Chefdenker, Two Star Review, 23.12.2022 in Köln, Sonic Ballroom - Bericht von Fö
Chris Scholz Autogrammstunde, 23.12.2022 in Köln
Immerhin trifft man in der Schlange bereits einige bekannte und lange nicht gesehene Gesichter, was die Wartezeit etwas angenehmer macht. Irgendwann zieht ein Raunen durch die Reihen: Chris Scholz scheint tatsächlich angekommen zu sein und fertigt bereits die ersten Fans ab! Alleine diese Information wärmt unsere Herzen wie ein frisch verkochter Glühwein. Das weitere Warten vergeht dann auch wie im Fluge, alle sind plötzlich sehr aufgeregt, alles schnattert durcheinander, und ehe ich mich versehe, stehe ich auch schon vor ihm: Chris Scholz, der Wanderer zwischen den Welten, der großen Literat, der Charmeur zwischen den Zeilen! Lächelnd und mit einer einnehmenden Eleganz stellt er sich geduldig den Fragen und Avancen der Fans, hält zugleich aber auch professionelle Distanz. So unnahbar, dieser Chris Scholz! Mit der Leichtigkeit einer Fee schwingt er einen schwarzen Permanentmarker über einem Stapel Autogrammkarten. Ob das der Edding ist, mit dem er auch seine Kolumnen in den Fachblättern der Fanzine-Welt verfasst?
Dominik besitzt sogar die Chuzpe, nach einem Selfie zu fragen. Kurzzeitig scheint alles wie eingefroren zu sein. Langsam und mit stoischer Mine dreht sich der stämmige Personenschützer um und mustert Dominik mit kühlem Blicke. Aber bevor die Situation aus dem Ruder läuft, ergreift Chris Scholz die Initiative, drückt den verdutzten Dominik neben sich, lässt ein Selfie über sich ergehen und geht mit einem lässigen "der Nächste bitte" wieder zur Tagesordnung über.
Was dann geschieht, kann ich gar nicht in Worte fassen und es fühlt sich immer noch wie ein dumpfer Traum an. Irgendwie muss ich es aber geschafft haben, diese Autogrammkarte ist fortan die meinige! Sogar mit persönlicher Widmung. Ich weiß bloß nicht mehr, ob ich in meiner Nervosität wirklich "Für Rö" gesagt habe oder ob Chris einfach ne Sauklaue hat.
Natürlich hat es sich Chris Scholz nicht nehmen lassen, noch zu einer Autogrammstunde-Aftershowparty zu laden, anlässlich derer noch die Bands Chefdenker und Two Star Review auftreten. Eine gute Gelegenheit, etwas runter zu kommen von dieser Welle an Emotionen, die uns soeben überrollt hat. Geht erstmal los mit TWO STAR REVIEW!
Der Transparenz halber sei vorangestellt, dass Two Star Review beim Berliner Majorpunklabel Bakraufarfita Records unter Vertrag sind, bei dem ich ebenfalls Anteilseigner bin und daher vielleicht besser vorbereitet bin als andere Anwesende. Zumindest kenne ich schon ein paar Songs und nicht nur die drei, die vergangene Woche erstmals durch den digitalen Äther geblasen wurden.
Two Star Review jedenfalls machen Punkrock, punktaus. Ich finde, man hört da durchaus die Vorbilder raus, die eher so im gemächlichen Midtempo-Emo-Punkrock der 90er zu finden sind, so Sachen wie Leatherface und Dr Bison. Alles sehr solide dargeboten, paar treibende Shouts hier und da geben den nötigen Schwung nach vorne.
Vor allem ist es aber halt auch die Band von Bart und Ergebnis seines Songwriter-Entwicklungsprozesses der vergangenen Jahre. Dabei hat er seinen größten Hit bereits vor knapp 25 Jahren geschrieben: "Das Ewige Und Einzige Grossdeutschen Truckerlied" erschien damals auf dem Album "Cooler Parkplatz" von Knochenfabrik und war Ergebnis einer knapp zweiwöchigen Tour von Knochenfabrik und Bambix. Ein paar Zeilen dieses Songs werden auch heute geschickt in das Material von Two Star Review eingewoben.
Hier sieht man das Konzert aus dem Blickwinkel von Chris Scholz. Ganz bescheiden und bodenständig wie er ist, stellt er sich gerne in die hinteren Reihen, um größer gewachsenen alten weißen Männern den ungetrübten Blick auf die Bühne zu ermöglichen.
Bleibt festzuhalten: Two Star Review, toller Auftritt und angenehme Musik, machste nix mit falsch. Nun aber weiter mit Chefdenker.
CHEFDENKER feiern heute zufälligerweise auch noch Releaseparty für ihr neues Album "Asozialdarwinismus", das sogar zufälligerweise bereits aus dem Presswerk gekommen ist. Chefdenker haben bereits gestern im Ballroom gespielt, aber da halt ohne Chris Scholz Autogrammstunde. War verblüffenderweise trotzdem ausverkauft.
Chefdenker habe ich schon ziemlich häufig live gesehen, wie regelmäßige Leser*innen dieser Seite eventuell mitbekommen haben könnten. Davon auch ungefähr 50 Mal hier im Sonic Ballroom. Sowas nimmt einem Konzert natürlich etwas die Spannung, beziehungsweise werde ich mich in einer Woche an kein spezifisches Detail dieses Konzertes erinnern oder es mit den Erinnerungen an die 49 anderen Konzerte vermengt haben. Sorry dafür.
Oder naja, eigentlich fällt es mir schon heute schwer, also kurz zu den Fakten: Ungefähr Pi mal Daumen 90 Minuten Spielzeit, davon 2-3 neue Songs und kein Filmriss. Glück für mich übrigens, denn ich habe heute morgen beim Griff in den Klamottenschrank nicht nachgedacht und aus Versehen einen Knochenfabrik-Pulli angezogen. Wie stehe ich denn da, wenn da jetzt auch noch Knochenfabrik-Songs gespielt werden!
Laut Aussage eines nicen Insiders wich die Setlist sogar von der gestrigen ab, beispielsweise auch in den neu gespielten Songs, aber auch in einigen älteren. Zu den Details muss ich schweigen.
Stimmung im Publikum: Ganz okay! Anfangs noch eher wenig Bewegung, dann mehr, irgendwann schwankte es zwischen prollig-besoffen und gesellig-besoffen, aber insgesamt doch ganz angenehm. Habe ein Bier (mit Entschuldigung) und einen Ellbogen (ohne Entschuldigung) ins Gesicht bekommen. So für die Statistik.
"Angela" wird auch dargeboten und ist gleichzeitig eine gute Gelegenheit für Caddy, pissen zu gehen. "Kann auch laufen lassen", gibt Claus dazu zu Protokoll. Viel wichtiger aber: Als einige Mitklatscher im Publikum drohen, die emotionale Stimmung kaputt zu machen, bittet Claus "nicht klatschen! Auch nach dem Lied nicht."
"Agentur für Arschvoll" heute mit Gastmusikerin Kira(?) an der Querflöte. Gestern gab es wohl eine Blockflöte, die immer noch da hinten an der Wand hängt. Man muss sich halt immer steigern! Das E-Gitarren-Querflöten-Duell jedenfalls verzückt auch heute alle Musikbegeisterten.
Neben neuen Songs auch erfreulich viele von der "16 Ventile in Gold". Find ich immer wieder toll! Und natürlich von den mittlerweile 532 Alben dazwischen, so viel Vollständigkeit muss sein. Mindestens ein Lied über Dosenbier.
Und dann ging's auch plötzlich ziemlich schnell dem Ende entgegen! Aber weil morgen Jesus Geburtstag hat (wobei nicht geklärt wurde, ob Jesus am 24. oder 25. geboren wurde) und 2022 oder 2023 Jahre alt wird (auch das wurde nicht geklärt, sind alle nicht bibelfest hier), gibt es noch Zugaben.
Claus schlägt Bart einen Deal vor: Er würde das Schlumpfenlied spielen, wenn Bart dafür "Das Ewige Und Einzige Grossdeutschen Truckerlied" darbietet. Ach Mist, doch noch ein Knochenfabrik-Song. Aber andererseits, naja, halt ein Bart-Song. Zuvor müssen wir uns aber noch eine wichtige Frage gefallen lassen: "Sagt mal wo kommt ihr denn her"? Im anschließenden Crescendo mit Blockflöte fühlen sich mal wieder alle Musikbegeisterten sehr geborgen.
So Bart, dann mach mal! Auch wenn er selbst unsicher ist, ob er das noch hinkriegt, das Truckerlied wird selbstverständlich zum fulminanten Erfolg und Hit des Abends. Viel zu selten live gespielt. Ich wüsste da nur heute, vor 7 Jahren beim Bierschinken-Fest und laut Gerüchten (niemand kann sich so wirklich erinnern, inklusive der Beteiligten) damals zur Releaseparty von Cooler Parkplatz. Amtlich.
So, und jetzt? Konzert vorbei, Autogrammstunde vorbei. Chris Scholz ist auch nicht mehr zu sichten. Da uns noch der weite Weg gen Dortmund bevor steht, machen wir auch bald die Biege. Tschöjj!