Die Ärzte, Muff Potter, SDP, 27.08.2022 in Berlin, Flughafen Tempelhof - Bericht von Gabi Nichtsnutz
Die Ärzte, 27.08.2022 in Berlin
Arsch der Welt raus (Berlin - schon mal was von Parkplätzen gehört?!).
Wie schnell einer Band der Erfolg zu Kopf steigen kann, machte sich unmittelbar mit Betreten des Geländes bemerkbar. Hatte ich Die Ärzte vor nicht mal vier Monaten noch in einem kleinen Club mit circa 100 Leuten erleben können, in voller Blüte, mit fairen Eintritts- und Bierpreisen sowie minimalem Equipment, schlug es mir auf dem Tempelhofer Feld das Fass aus dem Boden: statt Bier (aus Flaschen) gab es Becks (aus Plastikbechern), die angepriesenen veganen Burger waren bereits alle (aus Nachhaltigkeitsgründen!) und die letzten zwei Alben wurden am Merchstand als Bundle für 25€ verhökert, während ich Trottel in der Vergangenheit für jedes einzelne Album noch teuer Geld bezahlt hatte (rechnet das teuer Geld mal in D-Mark um!!!).
Ob wir wirklich auf einem Die-Ärzte-Konzert waren, kann hier nicht mit abschließender Sicherheit gesagt werden. Es lief DÄ über die Boxen und auf den Bildschirmen neben der Bühne waren BelaFarinRod als solche auszumachen. Beim Blick auf die Bühne erkannte man allerdings maximal drei kleine Punkte, welche jedoch auch Ameisen, Muff Potter oder das Unwetter vom Vorabend hätten sein können. Zumindest positiv zu erwähnen ist, dass die Idiotendichte, subjektiv wahrgenommen an unserem Platz, sehr klein war: nur sehr vereinzelt besoffene Typen, keine Nackten trotz Duschmöglichkeit (Regen) und kein Rumgeprolle.
Das Set von BFR beherbergte Lieder aus allen Jahrzehnten Bandgeschichte. Die oft gepriesene Spontanität ruht eventuell nur auf einem Mythos, welchen die Band umgibt und der gerne von ihnen öffentlich transportiert wird. Die Setlist war der des Schokoladens mit wenigen Ausnahmen nahezu identisch, einige Ansagen und Scherze waren uns jetzt auch nicht unbekannt und das Konzert war etwas Altbekanntes. Das muss aber nicht grundverkehrt sein. Denn einerseits weiß man, was man bei Die Ärzte bekommt, deswegen geht (oder fÄhrt) man ja dahin und es ist wie eine Art des „Nach-Hause-Kommens“. Und andererseits schafften es die Drei mit teils minimalem Aufwand, dass man sich amüsiert. War die erste Stunde von dem Gedanken (und der Aussage) geprägt: „Oh man, noch zwei Stunden. Eigentlich wollten wir gar nicht hier sein. Das nächste Mal gehen wir von der Kohle lieber ordentlich ins Restaurant“, haben Stunde zwei und drei abermals dafür gesorgt, sich angemessen zu amüsieren und den Abend kurzweilig erscheinen zu lassen. Grund dafür waren u.a. Lieder, die gar nicht in der Setlist der Band auftauchen müssten. Die spielten Die Ärzte quasi fast nur für sich selbst. Und das nicht mal in sonderlich gut. Sogar eher in schlecht. Die könnten live einen Hit nach dem anderen raushauen. Machen sie auch irgendwie. Aber wiederum auch nicht, was wir u.a. am (Nicht-)Mitsingfaktor in unserem Umfeld feststellen konnten.
Die Ärzte live auf dem Tempelhofer Flughafen - 60.000 Leute, oder um es in Zahlen auszudrücken: Sechzigtausend. Zu viel. Zu groß. Zu viel Event. Und das an einem Abend. Das waren mal drei Tage Wuhlheide/Waldbühne oder 600 mal Schokoladen. Irgendwo dazwischen liegt sicherlich die Wahrheit.