Abwärts, 08.04.2023 in Essen, Don't Panic - Bericht von Matt Greasejar
Abwärts, 08.04.2023 in Essen
Abwärts, die 1979 gegründete Post-Punk-Legende aus Hamburg (mit Sänger, Mastermind und letztem Gründungsmitglied Frank Z. und seit 2004 mit Reunion-Anschubser Rodrigo González an der zweiten Gitarre) haben ein neues Album raus und kommen auf Tour, unter anderem nach Essen ins Don't Panic. Fein, dafür lass' ich sogar das zeitgleiche Culthe-Fest in Münster sausen.
Der Vorverkauf lief wohl recht mau, und die Show in Osnabrück wurde deshalb sogar abgesagt; hinter den Kulissen war zu hören, die Gagenvorstellungen der Band und die daraus resultierenden Ticketpreise seien ein bisschen sehr selbstbewusst und dem heutigen Status der Band nicht mehr ganz angemessen. Hmja, 24 Oi im Vorverkauf sind nicht gerade AZ-Tarif, aber ich hab' auch schon für (objektiv) kleinere und (subjektiv) schlechtere Bands mehr bezahlt.
Wulle von Smokebox/Great Unwashed, (noch so eine Legende, nicht im Bild, die Fotorechte wären zu teuer gewesen) will das nur so semi gelten lassen und gibt zu bedenke, dass er mal für Slayer in der Grugahalle weniger bezahlt habe als heute für Abwärts im Panic. Ich finde meinen Vergleich noch besser: Als ich das letzte Mal gezielt bei Rod González' anderer Band war, ebenfalls in der Grugahalle und mit Wizo als Vorband, hat mich das ziemlich genau so viele D-Mark gekostet, wie heute Abwärts ohne Vorband an Euro.
Der Laden ist dann doch recht gut gefüllt; der Altpunker als solcher hält ja eh nicht so viel von Vorverkauf. Los geht's mit "Beim ersten Mal tut's immer weh" von 1982. Es folgt ein Querschnitt durch die Newwavigen Anfänge, die metallischen 1990er-Stampfer und das Spätwerk seit der immer noch aktuellen Reunion mit Rod.
Apropos Rod, in den 2000ern sorgten die Fangirls (und sehr vereinzelt -boys) seiner anderen Band ja regelmäßig für volle Hallen bei Abwärts, weil das eine 1a Gelegenheit war, den Star in vergleichsweise intimer Atmosphäre für schmales Geld zu erleben. Von denen sehe ich heute nichts. Sind wohl inzwischen auch zu stark mit Kinderkriegen und Reiheneigenheimpflege eingespannt, als dass noch Zeit für solche Eskapaden bliebe. Und wenn man Swens (lesenswertem) Bericht glauben darf, wären die mit Abwärts' herrlichem Zynismus ja eh überfordert. Mag sein.
Frank Z. darf einiges, was ich anderen Musikern übel nehme. Zum Beispiel den Live-Sound mit Synthie-Spuren und Samples vom Band (bzw. der Festplatte) unterlegen; im Black Metal ist das ja gerade die reinste Seuche, und da wird auch gerne mal Backgroundgesang oder eine Instrumentenspur mit reingemischt, so dass die Show letztendlich zum Halbplayback wird. Bei Abwärts gibt es immerhin keine fertige Playback-Spur, sondern eine Fachkraft neben der Bühne feuert die Samples (und die Videoclips, die hinter der Band laufen) quasi live - ab.
...und außerdem hat Rod noch eine Fußhupe als Live-Keyboard-Ersatz. Ja, passt schon, so kann man das machen.
Die Video-Einspieler gibt's übrigens immer passend zum Song, was die Show absolut bereichert. Inhaltlich gibt es die übliche Vollbedienung mit null Prozent Wohlfühlfaktor. Die Welt ist schlecht, und das hält man nur mit einer Misanthropie aus, hinter der sich ganz Norwegen umziehen kann.
Da kriegt jeder was ab. Nazis und Spießer, klar, aber auch der vermeintlich fortschrittliche Mainstream, der sich in der Festung Europa mit ihren Toten an der Außengrenze bequem eingerichtet hat. Also quasi ich. Und ja, obwohl ich die Texte schon ewig kenne, zieht es mir an den entsprechenden Stellen immer noch mehr als einmal den Hals zu. "Diese Feigheit hat 'n Namen, linksliberal". Falsches Zitat, aber passende Aussage.
Vom neuen Album gibt es das großartige "Allein unter Flaschen" und das Titelstück "Superfucker", letzteres in top Bühnenoutfit, endlich mal Paaaadie hier!
Tatsächlich so was ähnliches wie Partystimmung kommt im Zugabenblock auf, der ungefähr ein Drittel der gut eineinhalb Stunden Spielzeit einnimmt. Zonenzombie, Computerstaat, und schon sind alle textsicher, und es darf auch getanzt werden. Schlechte Laune kann so viel Spaß machen. Die Welt ist immer noch verdammt schlecht, aber dieser Abend war schon geil.