Persistence Tour: Sick of it all, Ignite, Municipal Waste, Take Offense, BillyBio, Walls of Jericho, Siberian Meat Grinder, Booze & Glory, 26.01.2019 in Oberhausen, Turbinenhalle - Bericht von Zwen
Persistence Tour, 26.01.2019 in Oberhausen
Dort spielen gerade TAKE OFFENSE. Die zelebrieren ein amtliches Hardcore-Gedresche mit viel Hall und satten Soli von der Metal-Axt. Kann man machen. Die Band wirkt nur, obwohl der Sänger doch ziemlich viel Bewegung ins Spiel bringt, ziemlich verloren auf der großen Bühne.
Womit wir auch schon bei einem großen Problem der Persistence Tour wären: Hardcore gehört meiner Meinung nach einfach nicht in die großen Hallen und auf riesige Bühnen. Da müssen doch Leute auf die Bühne rennen und nicht hinter einem meterbreiten Graben stehen. Aber mir ist natürlich schon klar, dass man so ein fettes Konzert mit diesen Bands jetzt nicht mal eben ins Wageni packen kann.
Dafür ist der Preis mit 35€ aber sehr fair. Rechnet man das auf jede Band runter, so habe ich heute für jede Band, die ich gesehen habe, einen 5er gelatzt. Da kann man doch wirklich nicht meckern. Vor allem weil Sick of It All ja nicht mal eben aus Düsseldorf angereist sind. Außerdem waren es ja sogar acht Bands. Wir haben halt nur Cutthroat, die heute den Opener gemacht haben, verpasst.
Die Lichtshow indes ist auch sehr amtlich und wird auch zum Glück nicht so oft nervig. Dafür ist der Sound nicht so differenziert, aber das war ja wirklich zu erwarten. Immerhin drückt das Schlagzeug gut und die Bass klingt jedesmal als würde jemand einen China-Böller D zünden.
Take Offense also soweit in Ordnung für den Start. Jetzt kommen SIBERIAN MEAT GRINDER. Ich muss gestehen, dass ich ein wenig Angst habe, zumindest habe ich die Band noch nie auf einer großen Bühne gesehen. Generell ist mein letztes Mal schon wieder einige Zeit her. Mittlerweile ist auch das neue Album erschienen und heute auch schon wieder gar nicht mehr so neu. So wird auch viel von eben diesem gespielt, während ich merke, dass ich bei diesen Songs gar nicht so textsicher bin. Frevel!
Ansonsten funktioniert der Grinder auf der großen Bühne aber genauso gut wie auf der kleinen. Es wird mitgegrölt, der Kopf geschüttelt und es entsteht ein nicht zu verachtendes Gewusel im Moshpit. Apropos Kopfschütteln; sie haben wieder Matten!!
Zum Schluss kommt dann noch, damit Vlad nicht so alleine unter seiner Maske schwitzen muss, ein Typ im Bärenkostüm zu dem Bühnenbild hinzu. Ich bin ein bisschen unentschlossen. Auf der einen Seite eine coole Aktion, auf der anderen erinnert das Gewinke und Gepose dann doch ein wenig an Kindergeburtstag. Ich überlege gerade, dass es vermutlich gar nicht auffallen würde, wenn man den Bären jetzt hier rausschneiden und dann 1:1 in die Landschaft des Heidepark Soltaus einfügen würde. Andererseits bin ich natürlich immer dafür, wenn Musik nicht so bierernst zelebriert wird.
Bier ist auch ein gutes Thema. Heute muss man sein hart verdientes Geld jedenfalls gegen Wertmarken eintauschen. Ufff! So eine Scheiße boykottiere ich ja aus Prinzip. Immerhin sind die Bierpreise an sich nicht so teuer wie ich zunächst befürchtet hatte. Zwar sind 3€ für ein 0,3l Bier immer noch happig, ich hatte aber im Vorfeld eher mit 5 gerechnet.
Als nächstes steht dann BILLYBIO auf der Bühne. Das ist die neue Band rund um den Sänger von Biohazard. Im Vorfeld wurde ja viel über den Namen gewitzelt. Heute glaube ich, dass die diesjährige Persistance Tour tatsächlich ein übergeordnetes Motto hat. Dieses dürfte in diesem Jahr - zumindest, wenn man mal etwas genauer auf die Bandnamen achtet - "Essen & Müll" lauten. Finde ich gut; sind schließlich beides sehr zentrale Themen in meinem Leben.
Wo wir gerade beim Thema Essen sind. Irgendwas scheint mit den heute angebotenen Frühlingsrollen oder der Pommes-Currywurst nicht zu stimmen. Zumindest ziehen immer wieder übel riechende Hardcore-Fürze zu uns rüber. Bah! So was ekliges riecht man ja selbst auf Punkfestivals selten. Da bekommt der Begriff "Open up this motherfucking pit" ja mal eine ganz anderen Bedeutung.
Jetzt habe ich noch gar nichts zu BillyBio geschrieben: Zunächst mal sind wir ein bisschen verwundert, weil der Typ mit Headset singt und da er sehr viel rumrennt, sieht es so aus, als würde überhaupt niemand singen und der Gesang käme aus der Dose. Nach einer kurzen Weile gewöhnt man sich aber dran und kann sich voll und ganz auf das Brett einlassen.
Es gibt viel Zeugs vom neuen Album "Feed The Fire" zu hören u.a. den Song "Freedom's never free", aber auch ein paar alte Gassenhauer von Biohazard. Gutes Programm und dafür, dass Billy seine Lippen nicht auseinanderkriegt, hat er ein ganz schön donnerndes Organ.
Absolutes Highlight "Judgement Night", wo die Rap-Parts irgendso ein Typ aus dem Tourbus übernimmt und seinen Job sehr gut macht. Billy kann indes mal wieder ein wenig rumrennen und -springen.
Als nächstes dann BOOZE & GLORY. Den Satz: "Boah, die passen ja gar nicht ins Line Up" habe ich wohl mindestens 10 Mal gehört. Dennoch scheinen die polnischen Londoner ihre Hausaufgaben gemacht zu haben und spielen weniger Midtempo, sondern viel mehr die schnellen Sachen. "London Skinhead Crew" wird direkt als Opener verbraten und kann auch stimmungstechnisch den Rest des Auftritts nicht mehr überboten werden.
Trotzdem kann man auch hier wieder nicht meckern. Auftritt wird sehr souverän durchgezogen. Auf prollige Ansagen wird, wie bei allen Bands heute Abend verzichtet. Das einzige, was ein wenig nervt ist, dass auch Booze & Glory wie jede andere Bands des Abends einen Circle Pit einfordert, aber ohne geht wohl einfach nicht und die Tanzfraktion war ja auch guter Dinge. Also, warum nicht?
Kann es sein, dass in den letzten Jahren die Besetzung komplett gewechselt hat? Oder nur der Bandfriseur?
So, jetzt ist aber vorbei mit Schonfrist, denn WALLS OF JERICHO betreten die Bühne und prügeln mit mal eben dem lautesten und kompromisslosesten Schlagzeug-Sound jeden einzelnen Knochen zu Klump. Sängerin Candace ist wie immer eine Wucht und geht auch heute wieder komplett in die Vollen. Wahnsinn!
Ansonsten ist das heute auf der Bühne, sieht man von Roadcrew, Presse und Freunden der Bands mal ab, wieder mal ein reiner Alt-Herrenclub. Der Durchschnittsbesucher/-musiker ist heute Mitte 40 und männlich. Was aber jetzt auch nicht so überraschend ist. Nur schade.
Ach, eigentlich will ich da auch gar nicht jedes Mal drüber schreiben, aber irgendwie möchte ich es dann doch erwähnen.
Walls Of Jericho geben aber wie eben schon betont einfach nur richtig Gas. Auch die Ansage der Sängerin, man solle mal ein bisschen für Menschen abdrücken, die nichts haben, finde ich sehr gut. Hier auch der Verweis auf Hardcore Help Foundation. Die tun Gutes! Also, vielleicht ein Bier weniger trinken und dafür dann einfach mal einen 5er abdrücken. Tut nicht weh.
Walls Of Jericho geben aber wie eben schon betont einfach nur richtig Gas. Auch die Ansage der Sängerin, man solle mal ein bisschen für Menschen abdrücken, die nichts haben, finde ich sehr gut. Hier auch der Verweis auf Hardcore Help Foundation. Die tun Gutes! Also, vielleicht ein Bier weniger trinken und dafür dann einfach mal einen 5er abdrücken. Tut nicht weh.
Beim großen Finale verschlägt es dann Sängerin und Bassisten ins Publikum. So kann man doch echt mal einen Auftritt beenden.
Ein weiteres Highlight der Tour sind ganz klar die Thrash-Metal-Hardcore-Punks von MUNICIPAL WASTE. Die haben mich vor ein paar Jahren am gleichen Ort schon total umgehauen. Leider war der Auftritt damals wirklich unverschämt kurz. Heute ist aber alles besser und die Auftrittslänge passt perfekt. Generell fand ich die Stagetime aber bei jeder Band ziemlich ausgewogen. Außerdem hat sich keine der sieben Bands berufen gefühlt, eine Zugabe zu spielen. Das sieht man wirklich auch nicht alle Tage und ist ein sehr fetter Pluspunkt für Veranstaltung und Bands.
Natürlich gibt es auch hier wieder ordentlich Action und einige Circle Pits. Kompromissloses Geballer, wenig Atempausen und eine trotz langjähriger Drogenexzesse immer noch sehr agile Band. Läuft!
Klar, von mir aus hätten se auch gerne ein paar Stunden spielen können, aber so war das auch in Ordnung. Außerdem kommen ja noch zwei Bands und so langsam beginnen die letzten Tage an mir zu zehren.
Egal, bei "Born To Party" kann ich einfach nicht anders. Da muss ich mich noch mal in den Pogo schlagen. Zum Glück ist das Lied nicht wirklich lang. Leider wird heute "I wanna kill the president" nicht gespielt. Schade, aber ansonsten war es wirklich ein großartiger Auftritt.
In der Umbaupause gehe ich mal auf Forschungsreise in den Pit. Für einige scheint dieser Abend mit ziemlichen Verlusten verbunden zu sein. Götz meinte auch, dass ihn jemand für seinen Mut gelobt habe, mit Brille in den Pit zu gehen.
Jetzt kommen aber IGNITE. Schön, wie sie auf meinen Fotos in kommunismusrotes Licht getaucht sind. Am Anfang sagt Zoli zwar, dass er heute nicht so viel labern möchte, tatsächlich heute aber die Band mit den meisten und vor allem längsten Ansagen. Natürlich gibt es auch ein Statement gegen Kommunismus und gegen Faschismus. Amerika ist ein tolles Land, momentan blöderweise nur von Inkompetenten und Korrupten regiert, die zwar selber Immigranten sind, aber heute keine mehr reinlassen wollen. Zolis Familie hat immer hart gearbeitet und es deswegen im Land Of The Free geschafft. Außerdem soll man zum Arzt gehen, wenn man Depressionen hat. Das waren wohl so ziemlich alle Aussagen von Zoli kurz zusammengefasst. Bald spielt er übrigens mit Zoli Band direkt nebenan im Kulttempel. Ob er da wohl auch so viel labert?
Aber genug gewitzelt, musikalisch ist das mal wieder großartig. Auch wenn ich ein bisschen erstaunt bin, dass es so wenig vom neuen Album "A War Against You" zu hören gibt. Vielleicht wollten Ignite ähnlich wie Booze & Glory gerade aber auch einfach nicht zu sehr aus dem Rahmen fallen.
Dafür gibt es vom ersten Moment an Feuer mit dem Opener "Poverty For All". Geiles Lied, auch wieder gegen Kommunismus. Haha! Ansonsten natürlich die Hits wie "A Place Called Home", "Bleeding", Judgement Day" und "Bleeding". Oh, und dann erklärt uns Zoli noch, dass der Circle Pit nicht an der Ost-, sondern an der Westküste erfunden wurde. Na, wenn er das sagt...
Dann gibt es noch ein ganz besonderes Highlight für Genießer, als nämlich Billy Biohazard noch mal auf die Bühne darf um mit Ignite "You're Only Gonna Die" von Bad Religion zu spielen. Diesmal ohne Headset-Klimbim. Götz freut sich und erklärt mir auch, dass Bad Religion selbst diesen Song so gut wie nie spielen. Schade, ist eigentlich eines der besten Lieder.
SICK OF IT ALL machen dann um halb 12 Line Up und Abriss komplett. Von der ersten Sekunde an wird einfach nur Vollgas gegeben. Ansagen beschränken sich auf ein Minimum und das ist nach der Laberbacke gerade auch gut so.
Übrigens wird die mächtige Wall Of Death (irgendwie eine erfrischende Abwechslung zu den 4000 Circle Pits) nicht nur im Publikum zelebriert, sondern auch auf der Bühne.
Definitiv lustig mit anzusehen, wie die Leute, die gerade noch sich um Bühnenaufbau oder Fotos gekümmert haben, jetzt über die Bühne wirbeln und Arme und Beine durch die Gegend schmeißen.
Zu hören gibt es dann einen bunten Mix aus allen Dekaden. Vom allerersten Song bis zum erst kürzlich erschienen Album "Wake The Sleeping Dragen" war alles dabei.
Weiterhin positiv aufgefallen ist mir, dass es heute wenig Lokalpatriotismus gab. Okay, Sick Of It All verzichten da eh weitestgehend drauf, aber auch bei den anderen Bands gab es wenig in die Richtung zu hören. Soll ja auch Bands geben, die keine 5 Minuten aushalten ohne "NEW YORK" irgendwo reinzubrüllen.
Dann kommt aber das unvermeidliche: Das Ende eines großartigen Abends. Lou nimmt noch ein letztes Bad in der Menge und obwohl immer mal wieder Schnipsel von der Decke fallen, wird am Schluss leider nicht die Dschungelkönigin bekanntgegeben. Wir müssen also leider sowohl auf Funken- als auch Konfettiregen verzichten. Schade!
Immerhin gab es während der Shows immer mal wieder fliegende Plastikbecher. Ich finde es gut, wenn sich die Bands für so viele soziale, aber auch ökologische Projekte einsetzen. Die "World Plastic Fundation" kann ja heutzutage wieder aufatmen: Ocean Cleanup funktioniert nicht so wie es funktionieren sollte und wenn wir die ganzen Becher, die heute zusammengekommen sind ins Meer werfen, können wir locker 20 Müllsammel-Aktionen wieder ausgleichen.
Ansonsten: Toller Abend!
Ansonsten: Toller Abend!