Bokassa, Puppy, Bite, 16.12.2019 in Dortmund, FZW - Bericht von der Redaktion
Bokassa, 16.12.2019 in Dortmund
Wenn mich mein Elefantengedächtnis nicht täuscht, heißt die Band, die dir da auf die Ohren gedrückt wurde, "Eyes wide open" und ist aus Schweden. Nur der Vollständigkeit halber.
Auf Bokassa aufmerksam geworden bin ich tatsächlich erst durch den FZW-Konzertkalender. Ins aktuelle Album "Crimson Riders" reingehört, für gut befunden, und nun stehen wir hier. Bin mal gespannt! Ich war ja lange auf keinem Metal-Konzert mehr. Die Revolution ist ohne die sozialen Medien vermutlich nicht mehr möglich. Aus diesem Grund ist dort auch der Bierschinken zu finden und versorgt alle Interessierten regelmäßig mit Content. Warum ich das so lang und breit erzähle? Nun, ohne die Werbung bzw. das Sharen seitens des Schmierblattes meines Vertrauens wäre ich wohl nie auf diese Band aufmerksam geworden. Netterweise wird dann sogar kurzfristig die Gästeliste um eine Person (Fö +2!) erweitert, weshalb ich nun auch die Gelegenheit habe, meinen musikalischen Horizont zu erweitern. Danke dafür. Bevor der Fö sich jedoch mit einem lauten Knall vor dem FZW manifestiert, müssen wir uns noch etwas gedulden. Die Wartezeit vergeht jedoch schnell, da uns irgendein Typ anlabert, der uns seine Band zeigen will. Portables Wiedergabegerät und Kopfhörer hat er auch dabei. Sehr vorbildlich! Soundtechnisch kann das Ganze auch was, auch wenn es nicht unbedingt meine Musik ist. Dennoch, ziemlich breites, druckvolles Schlagzeug trifft auf eine dicke Wand aus Gitarren. Leider habe ich mein Versprechen, mir den Bandnamen auf jeden Fall zu merken, natürlich nicht gehalten, weshalb euch und ihm meine Kritik an dieser Stelle wohl mal so überhaupt gar nichts nützt. Egal, Fö ist mittlerweile jedenfalls da und die von allen geliebte Secu im FZW öffnet die Türen.
Zunächst noch recht karg, füllt sich der Club des FZWs mehr und mehr. Zwar bestehen nach wie vor hier und dort Lücken im Gesamtbild, aber für einen Montag ist das völlig okay. Ein bisschen überrascht sind wir dann doch, als wir kein einziges bekanntes Gesicht im Publikum ausmachen können. Klar, ist jetzt kein Deutschpunk heute Abend, aber die ein oder andere Überschneidung hätte es ja schon geben können. Würden sich die Anwesenden etwas mehr in unserem Punkrock-Kosmos bewegen, wüssten sie jedenfalls, was stiltechnisch geht und was nicht. Immerhin ist das Publikum gut durchmischt. Der Nachwachs schüttelt wild die Haarpracht und schwingt das Tanzbein, während die Erwerbstätigen sich an der Bar festhalten und hin und wieder mit dem Fuß wippen.
Den Auftakt heute Abend machen BITE. Eine zwei Mann-Combo, was ja in diesem Stoner-Rock-Genre nicht ganz ungewöhnlich zu sein scheint. Eröffnet wird mit einem psychedelischen Opener-Song über Cornflakes. Ziemlich artsyfartsy, zum Glück wird aber zurückgesprungen zu solidem Rock. Das ist dann für mich etwas leichter verdaulich, wird aber mit der Zeit auch etwas eintönig, weshalb ich dann zugegebenermaßen froh bin, als die Band signalisiert, dass sie mit ihrem Auftritt durch ist. Irgendwie fehlt mir bei derartigen Rockbands, die nur im Duett auftreten auch immer etwas.
Für die Tour durften sich an jedem Tourstopp Supportbands bewerben. Faire Geste eigentlich! In Dortmund haben BITE das Rennen gemacht unter, Moment, ich schau mal kurz nach, 1 Teilnehmern. Was da los ey? Solider Opener, aber für eine Noise-Rock-Punk-Band mit experimentellen Elementen, hätte ich mir mehr Noise und experimentelle Elemente gewünscht. Oder ein Theremin. Generell: ruhig mal übertreiben, das kann schon überall fiepen und rauschen und übersteuern.
Ich fand das gut so, bei 25 Minuten Set wäre meine Kritik eventuell auch etwas negativer ausgefallen.
Einigen wir uns auf 22,5 Minuten optimale Spieldauer. Die Band spielt mit einem sogenannten "Wanderschlagzeug", das man normalerweise nur aus kleinen Jugendzentren kennt. Es bewegt sich mit jedem Taktschlag einen halben Zentimeter weiter gen Bühnenrand. Faszinierendes Spielchen. Musik fand ich ansonsten soweit ganz gut, Gesang war nicht ganz so meins, aber insgesamt für gerade mal 20 Minuten Auftrittszeit (was ich ja schon etwas frech finde...) voll okay.
Funfact: ich dachte die ganze Zeit, es gäbe nur eine Vorband mit dem Namen PUPPY, BITE. Lustig, oder?
Das wäre mal ein guter Bandname! Als nächstes dann die Band, deren Namen wir erst nach mehreren Anläufen verstehen: PUPPY. Alternative Rock der 90er, was gut zu dem Jahrzehnt passt, in dem wir uns am heutigen Abend befinden. Puppy also deutlich mainstreamlastiger als Bite, nur halt etwas aus der Zeit gefallen. Da im Publikum jedoch auch einige Tool-Hörer zu sein scheinen, trifft die Band am heutigen Abend eigentlich ganz gut den Geschmack.
Der Schlagzeuger von PUPPY ist eins von zwei Highlights des Abends. Spielt, als ginge es um sein Leben und macht andauernd lustige Dönekes mit seinen Drumsticks.
Hauptsache die Becken hängen schön hoch.
Musikalisch bin ich zwiegespalten. Ich fand diesen 90er-Alternative-Rock damals schon lahm, außerdem nehm ich ihm übel, dass er mir diverse Lieblingsbands zerstört hat, weil die unbedingt auf den Zug aufspringen mussten und ihr Stück vom Grunge-Kuchen abhaben wollten. Hallo? Kein Mensch mag "Subhuman Race" von SKID ROW und auch "Soul Searching Sun" ist definitiv nicht das beste Album von LIFE OF AGONY.
Jock Norton? Das klingt ja wie eine Firma für Outdoor-Utensilien oder irgendwas mit Technik.
Seht ihr? Bierschinken arbeitet sich nicht nur an den Äußerlichkeiten der Bands ab, sondern nimmt auch andere Dinge in den Fokus! PUPPY kann ich ihre Genre-Affinität aber irgendwie nicht übel nehmen, die scheinen da ernsthaft Spaß dran zu haben. Und das ein oder andere coole Riff ist schon dabei und einprägsame Melodien hat die Band auch drauf, einzig der Gesang ist nicht so meins. Zwar ist Jock Norton ein wahres Goldkehlchen, aber mir ist das zu sanft, zu lieblich und irgendwie zu langgezogen.
Ich muss mich da auch erstmal warmhören, find's dann aber eigentlich ganz cool. Das Tempo passt, die Gesangsstimme ist ungewohnt aber doch irgendwie passend, Instrumente beherrschen sie auch. Und sogar mitsingende Fans haben sie bereits!
Ulrich? War das nicht son Fahrradfahrer? Spaß beiseite. Wir rätseln, ob der kleine Junge mit dem Metallica-Backpatch eventuell Lars Ulrich ist, wer sonst würde freiwillig mit sowas rumlaufen?
Klar, das war der 90er-Jahre Ulrich. Danach dann endlich die Lieblingsband von Lars Ulrich. Den findet ihr sonst hinter den Kesseln bei METALLICA oder im Duden unter "larsulrichen" (verb - "eine Tätigkeit mit großem Selbstbewusstsein, aber von minderer Qualität ausführen").
"Das wurde uns auch schon falsch ausgelegt" war ein Zitat der Band, das ich bezüglich das Namens in den weiten des Internets gefunden habe. Was das nun genau bedeuten soll...
Puh. Wie eine Band es schafft, allein durch die Wahl des Bandnamens nachträglich Sympathiepunkte zu verlieren. Wie kann man den Bandnamen eigentlich "richtig" verstehen?
Ich denke tatsächlich, dass der Name zum einen cool klingt (ja, tut er) und zum anderen reine Provokation ist. Zumindest hoffe ich das und unter den Aspekten finde ich es auch nicht schlimm. Außerdem wurde meines Wissens heute Abend niemand gegessen. Obwohl Bokassa für Kannibalismus bekannt war. Solltet ihr kürzlich gegessen worden sein, schreibt es doch bitte in die Kommentare. Wir werden dem nachgehen. Die ganze Zeit schon frage ich mich, was denn ein BOKASSA ist und woher mir dieses Wort so bekannt vorkommt. Ein Blick in die Wikipedia klärt auf, Jean-Bédel BOKASSA war zwischen 1966 und 1979 Diktator der zentralafrikanischen Republik bzw Kaiser des zentralafrikanischen Kaiserreichs. Am 20.September 1979 wurde er gestürzt.
Ich hatte ja gehofft, Bokassa wäre irgendein putziges Tierchen. Hab ich dann wohl mit Puppy verwechselt. Nunja. Auftritt kommt aber gut! Der Club ist mittlerweile auch ganz gut gefüllt, die Quote an Bokassa-Bandshirts erstaunlich hoch. Geilste Szene, als ein Besucher voller Euphorie "BOKASSA!" ruft und der Sänger nur trocken kommentiert "uhm, yeah, that's the name of our band."
Bin überrascht, dass das tatsächlich nur drei Leute sind, ich hätte mehr erwartet. Dafür kommt der Sound dann auch nicht ganz so überproduziert wie von Platte, was ja auch Charme hat. Musikalisch find ichs ziemlich geil, das hat ordentlich Wumms und zugleich sehr auf den Punkt. Auch wenn der Gurt des Gitarristen macht, was er will und die ganze Zeit abrutscht, wird das einfach nur gekonnt überspielt.
Außerdem haben die Musiker während des ganzen Auftritts ein fettes Grinsen auf den Lippen und das obwohl sie jetzt schon einen Monat auf Tour sind. Ich finds ziemlich sympathisch, wenn nicht nur vor der Bühne signalisiert wird, dass Bock besteht. Übrigens musste ich den ganzen Abend daran denken, dass Backdrop/Albumcover so aussehen als könnten sie auch 1:1 in der Videospielreihe "Borderlands" vorkommen. Witzig auch, weil es in besagtem Spiel eine Widerstandsgruppe gibt, die Crimson Raiders heißt.
Ich hatte ganz vergessen, dass weite Teile der "Metal"-Hörer dieses Zeichen ja komplett unironisch einsetzen. Immer wenn ich eine Pommesgabel sehe, muss ich unwillkürlich lachen, als hätte jemand einen köstlichen Scherz gemacht. Und dann wunder ich mich, dass die daraufhin alle so ernst und böse gucken. Pommesgabel uber alles, Pommesgabel uber alles.
Sehe ich ähnlich. Eigentlich finde ich es auch mal ganz schön, nicht nur rotzbesoffene Nietenkaiser und Schlabberios zu sehen. Familienfest auf den Montag-Abend ist doch auch mal was nettes.
Mir fällt auf, dass der Moshpit ganz anders riecht als auf nem Punkkonzert. Irgendwie süßlicher und unschuldiger! Dabei war ich noch nie für meine feine Nase bekannt. Aber vielleicht ist die lediglich noch geschädigt vom Untergang-Festival.
Vanilla Kisses... Für einen Montagabend ist die Stimmung im FZW sehr ausgelassen. Es ist so ein bisschen wie auf einem Familienfest, die Teenies rennen fröhlich im Kreis, daneben rockt Mutti und zeigt die Pommesgabel und Papa setzt den Lütten einfach mal auf die Bühne. Nicht die Art von Konzert, die ich sonst so besuche, aber alle sind friedlich, freuen sich und machen gemeinsam Party.
Mich hat das auch überzeugt, "Crimson Riders" läuft bei mir auch seit Anfang der Woche in Dauerschleife. "Captain Cold One" ist für mich auch so ein Überhit! Der Rest der Platte ist aber auch geil! Mein Eindruck vom Konzert: Sehr gut! Hat man sich erstmal daran gewöhnt, dass es hier anders zugeht als in unserer Punkkonzertblase, kriegt man ne gut aufgelegte Band und ein begeistertes Publikum - und das an nem Montag! Musik auch geil. Ich mag diese Mischung aus hartem Stoner, Metal und ner Prise Punk, gepaart mit teilweise echt eingängigen Refrains. So ungefähr die poppige Variante von Kvelertak, aber auch Red Fang kommen mir als Referenz in den Sinn. Das aktuelle Album find ich wie erwähnt auch stark und bin offen gestanden überrascht, dass es der Band nicht direkt den Durchbruch beschert hat.
Das ist auch ne gute Taktik, um keine Zugabe spielen zu müssen! Auch sonst so ganz allgemein war die Umbau- und Abbaupausenmusik vorzüglich!
Keine Zugabe! Geil! Hätten Bokassa einen weniger guten Auftritt gespielt, wäre die Musik aus der Dose wohl auch mein Highlight gewesen und das meine ich jetzt gar nicht so fies, wie es jetzt vielleicht klingt. Ich glaube einfach, ich sollte mal wieder auf eine Punk/Metal/Alternative/Trash-Party gehen. Das zweite Highlight ist natürlich das Outro, da haben BOKASSA Geschmack bewiesen und sich für den Nummer-1-Hit und Titelstück des Films "Die drei Musketiere", "All for love" von den ollen Haudegen Bryan Adams, Rod Stewart und Sting entschieden. Wer könnte sich da nicht wohlfühlen?