Störfaktor Festival Tag 2: Totalverdummung, Endstation Chaos, 20 Liter Yoghurt, Erotic Devices, Kaput Krauts, Henry Fonda, Risk It!, 07.07.2017 in Zwickau, Flugplatz - Bericht von Zwen
Störfaktor Festival Tag 2, 07.07.2017 in Zwickau
Tatsächlich ist es ziemlich heiß. Immerhin gehen leicht erfrischende Böhen durch unsere klatschnassen Schlüppis und dies möchte ich am ersten richtigen Tag Festival noch nicht auf den Dosenfraß zurückführen.
Irgendwann höre ich ein leises Brutzeln, ich bin mir nicht ganz sicher, ob das meine Gehirnzellen oder meine langsam verbrennende Haut ist. Egal, Käptn Iglo macht jetzt erstmal ein Mittagsschläfchen.
Heute übrigens schon der 948. Punker, den Sabrina mit einem beherzten Griff unter meinem Auto hervorzieht. Da hat sich das G20-Eskalationstraining auf der Hirsch Q-Toilette doch wirklich mal gelohnt.
Jetzt, da wir ja alle ein schönes Nickerchen gemacht haben und unsere Badelatschen äh ich meine Springer geschnürt haben, kann es losgehen mit TOTALVERDUMMUNG. Die legen doch schon mal gut vor. Es gibt Deutschpunk, der ohne Peinlichkeiten und relativ frisch und authentisch vorgetragen wird.
Wie an den T-Shirts gut zu erkennen, handelt es sich hier um eine Band, die sich zu großen Teilen aus dem Ordnerumfeld rekrutiert. Denen kann man auch ruhig mal ein Bier ausgeben. Dem Sänger vielleicht lieber ein Eis, schließlich war dieser die meiste Zeit damit beschäftigt, an den unmöglichsten Orten rumzuliegen.
Treffenderweise wird dann noch Knochenfabrik gecovert. Ich glaube es war "Filmriss". Würde jetzt aber nach drei Tagen Non-Stop-Kanne-Geben nicht mehr drauf wetten.
Band Nummer 2 sind dann ENDSTATION CHAOS, die da ja eigentlich den perfekten Bandnamen zum Wochenende haben. Leider will die Musik bei mir nicht so ganz fruchten.
Musikalisch ist mir das zu eintönig und der Gesang eine Spur zu prollig. Das Set wird dann auch plötzlich und unerwartet von in Sturzbächen herunter fallenden Regenschauern unterbrochen.
Das halbe Festival flüchtet sich erstmal ins Partyzelt, während das eigentlich Gewitter über dem Plattenbau am Horizont niedergeht. Immerhin haben es meine Mitreisenden geschafft, mein Zelt (zumindest zur Hälfte) zu schließen. Danke!
Das Wetter kann uns jetzt nichts mehr anhaben, 20 LITER YOGHURT spielen nämlich im Zelt und produzieren eine ordentliche Hardcore-Wand.
Stellenweise erinnert mich das ein sogar ein wenig an Wolf Down. Dann sind da aber noch einige andere Einflüsse drin. Auf Platte konnte mich die Band nicht so von sich überzeugen, aber live ist das echt eine Macht.
Der erste Gedanke auf den man ja bei dem Namen kommen könnte, nämlich, dass es sich hier eventuell um eine Fun-Band handelt, ist definitiv falsch. Politischer Hardcore at its finest!
Auch showtechnisch gibt es hier nichts zu meckern. Der Sänger bewegt sich auch ins Publikum, um da ein bisschen zu eskalieren.
Wieder auf dem Zeltplatz gibt es indes eine kleine Überraschung: "Hör mal wer da hämmert" wird tatsächlich fortgesetzt. Zwar in komplett anderer Besetzung, dafür aber mehr so als Impro-Theater. Der Hauptdarsteller (unser Zeltnachbar) findet nämlich irgendwo noch ein paar Stangen, rammt diese in den Boden, legt noch eine Plane drauf und schafft sich somit eine kleine Sommerresidenz. Angeblich hat man ihn sogar darunter liegen sehen. Ich weiß das nicht, ich habe Bands geguckt.
Zum Beispiel diese KAPUT KRAUTS. Die liefern sich heute einen kleinen Genitalvergleich in Sachen Deutschland-Devotionalien mit Henry Fonda. Dazu aber später mehr. Auftrittstechnisch bin ich hin und her gerissen. Irgendwie echt gut, aber irgendwie auch scheiße und ein bisschen so wie immer.
Herm einerseits schüttelt sich bei seiner Angus Young-Show ordentlich einen ab, während Tim doch ein bisschen verkrampft wirkt. Außerdem kommt der Gesang nicht so fett.
Insgesamt reicht es dann aber doch, dass ich mich über Songs wie "Dude, what the fuck" oder "Auto" doch ganz schön freue und den Finger in die Luft recke.
Mir persönlich haben dann auch noch ein paar Hits gefehlt, aber das ist jetzt wieder dieses typische Rummäkeln eines überfütterten Bierschinken-Redakteurs.
Dann HENRY FONDA. Das ist dann wieder so ein Spastic Fantastic-Dingen, was eigentlich niemand ernsthaft hören kann, außer Kiddie-Punks, denen es nicht mehr reicht Papas BMW zu Schrott zu fahren, mit den grünen Haaren bei der Firmung ins Weihwasser zu kotzen oder in die Küche der Eltern zu kacken, sondern ihren Mitmenschen die ganz harte Dosis Krach geben müssen.
Henry Fonda haben auch eigentlich nur zwei Songs. Der eine heißt "BRUWWBÖHLWÄAH" und der andere "BUURAALOOÄÄH". Ich mag sie beide nicht.
Dann gab es noch einen kleinen Eklat aufgrund eines rumpöbelnden Typens, der sich dann, als der Bassist ihm sein Mikro anbietet um die Sache zu klären, doch lieber verpisst. Ich glaube die Aktion entsprang entweder aus dem natürlich nicht ernst gemeinten Spruch in Richtung Kaput Krauts: "Die Deutschladflagge vom Fossi ist noch schwarz-weiß-rot" oder daraus dass der Bassist die noch halb volle Ravioli-Dose des Punkers verschmäht hat.
Die EROTIC DEVICES sind nach so einer Vergewaltigung der Hörmuschel wirklich eine Wohltat. Es gibt - krasser könnte der Bruch wohl nicht sein - dahinflötenden 1234-Ramones Pop-Punk. Natürlich inklusive Ramones-Cover (Rockaway Beach).
Gut gemacht, da kann man sicherlich nichts sagen, andererseits unterscheidet sich für mich so eine Band nicht wirklich von anderen Vertretern des Genres, wie z.B. den Burger Weekends.
Jetzt aber wieder schnell ins Zelt und ordentlich Hardcore pumpen. RISK IT! drehen gut auf. Gesehen hatte ich die Band ja schon mal auf einem Hardcore-Fest in Krefeld, dort sind sie aber im Wust der vielen sehr guten Bands für mich einfach abgesoffen.
Heute nutzen sie aber die Alleinstellung als einzige Vertreter ihres Genres und die kleinere Bühne gut aus und bringen das Partyzelt wirklich schön zum Beben.
Das einzige was ich aber echt nicht verstehe ist die Tatsache, dass vor allem junge Hardcore-Bands immer ein derart beschissenes Publikum ziehen, deren Gewaltpotential manchmal auf gleicher Höhe mit einer G20-Hundertschaft avanciert.
So ereignet sich folgende Situation: Wir stehen am Rand des Pits und irgendwer stolpert beim Moshen und schlägt dabei versehentlich Karlotta die Faust ins Gesicht. Soweit alles okay, da kann man sich vielleicht entschuldigen und alle sind wieder Freunde. Außerdem ist Karlotta ja auch echt nicht zum ersten Mal auf einer Hardcore-Show und hat da auch schon die ein oder andere Geschichte er- und überlebt, die deutlich schlimmer war (Nase zermatscht olé). Ich denke einfach mal, dass jeder, der sich direkt an den Pit stellt, einfach damit rechnen muss, dass er oder sie halt auch mal einen mitkriegen wird.
Soweit also so gut, wenn jetzt nicht irgendson Hardcore-Bollo das gesehen hätte und nun den Dicken markieren musste. Statt wenigstens zu versuchen, das irgendwie friedlich zu klären, wird einfach nur der testosterongesteuerte Beschützerinstinkt aktiviert und wie ein Berserker auf den völlig überraschten Faustmenschen eingedrischt. Dieser ist so verdutzt, dass er auch direkt mal ausgeknockt wird und seine Stirn aufplatzt. Wir und die Leute neben uns haben jetzt erstmal alle Hände voll damit zu tun, die Kampfhähne auseinanderzuziehen bzw. den einen davon abzuhaltenden auf den blutend am Boden liegenden Typen einzutreten. Zum Glück können wir das aber schnell entschärfen, sodass wir eben Ordner holen können, die jedenfalls sehr besonnen und intelligent reagieren.
Ich frage mich tatsächlich, wie hirnverbrannt man sein muss, um in so einer Situation so über zu reagieren. Naja, Risk It! haben die Aktion wohl überhaupt nicht mitbekommen. Ist auch glücklicherweise bis auf eine Platzwunde an der Stirn nichts passiert. Nochmal danke ans Ordnerteam für die schnelle Hilfe.
Puh, aufgrund des Vorfalls habe ich jetzt gar nicht so viel von Risk It! gesehen. Das, was ich mitbekommen habe, hat mir aber gefallen. Aber wie wärs denn mal, wenn die Leute, die so einen Pit immer mit einen Fight Club verwechseln einfach mal statt auf ein korrektes Festival auf eine Nazi-Demo gehen und dort mal ein paar High-Kicks vollführen? Bis morgen...