selbstverständlichkeit darstellt. Ich weiß auch nicht, wie das ist, so als Schulkind, ob man da tendenziell eher glücklich ist oder ob man sorgenvoll auf die Zukunft schaut. Vielleicht ist einem auch alles egal und man haut mit der Schultüte dem doofen Mitschüler auf den Kopp.
Heute sind wir alle Strichkinder und versammeln uns zu (bestimmt) leckeren Longdrinkgedränken irgendwo im zwielichtigsten Bereich Dortmunds und warten, bis DIARRHEA SUICIDE die Proberaumbühne betreten. Oder, sagen wir, den Boden betreten, denn eine Bühne gibt es nicht.
Wie üblich haben die drei Sauf- & Raufbolde nicht geprobt und holpern ein wenig unbeholfen durchs Set. Das macht aber gar nichts, das macht sie nämlich nur menschlich, Playback kann ja jeder. Diarrhea Suicide servieren Lofi-Hits mit Sahnehäubchen und verzaubern unsere Ohrmuscheln mit lieblicher Kost.
Es ist fast mein erstes Mal Durchfallsuizid, und so sehr wir uns draußen auch einig darüber sind, dass der Bandname eher unglücklich, da irreführend gewählt ist, so sehr kommen wir doch darin überein, dass die Band einfach mal so richtig geil ist. Vor allem in so einem Laden!
Gastgeber R. steht zufällig neben mir. Ich schaue ihn an und klatsche betont langsam in die Hände, denn ich bin witzig. Matze, größer Punkrocker Dortmunds, gibt sich heute ganz bescheiden. "Ihr braucht nicht für mich zu klatschen", sagt er, und meint mit "mich" natürlich die ganze Band, deren Mastermind er bekanntlich ist. Stattdessen versucht er, jeglichen Applaus-Ansatz auf die Gastgeber der Party umzumünzen, was diese innerlich und äußerlich erröten lässt.
"Matze hat ja echt ne geile Stimme", höre ich. Ich höre es zurecht! Matze hat echt ne geile Stimme. Der Band allerdings würde die ein oder andere Probe mehr gut zu Gesicht stehen, aber auch so schaut und hört man sich das gerne an. Auch wenn ein Lied als "Heimatlied" deklariert wird (es ist ein Lied über die Nordstadt), was im Publikum zunächst für tumultartige Szenen bzw. ironische "Oho!"-Rufe sorgt. Dabei ist Heimat doch einfach nur, wo dein Herz ist, also z.B. hier.
Die beste und vielversprechendste Band, die Dortmund jemals hervor gebracht hat, warf viel zu früh das verschwitzte Handtuch und verabschiedete sich 2014 von den Bühnen dieser Welt. Was haben wir geweint. Aber heute, und nur heute, sind sie wieder da! THE JIM TABLOWSKI EXPERIENCE!
der Rest ist Geschichte. Eine Geschichte getragen von sehr viel Euphorie, die sich heute in lautstarken "Keith! Keith! Keith!" Rufen offenbart.
Die schrillen Rufe stammen von Keiths weiblichen Groupies. Irgendwann ruft ein offenbar konkurrierendes Groupie "Timm! Timm! Timm!", und Groupiegirl Maz stimmt ein mit einem dumpfen "Markus! Markus!" Recht haben sie alle. Sie sind vor Allem wieder da, weil Bassist Keith aufn Kurztrip vorbei schaut und sie sich gedacht haben, wenn er schonmal da ist, könnten wir ja...
"Die Descendents waren nie besser!", raune ich Fö zu. THE JIM TABLOWSKI EXPERIENCE sind eine unglaublich tolle Band mit unglaublich tollen schmissigen engängigen meeegaguten Liedern. Ich würde ja jetzt schreiben "die deutschen Descendents", aber das wäre gelogen, weil man sie nicht wirklich als deutsch bezeichnen kann.
Ich habe ja eine ganz komische Eigenschaft, nämlich die, tendenziell kleine unbekannte Bands geiler zu finden als die großen Vorbilder ("Das ist meine kleine Nische / wenns bekannt wird hau ich ab" (J. Rachut, jaja)). Mit den Descendents bin ich z.B. nie warm geworden, während die Homies von der JT Experience mich seit Jahren über alle Maßen begeistern. Woran das genau liegt, weiß ich nicht, aber im Falle der JTE ganz bestimmt nicht nur an meinem Tick, sondern einfach am brillianten Songwriting, das einfach mal das Beste aller Vorbilder in sich vereint, und der sympathischen Performance. Ach, und singen und spielen können sie halt auch. Zweimal nur geprobt, langes Set, fast alles auf den Punkt, auf die Fresse, geil.
Kein Wunder. Es dauert nur zwei Lieder, dann tanzt der ganze Raum. Sowas habe ich bei einem deutschen kleinen Punkkonzert auch lange nicht mehr erlebt. Timm sieht glücklich aus.
Man kann nur hoffen, dass sie das jetzt jedes Jahr machen. Oder zumindest alle zwei Jahre (dazwischen vielleicht mal ne Tour in den USA? Wäre auch geil.) Außerdem muss eine neue Band her, dieses Talent darf nicht brachliegen! Eine Welle purer ehrlicher Begeisterung pflügt durch den Raum und begleitet den umjubelten Auftritt einer Ausnahmekapelle, die mir die letzten Jahre wirklich gefehlt hat und dies (leider) auch zukünftig tun wird. Schnief. Das war ein sehr schöner Auftritt.
Und genau deshalb passen die auch hier rein: weil sie a) eigentlich total punkig sind und b) genau so geile Ohrwürmer geschrieben haben wie JTE, nur halt irgendwie anders.
"Wir sind Popper, die nur Punker-Freunde haben", meint Robert, worauf ihm ein ernüchterndes "besser als gar keine Freunde" entgegen schallt. Ganz schön frech, diese Punkers. Hinter diesem, bis auf wenige Ausnahmen pechschwarzen Bild versteckt sich die Zukunft der Popmusik: BROOKLAND! Die zwei Protagonisten schmettern schwere hallige Pop-Rhythmen durch den Raum und begeistern mich einmal mehr mit ihrer eigenwilligen Art, aus Fahrstuhlmusik Ohrwürmer zu zaubern.
damals Jim Tablowski als Gäste geladen, also heute die Retourkutsche als Tablowski-Gäste zu deren hoffentlich nicht letzten Konzert. Man merkt, eine ganz schöne Mischpoke hier.
Ich hab Brookland in letzter Zeit zweimal ganz gesehen. Leider keine Berichte geschrieben. Deshalb jetzt hier: große Lieder, kleiner Rahmen. Etwas zu klein vielleicht, ich würde mir ein weiteres Bandmitglied (für Bass oder Synthie) und visuelle Untermalung wünschen. Aber auch so schon immer wieder ein Erlebnis. Für ihr allererstes Konzert hatten sich Brookland
Ich hab Brookland in letzter Zeit zweimal ganz gesehen. Leider keine Berichte geschrieben. Deshalb jetzt hier: große Lieder, kleiner Rahmen. Etwas zu klein vielleicht, ich würde mir ein weiteres Bandmitglied (für Bass oder Synthie) und visuelle Untermalung wünschen. Aber auch so schon immer wieder ein Erlebnis. Für ihr allererstes Konzert hatten sich Brookland
Brookland sind wirklich ein schöner Abschluss des Abends. Habe erst gedacht, sie hätten mal lieber am Anfang spielen sollen, aber dann war's eigentlich perfekt, genügend Leute wollten sie noch sehen, und als Untermalung für die vielen endorphingeschwängerten Gespräche vor der Tür taugte die Musik auch prima. Wunderbar! Bis demnächst!
Im weiteren Verlauf des Abends gab es noch einige Situationen, nach denen der größe Punkrocker Dortmunds darum bat, diese doch bitte in den Bericht aufzunehmen. Hab ich aber alles vergessen. Nachhaltig bestürzt hat mich aber dieser Typ vor der Q, der schwankend auf uns zu kam und erzählte, dass er soeben von seinem LSD-Trip runterkäme und jetzt dringend irgendwas Chemisches einschmeißen müsse. Ausgerechnet in mir erkennt er seinen potentiellen partner in crime: "Du hast bestimmt was, ich seh das, du bist doch voll drauf!", und er lässt sich nicht von seiner Meinung abbringen, was mich gleichermaßen fasziniert wie verängstigt, da er auch zunehmend aggressiver wird. Demnächst gehe ich nur noch mit Alibi-Drogen aus dem Haus.