Waving the Guns, 29.08.2020 in Dortmund, Westfalenpark - Bericht von Fö
Waving the Guns, 29.08.2020 in Dortmund
Und so sieht das Ganze dann aus! Die Bühne kleiner als erwartet, die Sicht aber eigentlich von überall gegeben (die Sitzreihen zu linker Hand sind etwas erhöhter). Abseits der Sitze muss man einen Mund-Nasen-Schutz tragen, das gilt auch wenn man nur vorm Sitz rumsteht (oder tanzt oder mitgrölt etc.) - letzteres eine Maßnahme, die mir bisher bei anderen Veranstaltungen nicht begegnet ist.
Nach und nach füllt es sich. Einige Stühle bleiben unbesetzt, ist also nicht ausverkauft, aber auch alles andere als leer. Vielleicht hätte sogar die ursprüngliche Bestuhlung mit 350 Leuten heute ausgereicht. Zu Beginn gibt es eine kurze Anmoderation, die nochmal auf die Hygieneregeln hinweist, und dann starten WAVING THE GUNS!
Mit Hip Hop hab ich ja immer mal so meine Probleme, ich verstehe da vieles nicht. Zum Beispiel dieses ganze Harte-Jungs-Gangstarap-Spiel oder die Diss-"Kultur". Oder das Abfeiern von misogynen, homophoben und antisemitischen Stereotypen. Nicht zu vergessen die Profilierungssucht vieler Rapper, jeder will immer überall der geilste und reichste und härteste sein. Ich verstehe auch das "ironische" Abfeiern dieser ganzen Kultur nicht, wie es auch in Teilen meines Freundeskreises ne ganze Zeit üblich war. Ich weiß, die genannten Punkte betreffen nicht die komplette HipHop-Sparte, erschweren mir aber einfach ungemein den Zugang dazu. Deswegen freue ich mich natürlich umso mehr, wenn es Acts gibt, die einfach von Anfang an klar stellen, auf welcher Seite sie stehen. Waving The Guns gehören da definitiv dazu. Wobei, naja, ein bisschen Diss-Kultur haben sie auch aufgesogen. Aber insgesamt geht das klar.
Zeigt sich auch in den Aussagen zur aktuellen Situation. Einige Anwesende, auch Fronter Millie Dance, haben den heutigen Tag vor Twitter verbracht, um die Ereignisse rund um die Demo der "Corona-Leugner" in Berlin zu verfolgen. Ein Thema, über das ich mich jetzt nicht auch noch über Gebühr auslassen will, das verstehe ich noch weniger als Gangstarap. Da gibt es eine Bewegung, die aus rein egoistischen (und ausgedachten) Motiven Kritik an der Regierung äußert, und es kommen zehntausende Leute - während Demos, die sich altruistisch äußern, die Gleichbehandlung und Menschenliebe fordern, nur einen Bruchteil von Menschen auf die Straße bringen, die dann auch noch mit Vorliebe von der Polizei niedergeknüppelt werden. Das verstehe ich einfach nicht! Nunja, zurück zum Thema: Millie Dance ist froh, dass wir hier Regeln für sinnvoll erachten, wenn sie sinnvoll sind - und das von Leuten, die nicht unbedingt dafür bekannt sind, der Obrigkeit allzu hörig zu sein. Zustimmung.
Ich hab übrigens gar nicht mitbekommen, dass Waving The Guns nur noch einen Frontmenschen haben. Laut Wikipedia ist "Admiral Adonis" 2018 ausgestiegen. Außerdem noch ne Besetzungsbesonderheit: Am Drumpad sitzt eine neue Person. Ich hab den Namen nicht verstanden, Pete oder so. Hat sich das Set wohl innerhalb von zwei Wochen draufgeschafft und unterstützt nicht nur Beat-technisch, sondern zwischendurch auch mal als Backup-Rapper. Cool.
Auf der Bühne steht ein Sessel rum, in den pflanzt sich Millie Dance mit Vorliebe rein wenn er ne Ansage zu bringen hat. Ziemlich lässig! Ansagen und Aussagen soweit cool. Nicht immer politisch, aber immer cool. Ich glaube, Waving The Guns sehen sich auch gar nicht als Politband, auch wenn sie oft darauf reduziert werden. Mir egal.
In den hinteren Reihen stehen nach und nach Leute auf (maskiert natürlich), vorne traut man sich noch nicht ganz so. Schon spannend, wie die Leute "diszipliniert" abgehen. Passend dazu ein Zitat von WTG: "Die Frage ist nicht, warum ich vermummt bin - die Frage ist, warum bist du's nicht du Dummchen" - da geht's zwar nicht um Corona-Maßnahmen, aber witzig fand ich's ja schon.
Ansonsten, nun, ich kenne zu wenig Liedmaterial von Waving The Guns, um hier wirklich wiedergeben zu können, was sie überhaupt dargebracht haben. Was Neues war wohl dabei, in Corona-Zeit entstanden, was sich auch im Text bemerkbar machte. Der Song entstand in Kollaboration mit dem anderen, dessen Namen ich nicht verstanden habe. Ulu? Uhu? Wann gibt es endlich Untertitel für Konzerte? Vielleicht muss ich mir auch nur mal wieder die Ohren waschen. Home Office macht schwerhörig.
Zum Ende hin wird die Stimmung zunehmend gelassener. Leute stehen auf, singen mit - cool! Ja wirklich, alles cool, weil mit Mund-Nasen-Bedeckung. Bis hin zu kompletten Skimasken - die allerdings die Mundpartie nicht auslassen, wie bei der Hasskappe von Millie Dance der Fall. Aber für einen Ausflug ins Publikum zog er sich dann doch mal ne "echte" Atemmaske drüber.
Wie oben schon erwähnt, dass man selbst am Platz Mund und Nase bedecken muss, wenn man steht, war mir bei bisherigen Corona-konformen Veranstaltungen nicht begegnet. Sonst hätte ich vielleicht doch ne bequemere Maske mitgenommen. Schlimm war's aber auch nicht wirklich. Und bedenkt man, wie viele Aerosole beim Tanzen, Schwitzen, Brüllen so ausgestoßen werden (und vor allem wie weit), finde ich das auch wirklich sinnvoll. Haben sich auch alle dran gehalten, wer es doch mal vergessen hat (passiert), wurde drauf hingewiesen. Funktioniert also alles sehr gut, da hätte ich Schlimmeres befürchtet.
Zur Zeit weht in Dortmund an vielen Stellen die Regenbogen-Flagge, als Solidaritätszeichen mit der LGBTIQ*-Community und dem abgesagten Christopher Street Day. Sehr gute Aktion! Auch der Florianturm erstrahlt farbenfroh - gut einsehbar von hier aus, während Waving The Guns auf der Bühne passend dazu Texte gegen Homophobie rausfeuern. Cool!
In einem neuen Song (glaube das war der mit besagtem Uluirgendwas) ging es auch irgendwie um Liebe und so, obwohl Waving The Guns das nie machen wollten. Aber Millie Dance stellt klar, dass es ja auch um Drogen ginge. Passend dazu (oder eher passend zur Liebe) werden Feuerzeuge rausgeholt. Anfangs wenige, und Millie Dance ist noch erfreut darüber, dass so wenige rauchen und vermutlich umso mehr Sport machen - aber dann strahlen hinterher doch so einige Lichter.
Achja, zur Sache mit den Drogen: Waving The Guns stellen klar, das sie gegen Drogen sind und empfehlen uns natürlich, stattdessen besser Sport zu machen (hilft auch gegen Nazis). Aber trotzdem oder gerade deswegen finde ich diese stellenweise Drogenverherrlichung in den Texten bedenklich, wenn es beispielsweise darum geht kurz mal eben ne Line zu ziehen und sowas. Verstehe ich halt mal wieder nicht. Im "Punkrock"-Bereich wird zwar auch hier und da konsumiert, aber das behalten die Leute wenigstens (meistens) für sich.
So, Zugabe und aus. Cooles Konzert! Gute Stimmung, korrekte Aussagen. Waving The Guns kicken mich auf Platte nach wie vor nicht, live trotz einiger Texthänger aber ne runde Nummer. Muss aber sagen, dass die Show viel von den Texten und Aussagen lebt, rein musikalisch war da für mich wenig dabei. Aber ich bin ja auch eher E-Gitarren-fixiert...