Tocotronic, Nichtseattle, 11.05.2023 in Nürnberg, Z-Bau - Bericht von fehlnavigiert
Tocotronic, 11.05.2023 in Nürnberg
Heute mal wieder Konzert und wie immer begleitet mich das Chaos, denn eigentlich hätte es für uns heute direkt nach dem Gig weiter in den Kurzurlaub gehen sollen. Nun wurde aber letzte Woche unser altersschwacher Kater operiert und benötigt seither rund-um-die-Uhr-Betreuung, sodass ich nun schon ne Woche dauerwach bin, der Urlaub gestrichen ist und ich nun nach langem Überlegen völlig übermüdet alleine aufs Konzert gehe. War schließlich mal ein Weihnachtsgeschenk! Überhaupt gehe ich trotz der 150km Entfernung oft nach Nürnberg auf Konzerte, weil es zum einen dort einfach viele tolle Venues gibt und man zum anderen stets auf angenehmes Publikum trifft. Zwar wäre München oder Stuttgart näher, allerdings sind dort entweder die Menschen scheiße* oder die Locations (sofern vorhanden) totaler Mist.
*nicht alle, aber viel zu viele.
*nicht alle, aber viel zu viele.
Als Supportact steht heute NICHTSEATTLE auf der Bühne. Der Name „Nichtseattle“ zollt der ersten Tocotronic-Single Hochachtung und dahinter verbirgt sich die Berlinerin Katharina Kollmann. Letztes Jahr im Sommer konnte ich NICHTSEATTLE schon als Vorband von Tocotronic sehen, allerdings dort als 4-Personen-Kapelle. Es war ein Openair in Augsburg, die Location nicht die beste und so habe ich mich gefreut, ihnen heute eine zweite Chance zu geben. Denn in Augsburg fand ich es furchtbar und nun werde ich wohl keinen Vergleich anstellen können. Katharina stellt sich als Vorband vor und spielt dann ein paar Songs alleine. Mein Geschmack trifft es überhaupt nicht, auf Platte muss ich auch relativ zügig skippen und wie das Indoor mit Band klingt, hab ich nun auch nicht erfahren. Egal - wird ja sicher nicht die letzte Gelegenheit gewesen sein und als Anspieltipp empfehle ich „Heute Nicht“. Aber Obacht! Das ist Indie(-pop), oder so.
Der große Saal im Z-Bau ist pünktlich zu TOCOTRONIC gut gefüllt, aber nicht ausverkauft. Auf meinem Ticket steht was von über 40€ und so wundert es mich sogar, dass so viel los ist. Wenn ich mich aber so umsehe, ist ja liquides, bodenständiges Publikum vor Ort. Da fällt mir dann auch ein, dass TOCOTRONIC nun seit 30 Jahren die Bühnen bespielen und ich mich lange als Hörer der ersten Stunde fühlte. Ist aber quatsch, immerhin wurde ich nur kurz vor Bandgründung geboren und so freue ich mich, den Alterdurchschnitt etwas senken zu können.
Ohne allzu große Ansagen beginnen sie ihr Set mit „Nie wieder Krieg“ und darauf folgt „Komm mit in meine freie Welt“. Hier vorn wird direkt getanzt, alles bewegt sich und die Stimmung ist enorm gut. Nürnberg eben! Nach „Jugend ohne Gott gegen Faschismus“ spielen sie dann „Jackpot“. Ist von dem 99er K.O.O.K. Album und habe ich bisher nicht live erlebt. Sowieso finde ich die Setlists bei Tocotronic immer ziemlich gut, weil auch mal Raum für Raritäten und Klassiker ist und nicht ein stumpfes Best-Of heruntergespielt wird.
Mit „Digital ist besser“ wird nun auch der Pogo eröffnet, endlich klebt der Boden und nun gibt es ein paar schnelle Nummern. Falls ich irgendwann einen Wunsch frei habe, verjubel ich den für ein Clubkonzert von Tocotronic mit „Digital ist besser“ und „Wir kommen um uns zu beschweren“ in voller Länge.
Nach 16 Nummern ist dann Schluss und man wartet auf die Zugaben. Das Publikum macht einen wahnsinnigen Lärm und erfreulicherweise ohne dass jemand „Zugabe Zugabe“ ruft. Wir sind hier schließlich nicht bei den Scorpions. Echte Rockstar-Vibes kommen trotzdem auf, denn TOCOTRONIC geben ganze drei Zugaben inkl. dem obligatorischen Von-der-Bühne-Gehen und die Bandmitglieder werden auch noch vorgestellt! Grundsätzlich ja dämlich, aber schon bemerkenswert, wie laut und ausdauernd Nürnberg applaudiert, pfeift und brüllt.
Nach 21 Songs wird der Abend mit „Freiburg“ beendet und ich freue mich sehr, trotz den Umständen gekommen zu sein. War nämlich richtig gut, sodass ich in der Euphorie mal wieder merchen gehe und dann die Heimreise antrete. Mir ist heute auch positiv aufgefallen, dass das Album „Nie wieder Krieg“ bereits 1,5 Jahre auf dem Buckel hat, gut zu altern scheint und mir inzwischen auch mehr Freude bereitet, als es das nach Erscheinen tat.