Hauskonzert: Yes We Mystic, Brookland, Kalkavé, Diarrhea Suicide, Sorry Gilberto, 01.10.2016 in Herdecke, Haus - Bericht von Fö
Hauskonzert, 01.10.2016 in Dortmund
Aber das Haus muss erstmal gefunden werden! Und so cruisen wir mit vollgepacktem Auto durch die Villengegend, wo man augenscheinlich mehr als kritisch beäugt wird, wenn man keinen SUV fährt, und suchen die richtige Hausnummer. Zeitweise begleitet von einem Polizeiauto, das ganz klischeemäßig immer megalangsam unsere Route kreuzt, während die Insassen Stielaugen bekommen. Aber nachdem wir es in die Irre geführt haben, können wir unsere Skimasken aufsetzen und ins nächstbeste Haus einbrechen.
Draußen gibt's Soli-Cocktails, drinnen Musik. Klingt fair. Zunächst DIARRHEA SUICIDE, was aber (leider?) kein Name für einen Cocktail ist, sondern die erste Band des Abends.
Wie immer sind Diarrhea Suicide die beste Band des Abends, ich muss das wissen, ich hab sie oft genug gesehen. Heute ist Üsis Hand, Freddys Schulter und Matzes Hals kaputt. Also op-ti-male Voraussetzungen für ein spritzig-feines Punkkonzert!
Der Raum wird kontinuierlich leerer, die Protagonisten voller, die Musik lauter, die Hits schmissiger. Diarrhea Suicide spielen den Soundtrack, zu dem wir zunächst die Wohnung zerlegen, um sie anschließend wieder aufzubauen.
Geht weiter mit SORRY GILBERTO aus, ich glaube, Berlin. Zwei nette Menschen mit Musik jenseits meines Musikhorizontes, nämlich eher gemächlich-hippieskes Gedudel, das aber doch irgendwie was für sich hat. Auch wegen der vielen, teils abstrus anmutenden Instrumente, die man hier auf dem Foto nicht erkennen kann, weil ich nicht fotografieren kann.
Die Musik ist, naja, hm, vielleicht so Pop, Indie und Folk mit simpler und seichter Lyrik, irgendwie ganz charmant. Musik, die eigentlich für so gemütliche WG-Wohnzimmerkonzerte prädestiniert ist, aber wohl auch deutlich mehr kann, zumindest sind die beiden grad für ganze 3 Wochen auf Tour.
Geht weiter mit KALKAVÉ und einem der Hausherren an einem der Instrumente. Da darf ich ja jetzt nix Fieses schreiben, oder? Musik, die das Haus, und vermutlich auch die Nachbarschaft, zum Beben bringt.
So ein neumodischer Post-Hardcore-Irgendwas-Stil. Man merkt der Band an, dass sie aus der Asche Willy Fogs empor gestiegen sind, diese verspielte Vertracktheit ist halt schon irgendwie vertraut.
Aber so wirklich vom nicht vorhandenen Hocker hauen will mich das nicht. Ist eben ein Stil, von dem ich nie großer Freund war und von dem ich mittlerweile auch etwas übersättigt bin. Und dieser Schreigesang war auch noch nie meins. Ich frage mich, ob Kalkavé ne Verballhornung von Kalter Kaffee sein soll? Frag ich die Boys beim nächsten Mal.
So, nu aber Platz machen für die Überraschung des Abends! Und YES WE MYSTIC brauche vieeel Platz. Ungefähr zwei Reihen Platz an der Wand bleibt letztenendes noch für das Publikum, der Rest schaut durch Türen und Fenster rein.
Aus Kanada kommt das Quintett, spielte kürzlich beim Reeperbahn-Festival und tritt morgen die Reise gen Heimat an, freut sich aber, heute noch eine kleine intime Houseshow zu geben, was sie, wie sie erzählen, seit 4 Jahren nicht gemacht haben.
Bei der Musik stoße ich dann wirklich an meine Grenzen, das zu umschreiben. Es gibt ne ziemlich progressive Pop-Folk-Indie-Melange mit viel aufbauender Theatralik in den Arrangements. Da wird ein Klangteppich entfaltet, der das Zimmer erst richtig gemütlich macht.
Ich hab keine Ahnung womit man die Musik vergleichen könnte, bin aber echt ziemlich gefesselt von diesem Gewusel. Folk mit viel Drama und Experimentierfreudigkeit, sowas findet man ja eher selten. Ich würde mal East Cameron Folkcore als Vergleich heranziehen, ebenfalls aus Kanada. Oder vielleicht noch Murder By Death. Aber eben doch irgendwie anders. So als würden Murder By Death ein Muse-Coverstück einproben.
Jedenfalls: Wenn die nochmal über den Ozean kommen, ruhig mal auschecken! Wer auf große Momente in der Musik steht, kommt hier nicht zu kurz. Da vibriert der ganze Raum und dem Publikum bleibt nix mehr übrig, als mit offenen Mündern dem Treiben zu folgen. Stark! Vielleicht mal reinhören. Aber an das Liveerlebnis kommen die Aufnahmen nicht ran.
Anschließend wird's dann Zeit für die neben Diarrhea Suicide zweite beste Dortmunder Band: BROOKLAND! Die zwei Dudes hab ich in letzter Zeit häufiger auf diversen Bühnen gesehen und war immer wieder begeistert von den Pop-Enthusiasten. So auch heute!
Ist heute zwar nach Yes We Mystic ein kleiner Downer, aber hey, da gibt's Schlimmeres. Brookland liefern wieder betont hallige Hymnen für den leidenschaftlichen Kopfnicker. Heute mal mit Tendenz zum Feedback-Gewitter, war bestimmt keine Absicht.