Kackschlacht, Dispo, XLangenX, Bantam, 21.08.2021 irgendwo auf den Färöer Inseln - Bericht von Fö
Kackschlacht, Dispo, XLangenX, Bantam, 21.08.2021
Die Anreise per Helikopter ist etwas gewöhnungsbedürftig und hatte ich in der Form auch noch nie. Alles wackelt und der Geräuschpegel ist irgendwo zwischen Baustellenlärm und einer Probe von XlangenX. Entsprechend wenig Gesprächsmöglichkeiten ergeben sich. Und so nippen wir brav am eigens gebrauten färöer Bier und genießen die Aussicht, die in erster Linie aus Meer besteht. Das Personal (1 Pilot) redet die ganze Zeit über das Helmmikrofon auf uns ein, leider verstehen wir kein Wort, da die Dolmetscherin sich heute freigenommen hat. Irgendwann brüllt der Pilot uns was zu und winkt hektisch, das ist dann wohl das Zeichen auszusteigen. Schon erstaunlich, wie souverän und fehlerfrei mensch in einer solchen Situation agieren kann! Jedenfalls schaffen wir es tatsächlich alle, einen Fallschirm zu schnappen und rauszuspringen. In der Panik vergesse ich ganz, überhaupt Fotos zu machen. Aber wen interessieren die schon, ist ja nur für Bierschinken.
Nach 30 Sekunden freiem Fall ziehen wir die Reißleine und landen sanft auf der erwähnten Industriebrache, die sich als betonierte Wiese herausstellt. Während die Bands aufbauen, sammeln die anderen Früchte und 1-2 Leute springen ins Meer, von wo sie nie zurückkehren. Ich zücke meinen Notizblock und will mit der Reportage beginnen, als ich erschreckt feststelle, dass mir beim Fallschirmflug der Kugelschreiber entglitten sein muss. Von nun an also Gedächtnisprotokoll.
Die erste Band des Nabends (Mischung aus Nachmittag und Abend) ist DISPO. Mir noch ein Begriff von einem Tape, das mal irgendwann in der Redaktion rumflog und eigentlich ganz cool war, ich wegen der Zigarettenoptik aber immer das Klo runterspülen wollte. Ich hab's dann Dr. Lüken geschenkt, der es vermutlich geraucht hat.
DISPO jedenfalls machen wunderbar schrammligen Lofi-Punk. Es existieren exzellente Lofi-Videos bei Youtube, die ich damals noch besser fand als das Tape. Jetzt also das alles mal in real auf den Färöer Inseln (auf welcher Insel, weiß ich nicht, von oben sahen die alle gleich aus)!
Lieder handeln vom Rauchen oder von Fusseln im Bauchnabel oder von anderen Sachen, die der Jugend der Färöer Inseln aus der Seele sprechen. Jedenfalls brüllen alle unverständliche Worte in Richtung Bühne. Eine junge Färöerin vermöbelt einen gleichaltrigen Färöer mit einem Skateboard, was noch nicht einmal so spektakulär wäre, wenn es nicht im Takt der Musik geschähe!
Find ich jedenfalls total gut! Also, nicht dass hier Leute vermöbelt werden, sondern die Musik halt. Wobei, vielleicht ist Leute vermöbeln auch okay gewesen, sofern es gerechtfertigt war. Jedenfalls, Musik: Mehrstimmig, kurze Songs, schön schraddelig. Nur ohne Synthie heute irgendwie. Ein Färöer Popmusikstück wird gecovert, jedenfalls singen alle mit und ich scheine der Einzige ohne Textkenntnisse zu sein. Ein weiteres Coverstück am Ende, als ein Countrystück durch den Dispowolf gedreht wird und dermaßen zersägt und rostig wieder rausfällt, dass es eine wahre Wonne ist!
Der zweite Beitrag zum Kulturaustausch kommt von XLANGENX. Ja, tatsächlich, genau die! Bereits das dritte Mal in fünf Wochen, dass ich die Band live sehe, was sie gleichzeitig auch zu der Band macht, die ich in den vergangenen zwei Jahren am häufigsten gesehen habe. Ist jetzt kein Fakt, der sonderlich imposant wäre, würde er später in meiner Biographie (oder der der Band) auftauchen, aber festgehalten sei das an dieser Stelle mal.
XLANGENX jedenfalls haben sich für den heutigen Auftritt den berühmten Färöer Wikinger Ole als Aushilfssänger gekrallt, da der eigentliche Sänger auf Klassenfahrt im Brauereimuseum ist - wer will es ihm verübeln! Dementsprechend kurz Oles Vorstellungsrunde: "Das da sind XlangenX, und ich möchte mich davon distanzieren." Wobei, nee, er hat "removen" gesagt und nicht distanzieren, was dem Ganzen eine kosmopolitische Note gab.
Wie ich später erfahre, haben XLANGENX eh mit jedem Album ihren Sänger ausgetauscht, weswegen es gar nicht so ungewöhnlich ist, wenn mal jemand anders krakehlt. Ein weiterer Ex-Sänger ist auch hier vor Ort, schnappt sich das Mikrofon und vollbringt den krassesten Stagemove des Abends: Sich selber Bier ins Gesicht schütten und gleichzeitig brüllen. Ein Bild für die (nordischen) Götter. Also, stellt euch das Bild mal vor. Nicht das Foto da oben, das war ne andere Szene.
Die Musik von XLANGENX jedenfalls lässt sich grob einordnen in die Schublade "kaputter Helikopter versucht Notlandung in Spülmaschine" und apropos, langsam mache ich mir Sorgen, wie wir überhaupt wieder von dieser Insel runterkommen, Verzeihung, wie wir uns von dieser Insel wieder removen. Aber das wird ein Problem von Zukunfts-Fö.
Ein Blick auf die weite Prärie hinter uns. Färöer Laufkundschaft mischt sich mit allerlei Gesocks und blökenden Schafen, dazwischen stehen Bierkästen und Leute fahren Skateboard. Sehr idyllisch. Ein bisschen wie eine Szene aus Herr der Ringe, nur eben mit Färöern, Gesocks, Schafen, Bierkästen und Skateboards.
Anschließend wird die Bühne freigeräumt für die Band KACKSCHLACHT. Oder auch KÚKUR BARDAGI, wie man auf den Färöer Inseln zu sagen pflegt. Kackschlacht scheinen hier bereits einige Fans zu haben, jedenfalls brüllen alle wie wild und winken freundlich mit Mistgabeln.
KACKSCHLACHT spielen heute ein Konzept-Konzert zum Thema "in Würde altern", was eine Konzertbesucherin zu der Aussage verleitet, einer von ihnen (ich glaube sie meinte Thorsten) sähe aus wie 25, was nun wirklich total verwirrt, weil Kackschlacht ja nur zu zweit sind und wenn einer wie 25 aussieht, dann wären sie ja zusammen 26 und hätten somit gar nicht in einen Helikopter gepasst.
Der Auftritt macht unfassbar Bock und ist sehr unterhaltsam, beinahe wirkt es, als würden die Färöer verstehen, was die beiden Protagonisten da so erzählen. Aber gerüchteweise basieren viele Kackschlacht-Texte auf alten färöerischen Volkssagen, was den Zugang vermutlich für viele außerordentlich erleichtert.
Der Auftritt wird beendet mit einer epischen, ca 127minütigen Version des Klassikers, dessen Titel mir entfallen ist, das mit dem Runterstufen halt. Ich weiß nicht, ob man auf den Färöern auch runterstuft, aber ab sofort bestimmt.
Es gab dann noch (ohne Foto) eine kurze Vorstellung einer Publikation mit dem reißerischen Titel "Accident Grotesque", das anschließend, ganz Butterfahrt-Like, für färöersche Euronen zu erstehen ist mitsamt einer Packung Buntstifte. Da hier noch Platz ist, kurz ne Review dazu: Die Stifte sind schön handlich, 6 an der Zahl, bunt und nicht für Kinder unter 3 Jahre geeignet. Höchstnote dafür!
Es gab aber auch noch (mit Foto) einen spontanen Auftritt der Band BANTAM, wobei ich nicht weiß ob das wirklich so spontan war, wann ist schon mal zufällig ne komplette Punkband auf irgendner Färöer Insel bereit, einen Auftritt zu spielen? Schon verdächtig! Wir dürfen uns 3 von 9 Liedern aussuchen, was die Mathematiker*innen unter uns vor harte Probleme stellt und schließlich darin gipfelt, dass die Band vermutlich irgendwie so geschätzt um die 5 Lieder spielt.
Zu hören gibt es wieder irgendwas mit Schrammel und Deutschpunk, schön angeätzt und wütend, schön dreschendes Schlagzeug, ab und zu ertappt sich die geneigte Hörer*innenschaft dabei, Melodien entdeckt zu haben. Hit der Band scheint "Summertime Sadness" zu sein, den wünschen sich einige. Vielleicht aber auch nur, weil ja Sommer ist.
Großartiger Tag/Abend/Nabend, alles schön DIY und frech und frisch und locker, klarer Anwärter für die Jahrescharts! Danke dafür an das örtliche Tourismusbüro. Zum Abschluss werden wir Zeug*innen eines alten färöerschen Feuerrituals. Ich weiß nicht mehr was genau da beschworen wurde, ob jetzt Dämonen oder besseres Wetter, aber es scheint geklappt zu haben, der Regen zieht jedenfalls vorbei und als ich die Augen aufmache, bin ich wieder zuhause. Puh, war das ein verrückter Traum! Aber was sind das da für Fotos auf meinem Handy...?