Scooter, Beachbag, Picco, 02.09.2023 in Hemer, Sauerlandpark - Bericht von niklas
Scooter, 02.09.2023 in Hemer
Die Karre wird dann doch irgendwann geparkt und wir laufen zum Veranstaltungsort. Am Einlass wird bloß schnöde das E-Ticket gescannt, dann sind wir schon drin. Keine Durchsuchung, keine Belehrung. Also erst mal Bier auftreiben. Geht nicht so einfach, denn hier wird ein „Cashless-System“ benutzt. Dazu muss man sich eine Chipkarte leihen und da Geld drauf buchen, das man selbstverständlich bar beizubringen hat. Damit geht’s dann an den Bierstand, wo für 0,4l barackenkaltes Veltins 5,-€ von der Karte abgebucht werden. Dieser Buchungsvorgang dauert eine Weile. In der Zeit hätte man auch Cash kassieren können...
Wir suchen uns einen Platz hinter dem ersten Wellenbrecher und beobachten das sonstige Publikum. Ich hatte auf etwas mehr Rave- oder Love-Parade-Feeling gehofft, aber hier ist man ganz klar auf einem Volksfest. Es gibt neben ein paar Party-Touristen, die den Weg nach Malle nicht gefunden haben, auch die typischen Landfrauen auf Kegeltour, „Wacken 2023“-T-Shirt-Träger, Pferde-Mädchen und Spießer. Es riecht nach Zuckerwatte und Bratwurst. Ein paar ältere Leute laufen auch rum, ohne dass man erkennen kann, ob es sich um in die Jahre gekommene Raver oder Anwohner*Innen handelt, die auch mal ein Abenteuer erleben wollen.
Ohne große Vorankündigung oder einen erkennbaren Zeitplan fangen plötzlich BEACHBAG an, uns mit elektronischer Musik in Stimmung zu bringen. Ich beschließe, dass es Zeit für ein zweites Bier ist und begebe mich zum Bierstand. Dort finde ich eine extrem lange Schlange vor, sodass ich lieber zu einem anderen Bierstand weitergehe, wo etwas weniger Andrang herrscht. Trotzdem scheint das Bier erst noch gebraut zu werden, bevor es verkauft wird. Es dauert ewig. Dabei steht die ganze Zeit ein Typ hinter mir, der mich durchgehen berührt. Ich weiß nicht, ob er mich anbaggern oder beklauen will, aber beides klappt nicht so richtig. Und da er auf andere Menschen unerklärlich aggressiv reagiert hat, will ich hier lieber keinen Streit vom Zaun brechen. Natürlich gibt es hier kein erkennbares Awareness-Team, aber ich würde mich grade drüber freuen. Durch seine unerwünschte Nähe kommt nämlich auch keine Luft an meinen Rücken, wodurch mir unerträglich heiß wird. Und dabei wäre durchaus Platz nach hinten, er müsste mir nicht so auf die Pelle rücken.
Als ich endlich zu unserem Platz zurückkehre und zum Glück nur wenig Bier verschüttet habe, sind BEACHBAG schon fertig mit ihrem Set und klammheimlich ohne große Pause hat der DJ PICCO die Turntables übernommen. Der spielt dann jeweils sehr bekannte Gassenhauer kurz an, sodass man kurz den Refrain mitsingen kann, sofern man in der kurzen Zeit bemerkt hat, um welchen Song es sich handelt, dann wechselt er zum nächsten Song. Natürlich immer geremixed, damit das Ganze gleichmäßige Übergänge hat und halbwegs tanzbar bleibt. Zwischendurch frage ich mich, auf was für Partys der Typ geht, wenn er ernsthaft findet, dass „Zombie“ von den Cranberries dort NIEMALS fehlen darf (als Rausschmeißer???). Als er dann auch noch DEN Sommerhit des letzten Jahren ankündigt und dann ernsthaft „Leyla“ anstimmt, ist er bei mir endgültig unten durch. Trotzdem hier sein lieb gemeinter Hinweis: Wenn man ihn auf Insta anschreibt, schickt er einem gerne die gespielte Musik mit Infos, welche Songs da von wem wofür geremixed wurden,...
Ich freue mich derweil, dass die Umbaupause vermutlich wieder sehr kurz gehalten wird. Das DJ-Pult verschwindet, ein paar Keyboards werden aufgebaut und dann beginnt schon der Lichttest. Danach werden nur noch kurz die Lichter getestet, bevor der Lichttechniker noch einmal alle Lampen ausprobiert und hinterher alle Scheinwerfer testet...mir fallen gar nicht so viele Umschreibungen ein, wie ich bräuchte um die Dauer dieses sehr umfangreichen Ausprobierens der Lichtanlagen halbwegs glaubhaft einzufangen. Irgendwann schießt der Opa im Camp-David-Polo neben mir ein Foto der leeren Bühne und schreibt „anfangen“ drunter bevor er es verschickt. Es scheint aber niemanden von der Band erreicht zu haben, denn es passiert weiterhin nix. Als ich schon glaube, dass man uns abgezockt hat und hier überhaupt niemand mehr auftreten wird, geht es dann doch endlich los.
Endlich werden auch die Werbeanzeigen links und rechts der Bühne in die Lightshow eingebunden (übrigens waren auf den Informationseinblendungen mit dem Lageplan weder die Bierstände noch die Toiletten zu erkennen. Ich glaube, es gab gar keine Toiletten...). Als alter verlauster Punkrocker tut es ein bisschen weh, das einzugestehen, aber SCOOTER sind erstaunlich unterhaltsam. Dankenswerterweise wurde die Lautstärke auch noch mal ordentlich nach oben gedreht, sodass ich das besoffene Gelalle der Ballermann-Truppe hinter mir nicht mehr so doll hören muss (wo hatten die eigentlich das ganze Bier her?). Ich fange sogar recht bald an, mich im Takt zu bewegen und einzelne Textzeilen mitzusingen (die Texte sind aber auch wirklich einfach!).
Dabei stören nur die um mich herumstehenden älteren Leute, die keinen Millimeter weichen und deren einzige Bewegungen in direktem Zusammenhang mit ihren Smartphones stehen (einer hält locker zehn Minuten sein Telefon in die Luft, bis ihm jemand von weiter hinter mitteilt, dass er gar nicht filmt). Überhaupt finde ich die Smartphonenutzung auf Konzerten in meiner Punkrock-Metal-Underground-Bubble schon recht bedenklich, aber hier wird das alles ad absurdum geführt. Der Typ neben mir guckt sich tatsächlich ein über dreiminütiges Video vom SCOOTER-Auftritt während des voranschreitenden Auftritts MIT TON an! Außerdem göbelt er in diverse (?) Social Media-Plattformen, wie cool es ist bei SCOOTER zu sein, obwohl er seinen Blick während der ersten drei Songs nicht ein einziges Mal auf die Bühne gerichtet hat und auch während des restlichen Konzerts nicht einmal auch nur mit dem Kopf nickt.
In der Zwischenzeit versuche ich als total rücksichtsvoller aber irgendwie auch angepisster Mensch so zu tanzen, dass ich mich nicht ständig an seinem nackten Arm schubbern muss. Funktioniert nur, wenn ich mich stattdessen an der Hausfrau auf der anderen Seite reibe. Als alter weißer Cis-Mann könnte ich jetzt natürlich einfach meine Ellenbogen ausfahren und mir Platz schaffen, aber so will ich doch eigentlich nicht mehr sein. Außerdem bekomme ich immer wieder die Ellenbogen der hinter mir feiernden Ballermann-Truppe an den Kopf und weiß deshalb, wie nervig das ist. Also versuche ich weiter mich auf SCOOTER einzulassen und lege einen Mini-Diskofox aufs Pflaster. Links, rechts, Tepp. Wenn ich mich kurz eindrehe, kann ich auch einen Arm heben und den Punkrockfinger fliegen lassen, aber wehe, der kommt wieder runter, wenn ich grade den rechten Fuß belaste, dann haue ich Mr. Unbeweglich das Smartphone aus der Hand. Nebenbei muss ich auch noch aufpassen, die vielen Plastikbecher nicht zurück in den Tanzbereich der Ballermann-Truppe zu kicken, die werden sonst sauer. Und auch wenn es draußen ist, nerven von allen Seiten die Raucher, die sich eine Kippe nach der anderen anstecken, anstatt mit dem Arsch zu wackeln (das übernimmt eine Hausfrau weiter vorne, die auch nur diesen einen Move drauf hat).
So richtig komme ich selten in den Flow, dazu wird man doch von äußeren Faktoren zu stark bedrängt. Zwischendurch klettert zum Beispiel ein Mädchen auf den Wellenbrecher und macht es sich dort bequem. Hauptsache sie kann gut sehen und Selfies machen, egal, wer hinter ihr noch was mitkriegen möchte. Trotzdem finde ich den Auftritt, den die alten Männer da vorne abliefern, ganz gut. Die Bühne dürfte einen Meter höher sein, damit man auch mal was sehen kann, aber die LED-Wände und die Light- und Pyro-Show ist auch ganz ansehnlich. Sogar musikalisch kann ich eigentlich nicht meckern. Das ist schon ganz okay. Auch die Ansagen und Publikumsspielchen zünden, wenn man sich darauf einlässt. Ist schon nett. Kurz vor Ende gibt es dann noch die üblichen Zugabe-Spielchen und ein neuer Remix von „Hyper Hyper“. Das kann was.
Dann ist es aber doch irgendwann vorbei und wir warten noch kurz, bis sich der Platz etwas geleert hat. Die Cashless-Chipkarte wird zurückgegeben, wir finden auf dem Rückweg ein leeres Klo und schließlich auch das Auto wieder. Es ist noch ungewohnt früh und ich bin ungewohnt nüchtern, aber es geht jetzt wieder zurück nach Münster.
Das war ein interessanter Blick über den Tellerrand. Das Publikum war für meinen Geschmack einfach zu viel Gesellschaft und insgesamt sind diese Großveranstaltungen glaub ich nicht so meins. Aber ich wurde doch von einer Band, die eher nicht zu meinen Standardprogramm gehört, entertainet. Etwas mehr Bier wäre nett gewesen. Nächstes Mal dann vielleicht HC BAXXTER, dann klappt das auch mit der Awareness.
Das war ein interessanter Blick über den Tellerrand. Das Publikum war für meinen Geschmack einfach zu viel Gesellschaft und insgesamt sind diese Großveranstaltungen glaub ich nicht so meins. Aber ich wurde doch von einer Band, die eher nicht zu meinen Standardprogramm gehört, entertainet. Etwas mehr Bier wäre nett gewesen. Nächstes Mal dann vielleicht HC BAXXTER, dann klappt das auch mit der Awareness.