Etepetete Festival: Peter The Human Boy, Sloe Noon, Philine Sonny, Chillera, Her Skin, 12.05.2023 in Dortmund, FZW - Bericht von Fö & Schlossi
Etepetete Festival, 12.05.2023 in Dortmund
Was wir nicht kennen: Die Bands des heutigen Tages. Bis auf Sloe Noon sagt mir das alles nichts, also berührt mich die Absage von "nothingspecial" auch nur bedingt.
Willkommen im Club. Ich bewege mich ja gern mal außerhalb der Bubble und fordere meine Hörgewohnheiten heraus, daher steht dieses Festival tatsächlich schon seit ein paar Wochen in meinem Kalender. Die Bands des heutigen Abends sind auch mir völlig unbekannt, reingehört habe ich auch nicht, ich will mich einfach mal überraschen lassen. So, kein Bock mehr auf Punk! Ich brauch mal ne Auszeit von der Szene, da kommt son Indie-Festival doch genau richtig. Das Etepetete Festival hat ja schon nen ganz guten Ruf als Festival für kleine feine Indie-Geheimtipps, und das Konzertkollektiv Feine Gesellschaft steht ja eh für Qualität und Liebhaberei. Dachte ich jedenfalls. Felix beichtet zuvor, dass das Lineup eigentlich eher durch Zufall entsteht. Naja gut, das kennen wir ja alle.
Erste Band: PETER THE HUMAN BOY. Glauben wir zumindest, weil das auf dem Gitarrengurt steht. Ich glaube, die Band hat sich nicht vorgestellt. Dafür behauptet der Sänger, sie kämen aus dem Schwabenländle, was sich hinterher als Finte herausstellt, und eigentlich kommen sie aus Österreich.
Musik ist halt, naja, was soll ich sagen, irgendwas mit Indie. Eher die seichte Variante, so dass wir uns, als wir von draußen die ersten Töne erhaschen, fragen, ob das noch Umbaupausenmusik ist oder schon die Band.
Ich einige mich mit mir selbst darauf, dass das bestimmt dieses Yacht-Rock ist. Muss ich mir merken wenn ich das nächste Mal meine Yacht entstaube.
Ja, ich muss zugeben, auch vor meinem inneren Auge entstehen Bilder von leger gekleideten Menschen in Slippern ohne Socken, mit einem Cocktail in der Hand und Gel in den Haaren. Alles sehr lässig und entspannt hier. Kurz überlege ich, ob ich nicht doch lieber zu dem Bare-Knuckle-Kampf in der Fight Lounge nebenan gehen soll, aber dann fällt mir der Schwall muffiger Fitnessstudioluft, der mir vorhin beim Vorbeigehen aus dem geöffneten Fenster entgegen wehte, wieder ein und ich entscheide mich im FZW zu bleiben.
PETER THE HUMAN BOY sind nicht unbedingt meine Tasse Tee, aber zumindest schon mal überraschend. Und das ist schließlich heute mein Motto des Abends.
Die Bands spielen abwechselnd im Club und im Gastro-Bereich (umwerfendes Konzept!), so dass quasi stetig was geboten wird. Mit dem Blick des Profis kann ich oben kundtun: Ah, das sind SLOE NOON, die kenn ich.
letztes Jahr als Vorband der fantastischen Drens gesehen, hier im FZW, und heute erfahre ich, dass es wohl damals ihr erster Auftritt war. Kann mich aber kaum an den Auftritt erinnern, sorry. Weiß aber noch, dass Drens-Fabi da mitspielte, wie auch heute. Bloß dass er heute Geburtstag hat!
An dieser Stelle einen herzlichen Glückwunsch nachträglich. Um das vom Publikum vorgetragene Ständchen hab ich mich herumgedrückt. SLOE NOON hab ich
An dieser Stelle einen herzlichen Glückwunsch nachträglich. Um das vom Publikum vorgetragene Ständchen hab ich mich herumgedrückt. SLOE NOON hab ich
Musik ist wieder eher ruhig, hat aber auch einige Parts, die schön nach vorne gehen und so deutlich aus dem starren Indie-Kosmos heraus brechen. Gefällt mir gut!
Ich bin ebenfalls sehr angetan. Wenn die Covid-Pandemie in den letzten Jahren etwas Gutes hatte, dann, dass viele neue spannende Bands aus dem Lockdown heraus entstanden sind, so wie auch SLOE NOON. Wäre mir vor ein paar Jahren wahrscheinlich noch viel zu ruhig gewesen, aber mittlerweile bin ich offenbar zum Dream Pop und Shoegaze Fan mutiert. Passt eigentlich auch ganz gut, ich träume gern und mag Schuhe.
Das Publikum empfinde ich als sehr angenehm. Viele junge Leute, alle sehr entspannt und an der Musik interessiert. Klar, entsteht hier vor der Bühne kein wilder Pogo-Mob, aber so wirklich vermissen tu ich den eh nicht. Kein Plan, was so super daran ist, sich ständig gegenseitig anzurempeln. Und auch ohne Schubserei scheinen alle Spaß zu haben. Unglaublich.
Gibt wohl auch ein paar neue Songs zu hören. Kann ich nichts zu sagen, wird wohl stimmen, aber es freuen sich alle, dass wir die ersten sind, die diese neuen Lieder live hören.
Anschließend geht es weiter mit PHILINE SONNY. Sagte mir vorher auch nichts, scheint aber heute der Act mit der breitesten Fanbase zu sein, zumindest ist es amtlich voll im Club.
Ich bin auch restlos begeistert. Eine wunderbare Stimme, die Musik zwischen melancholischem Indie Rock und ruhiger Introspektion. Ein wirklich toller, berührender Auftritt. Ich weiß schon wieder nicht, was das für Musik ist. Vermutlich Indie. Hat ihren Ursprung wohl, so scheint es bei den Ansagen durch, im Singer/Songwritertum der Frontperson, kriegt durch das Bandgefüge aber ne sehr starke eigene Note. Wirklich gut. Würde mal sagen, mein Highlight des Abends
Kommt alles qualitativ sehr ausgewogen daher, durch die Ansagen aber auch sehr persönlich und unterhaltsam. Der Heimvorteil kommt auch noch zum Tragen, als Philine erwähnt, dass sie ursprünglich aus Dortmund kommt.
Mittlerweile ist PHILINE SONNY in Unna beheimatet und ich krieg mich irgendwie gar nicht mehr ein. Bei Unna denke ich an das Kasperletheater auf dem Weihnachtsmarkt in der Innenstadt, an meinen kurzzeitigen Nebenjob bei DHL und Pommes essen im Freibad, aber nicht an diesen tollen, international klingenden Sound. Ich halte nichts von Lokalpatriotismus, aber schön zu wissen, dass es so talentierte Menschen in der Nachbarschaft gibt.
Auch schön fand ich die Lichterkette, die die Leute vor uns aus ihren nicht vorhandenen Hüten gezaubert haben. Feuerzeug 2.0. Zwischendurch kriegen wir auch noch einen "spontanen" Song ohne Bandbegleitung und nur auf Akustikgitarre zu hören. Auch schön.
Nun oben an der Reihe: CHILLERA. Ursprünglich aus Ukraine stammend, lebt das Trio mittlerweile in Berlin. Musik ist schon wieder so anders, dass ich diesmal nicht einmal von "Indie" zu sprechen wage.
Irgendwas Instrumentales. Eher der ruhigen Sorte, wobei Jazz, Funk und Surf mit Sicherheit ihre Spuren hinterlassen haben, aber auch die vielen Effektgeräte. Auf Dauer ist mir das etwas zu unspektakulär.
Es ist schon spektakulär gut gespielt, allerdings wäre "mitreißend" nicht das erste Adjektiv, das mir bei diesem Auftritt einfallen würde.
Aber hey, wieder sehr überraschend und hörgewohnheitenherausfordernd. Vielleicht geb ich CHILLERA digital nochmal eine Chance. In bestimmten Situationen höre ich instrumentale Musik sehr gern. Hauptsächlich wenn ich beim Bahn fahren gleichzeitig lesen und nervige Umgebungsgeräusche ausblenden will.
Nach den "sad" Songs folgt ein "Break up" Song. Da kann jetzt jede*r selbst einordnen, ob das fröhlich oder traurig ist. Manchmal kann so eine Trennung auch sehr befreiend sein. Schließlich Abschluss mit HER SKIN, die aus eigens aus Italien anreisten und etwas übermüdet sind. Als wir den Club betreten, werden gerade ein paar "sad" Songs gespielt, die mich nicht so ganz überzeugen. Die Musik nimmt dann aber doch noch gut Fahrt auf.
Tatsächlich die einzige Band heute, bei der ich mir vorstellen könnte, das in ner ruhigen Stunde zuhause aufzulegen. So Indie-Pop, erinnert mich ganz angenehm an Künstler*innen wie Linn Koch-Emmery oder A.W./John-Allison Weiss.
Unser verfrühtes Aufbrechen lag allerdings nicht an der Band, sondern daran, dass ich die letzte Bahn erwischen wollte, um mir die Fahrt mit dem Nachtexpress zu sparen. Je später der Abend, desto anstrengender die Mitfahrenden.
Vom Etepetete-Festival bin ich mehr als positiv überrascht, ich habe tolle neue Künstler*innen entdeckt und einmal mehr festgestellt: der Blick über den Tellerrand lohnt sich. Ganz bis zum Ende bleiben wir dann doch nicht. Falls es also zum Abschluss noch Explosionen, rosa Elefanten oder UFO-Sichtungen gab, können wir an der Stelle unserer journalistischen Sorgfaltspflicht nicht nachkommen. Sorry!