Spandau, Lester, 04.06.2017 in Hamburg, Astra Stube - Bericht von Fö
Spandau, 04.06.2017 in Hamburg
Was tagsüber so geschah, darüber verliere ich mal in diesem öffentlichen Tagebuch keine Worte. War aber auch toll. Zumindest sitzen wir irgendwann gut gesättigt und mit Bier in der Hand vor der Astra Stube, verabschieden die letzten Sonnenstrahlen und sind mal gespannt, was uns heute die Livemusik so abverlangt.
Geht los mit LESTER! Die haben es kürzlich mit ihrem Debütalbum "Die Lüge vom großen Plan" gleich zweimal in die Führerecke vom Plastic Bomb geschafft, auch bei Bierschinken rauschte die Scheibe unten durch, was kann einen da noch erwarten?
Zunächst mal: Es stimmt tatsächlich alles, was unser werter Kollege, äh, Kollege hier attestierte: Live kann das tatsächlich was! Gut gespielt und soundtechnisch doch irgendwie ne eigene Kiste, das ist in diesem ganzen deutschsprachigen Indie/Punk-Sumpf gar nicht so einfach.
Zudem bringt die Band die nötige Portion Lockerheit auf die Bretter. Ob es an den paar Bier liegt, wie vom Sänger vermutet, oder am letzter-Tag-der-Tour-Hangover, oder ob sie echt immer so drauf sind - who cares. Hauptsache gute Laune.
Jedenfalls hagelt es amüsante Sprüche, ob jetzt über oder gegen Hamburg und Hamburger Leute, das sei mal dahingestellt, es werden auch noch Besucher persönlich begrüßt und Bandmitglieder gebissen - ja, tatsächlich! - ne sehr intime Show also, möchte man meinen. Gestern waren die Ansagen besser, sagt Paloma. Paloma, das ist die Stimme aus dem Off.
Liegt natürlich auch an den Umständen: Die Astra-Stube ist so herrlich klein, hier macht es überhaupt keinen Sinn noch über zu wahrende Distanz zwischen Band und Publikum nachzudenken. Perfekte Größe für ein gemütliches Konzert.
Andererseits: Das Publikum scheint sich doch um Distanz zu bemühen, das fällt mir auch bei den nun folgenden SPANDAU auf. Ich las letztens noch in einem Konzertbericht vom dort so genannten "Hamburger Halbkreis" und war leicht amüsiert, gibt es doch diesen Halbkreis-Abstand auch bei Konzerten außerhalb der Hansestadt...
...aber heute kriege ich dann doch mal mit, dass der Hamburger Halbkreis was besonderes ist, dem Hamburger heilig möchte man meinen. Selbst in einem Laden, in dem für sowas eigentlich überhaupt kein Platz ist. Da ist es direkt unangenehm, dass wir den mysteriösen Halbkreis-Bann jäh durchbrechen, als wir die Astra Stube wieder betreten.
Also dann, Ohren auf für SPANDAU! Ich freu mich immer wenn ich die Jungs auf ner Bühne sehe, kommt ja alle Jubeljahre mal vor. Und heute erstmalig in ihrer Heimatstadt Hamburg! Wuhu! Spot an für Spandau!
Spots sind in dem Falle ernst zu nehmen, lässt die Lichtanlage heute doch nur punktuelle Beleuchtung zu. Aber wann hat man schon mal einen so gut ausgeleuchteten Drummer und so gar nicht ausgeleuchtete Gitarristen? Na eben!
Spandau erklären heute ihren Ausstieg aus dem Klimaabkommen und freuen sich dementsprechend darüber, dass hier noch keine Stromsparleuchten verbaut sind, sondern eher Heizkörper mit Leuchtfunktion. Auch sonst gleicht der Auftritt einem Werbefeldzug für den Klimawandel. Waren Spandau auf der Bühne schon immer so witzig? Weiß ich gar nicht mehr. Ich erinner mich nur an Witzekönig Bernd. Hast du mal ein Q-Tip?
Egal. Musik. Gibt ne schöne Rundreise durch aktuelle und vergangene Veröffentlichungen, was auch gar nicht so schwer ist, schließlich ist die aktuelle Veröffentlichung ein Bestof zum 20jährigen. Da können die ewigen Jungspunde echt mal stolz drauf sein. Also gibt es die große Packung Gefühlsduselmusik. Mal träumerisch-melancholisch, mal flott und aufbauend, aber immer schön melodieverwöhnt.
Macht ganz großen Spaß, das! Weil's hier nicht einfach nur darum geht, bloß die Songs runter zu zocken, da bleibt auch Platz für augenzwinkernde Ansagen, für Persönliches und für Geschänker mit den Zuschauern. Spandau sind so ne Band, die man sich ins Wohnzimmer stellen könnte.
Pünktlich 23 Uhr muss Schluss sein mit Livemusik. Man muss ja schließlich Rücksicht auf die Anwohner nehmen. Die Astra Stube befindet sich übrigens unterhalb einer Eisenbahnbrücke an einer Straßenkreuzung. Nicht auszudenken, was passiert, wenn die Anwohner zwischen Lärm von Eisenbahn, Autos und Sirenengeheul auch tatsächlich noch durch Musik gestört würden. Für mich ist das aber genau perfekt, um noch meinen Bus nach Hause zu kriegen. Juhu!
Also: Schöner Tag in Hamburg, toller Ausklang fürs Wochenende. Nur der Aufbruch war dann doch etwas überstürzt. Dafür hatte die Rückfahrt fast schon Nightliner-Momente. Aber das ist ein anderes Thema.