Talco, Ebri Knight, 14.01.2017 in Kiel, Pumpe - Bericht von Thruntilldeath
Talco, 14.01.2017 in Kiel
Doch kurz nachdem ich mein Abteil betreten hatte, ging die Tür am Ende des Wagons auf, Uffta-Uffta-Klänge kamen näher und direkt vor mir wurden zwei Tische von Kommando Dumm okkupiert. Für eine Flucht war ich aber einfach zu schwach und ertrug die wirklich beschissene Musik stoisch, während ich nach Stellenausschreibungen bei Stepstone suchte. Erniedrigend auf allen Ebenen. Es sollte noch schlimmer kommen... Cityflip Kiel durch ca. 30 außerstädtische Ingress-Schlümpfe. Die Lust auf Konzert war schlagartig weg. Zu Hause erwarte mich nur ein ein leerer Kühlschrank und neben luftiger auch menschliche Kälte im eigenen Domizil. Klassischer Fall für "Ab ins Bett" und Decke übern Kopp. Aaaaaaaber wenn man sich schon das Konzert für lau ermogelt und die Chance hat, Talco UND den mächtigen Daniel Ahrens zu sehen, dann macht man sich doch auf den beschwerlichen Weg in Richtung Innenstadt.
Ein Indiz dafür, dass Talco doch ein wenig bekannter sind, war die Schlange vor der Pumpe. Meine Fresse, wo kommen die Leute alle her? Seid ihr alle verrückt geworden? Ist ja schön, dass Talco soviel Zuspruch erfahren, aber bla bla bla lari fari Kikibegründung für Pascow im AJZ. Damals, als man Talco noch im Keller vom Hafenklang im Exil sehen konnte. Ach, so schön wird's nie wieder!
Wobei das letzte Talco-Konzert in der Pumpe schon seine Momente hatte. Vielleicht auch mal weniger Sachen kacke finden und dafür mehr Dinge gut? Kacke ist es auf jeden Fall, wenn man angeblich auf der Gästeliste steht, und dann der eigene Name nicht auftaucht. Boah, ne, DAS war mal unangenehm, aber am Ende dann trotz oder wegen meines charmanten Charms doch noch reingekommen. Auch Türsteher können nett sein, die muss man nicht immer kacke finden! Die nächste Hürde bestand dann darin, sich (ohne dieses Wort wäre der Satz...) in Richtung Bühne zu machen. Scheiße, ist das hier voll, laut und warm.
Die ersten Lieder von Ebri Knight natürlich verpasst, wie es sich bei Vorband so gehört. Steht ja schon in der Bibel oder im Grundgesetz. Die Möglichkeiten sind da vielfältig. Ebri Knight kommen wie Sangria aus Spanien, haben aber wahrscheinlich nicht die Patente A, B, C und die 6 und fahren auch nicht die großen Pötte. Natürlich nicht nur aus Spanien, sondern aus dem Baskenland und scheinen tiefrot bis aufs Blut zu sein. Im Gepäck sind Geige, Flöte, Akustik-Gitarre. Und Bass, Gitarre und Schlachzeuch.
Bäh, scheint ja alles auf Folk-Punk hinauszulaufen, nach Ska-Punk die zweitschlimmste Musikrichtung auf der ganzen Welt. Aber dieser dropkickmurphyesken Spielweise des "Celtic Punk" verweigern sich Ebri Knight glücklicher Weise recht konsequent und schreiben das Wort Folk nicht nur auf ihren Buttons sehr groß. Folk-Rock hooligan en català schimpft sich das dann als Eigenbeschreibung der Band.
Irgendein Traditional, welches ich als Musikbanause natürlich nur von den Murphys kenne, wurde zwar gespielt, aber ansonsten war das astreine Tanzmusik. Die Sprachbarriere verhindert jegliche Auseinandersetzung mit den Texten, aber gehen wir einfach mal davon aus, dass Ebri Knight welche von den Guten sind und uns keine menschenverachtende Untergrundmusik unterjubeln.
Und wer so viel Spaß auf der Bühne hat, der kann nicht schlecht sein. Kurz vor dem Konzert nochmal fix in die ersten Alben reingehört, sowas geht dank der modernen Technologie namens Internet heutzutage sehr schnell (Geheimtipp!), und da wirkte das alles recht brav und SEHR folkig. So nach dem Motto "Drei Friesen sitzen in der Küche, saufen Teepunsch und spielen vor sich hin". Davon war live aber nichts zu merken, der Saal tobte und die Stimmung kochte über!
Bei der Bühnenpräsenz auch absolut kein Wunder. Musikalisch ist, um ehrlich zu sein, nicht irre viel hängen geblieben, aber solange das live überzeugen kann... Nimmt man gerne mit. Dachte sich das Publikum auch. Was da los war vor der Bühne, alles durchmischt. Langhaariger Hippie und kurzgeschorene Nasenringträgerin und Hurricane-Shirt-Träger und kleine Kinder und Spanier die mitsangen und ach haste nicht gesehen.
Und von allen Honigkuchenpferden freut sich der Bassist am meisten. Ach, ist das nicht schön, wenn man so viel Spaß hat? Da springt der Funke doch sofort über.
Nach angemessener Spielzeit (klingt jetzt so herrenmenschig anmaßend) war's dann vorbei mit Ebri Knight. Scheint allen Spaß gemacht zu haben, oder der Bassist sieht immer so aus? Der Kleidungsstil erinnerte ein wenig an die Seinfeldfolge, in der Elains Freund von George ("Maybe he's just very well... red?") als Kommunist geoutet wird. Nur so nebenbei. Wie kann es sein, dass niemand triefend durchgeschwitzt ist? Wäre nach dem Auftritt angebracht! Umbaupause, vor die Tür, Luft schnappen und die Suche nach Daniel Ahrens aufnehmen, den ich vor dem Auftritt von Ebri Knight verloren hatte.
Um erstmal die wirklich wichtigen Dinge abzuhaken: Irgendwer wollte, dass ich seine kleine Fingerfigur in Form eines... Lamas? Oder so? fotografiere. Das ist hiermit dann auch geschehen. Im Hintergrund die bereits erwähnten Talco.
Wer Talco nicht kennt, der stellt sich einfach mal Gamma Ray mit Trompeten vor. Oder die Port Royale von Running Wild mit Bläsern als Rhythmussektion. Powermetal mit Blech. Irgendwie sowas. Und statt Metal dann Punk. Die Analogie beginnt zu bröckeln.
So, zurück zum Beton und der Musik: Talco sind toll. Ein wenig hab ich die nach dem Combat Circus-Album von 2006 aus den Augen verloren und die Mazel Tov nur noch am Rande mitbekommen. Seitdem sind noch drei Alben und eine EP dazugekommen. Poah. Auch hier vor Beginn nochmal fix in das neueste Album reingehört. Scheiße, hätte ich das mal früher gemacht. Schnell, schneller, Talco. Und so viele Lalalas und Ohohohos, was einem wirklich entgegen kommt, wenn man absolut kein Italienisch spring. Dafür hat sich der Latein LK doch gelohnt!
Beeindruckendes Portfolio, was hier geboten wird. Da kann man auch mal mit El Sombra oder Il Tempo vom 2015er Werk anfangen und mittendrin Knallersongs wie L'odore della morte verbraten. Wäre bei anderen Bands DER Song für die Zugabe, damit alle nochmal den geilsten Song am Ende abfeiern, aber nö, hier nicht. Dazu ständig Leute auf der Bühne, Stagediver, oder sich einfach mal neben den Trompeter hocken. Der sonst seine Füße nicht stillhalten konnte und wie ein Derwisch über die Bühne fegte und ständig das Publikum zum 123durschdrehn aufforderte.
War dementsprechend auch unmöglich, halbwegs heil von rechts nach links zu kommen. Party Party Party was geht ab? Extase, alle Glücklich, alle froh.
Wenn man genau hinsieht, tropft da ein kleiner Topfen von der Nase und perlt auf die Oberlippe. Wieso nicht einfach Talco statt Heizung?
Weil man dann bestimmt auch mitklatschen müsste. Ach, drauf geschissen, ist bei Talco zum Glück nicht so aufgesetzt wie bei anderen Bands. Und heute Abend fressen ihnen sowieso alle aus der Hand und machen mit. Gab's nicht auch noch 'ne Wall of Death? Hurricane, ick hör dir trapsen. Kritikpunkte des Abends: Im Gesamtpaket kann die Musik schon ein wenig eintönig wirken, dieses Uffta-Uffta-Schlagzeug und das nächste Trompetensolo. Aber wie ein selbstfahrendes Auto von Tesla nehmen Talco (OHA DIESE NAMENSÄHNLICHKEIT!!!!) gekommt die Kurve und biegen ab in Richtung Gewinnerstraße. Äh. Oder so. Bis auf diese St. Pauli-Abfeierei, das ist kacke.
Bella Ciao, Danza dell'Autunno Rosa, Dalla Pallida Mirò, Neverdad, Tortuga und La Torre und ach was da alles zu hören war. Keine Platte von Talco kommt auch nur annähernd an diese Liveenergie ran. Zumal man live auch ungeniert die Bläserparts mitsingen kann. Dödödödö dödödööö. Kommt man sich zu Hause doof vor, was sollen die Nachbarn denken?
Kurze Pause mit Mucke vom Band, dann noch 'ne "Zugabe", nochmal alles rausknallen, alles abfeiern, da steht kein Mensch still. Sound 1A, jedenfalls hier vorne, andere Quellen behaupten, dass es schlecht abgemischt wäre. Soll an dieser Stelle explizit erwähnt werden. Aber ich bin ein Banause und sowas fällt mir vielleicht auch einfach nicht auf?
Jo, Talco, meine Damen und Herren. Gerne wieder, wird auch nach dem keine Ahnung wievielten Mal nicht langweilig. Schön auch, wenn man am Ende zu dieser Perle italienischer Popmusik die Bühne nochmal betritt, um sich ein letztes Mal abfeiern zu lassen. Video auf sich wirken lassen, was für ein Tanzstil. Erinnert entfernt an Elaines little kicks.
War sonst noch was? Anziehen, DA am Merchstand Gesellschaft leisten, da nur der Bassist die Meute von 10000 Konsumenten in Schach hielt, Bierchen aufs nächste Mal verschieben, wenigstens noch das Pumpenportal einnehmen, um ein kleines Zeichen zu setzen und dann ab ins Bett. Vielen Dank, bis zum nächsten Mal!