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Mittwoch, 17.01.2018: Interview mit Feine Sahne Fischfilet


Es ist Freitagabend in einer hippen Bar an der Ecke gegenüber der Volksbühne in Berlin-Mitte. Aus den Lautsprechern dröhnt elektronische Loungemusik, die im immer gleichbleibenden Rhythmus pulsiert. Feine Sahne Fischfilet stellvertreten durch Sänger Monchi, Trompeter Jacobus und Gitarrist Christoph betreten das Lokal und schauen sich leicht irritiert um. Sie kommen gerade vom Interview bei einem lokalen Radiosender im Gebäude gegenüber und beenden mit mir ihren zwölfstündigen Interview-Marathon. Deshalb hat die Agentur diese Lokalität für das finale Gespräch des Tages vorgeschlagen, bevor das Trio wieder zurück Richtung Ostsee düst, um die letzten Handgriffe bei der Vorbereitung ihrer Release-Party in Loitz zu tätigen. Für das Interview setzen sich Monchi und Jacobus zu mir an den Tisch. Christoph darf derweil schon mal ein Bier trinken.



Phil: Wie fühlt es sich an, wenn man vom Feuilleton hofiert und von einem Interview zum nächsten gejagt wird?
Jacobus: Naja, erstmal würde ich nicht sagen, dass der Feuilleton uns hofiert, vor allem wenn man sich anguckt, wie manche Rezensionen denn ausgefallen sind. Ich glaube, die begegnen uns genau so kritisch wie auch viele andere Leute, was ich auch gut finde.
Monchi: Für mich ist das nicht schlimm, sondern jetzt einfach geil, so etwas erleben zu dürfen. Vielleicht interessiert sich in drei Jahren schon kein Schwein mehr für das nächste oder übernächste Album. Wir haben über ein Jahr an diesem Album gearbeitet und heute kam es raus. Da ist man total aufgewühlt. Was soll ich denn da rummeckern? Soll ich es besser finden, wenn wir gar keine Review haben? Ich brauch nicht auf geheimnisvollen Künstler machen, der keine Interviews gibt. Wir finden es cool und wir haben auch immer persönliche Geschichten, wozu wir auch einfach viel zu erzählen haben.

Phil: Also habt ihr so eine norddeutsche Bescheidenheit?
Monchi: Nee, das ist keine Bescheidenheit. Wir finden das affengeil. Ich hab auch gar kein Problem damit, dass uns der Feuilleton geil findet. Aber das haut mich jetzt auch nicht so vom Hocker. Der nächste der gleichen Zeitung würde vielleicht schreiben, dass wir die größten Schweine seien. Das ist doch immer so beliebig. Es ist schön, wenn es Leuten gefällt. Wir gehen da nicht ran und sagen, jeder muss uns jetzt geil finden. In Zeiten wo 13% die AfD wählen, wäre das auch sehr komisch.

Phil: Ihr habt schon vor der Veröffentlichung des Albums gleich drei Videos rausgehauen, die einen guten Eindruck davon liefern, wie gut das Album nach vorne geht. Habt ihr überhaupt noch Promo nötig? Sprechen die Videos nicht schon für sich?
Monchi: Wir machen diese Band seit zehn Jahren und kennen es auch, dass sich sehr wenige Leute dafür interessieren. Wenn wir dann auf einmal mit Fremden darüber quatschen, was sie vom Album halten und sie es dann kacke finden, finde ich das auch interessant. Was ich allerdings viel anstrengender finde, ist, nicht über ein Album zu reden, an dem wir schon ein Jahr lang gearbeitet haben. Wenn es aber klar ist und das Datum für die Release steht, ab da laber ich mir die Zunge ab.
Jacobus: Wir wurden heute zum Beispiel mehrmals gefragt, wie einige Sachen auf dem Album eigentlich gemeint seien. Das ist ein toller Moment, wenn man merkt, dass sich jemand damit auseinandergesetzt hat. Vielleicht braucht es aber noch ein Gespräch, damit es für manche ganz klar wird, was wir denn damit gemeint haben. Dafür kann so eine Unterhaltung über die Platte ganz gut sein. Für uns ist heute auch ein bisschen der Moment der Wahrheit: Wir lassen die Hosen runter, in der Hoffnung, dass wir nicht nur selbst davon überzeugt waren, sondern weil es wirklich gut ist.


Phil: Im Interview mit dem Stern hast du, Monchi, gesagt, dass gerade jetzt die Zeit ist, wo man sich gerade machen und für eine freie Gesellschaft eintreten muss. Richtet sich das eher an diejenigen, die normalerweise nur vor ihrem Computer sitzen und Einladungen zu Demos rausschicken ohne selbst hinzugehen oder auch an Prominente wie Helene Fischer oder Günther Jauch, die einfach mal die Klappe aufmachen könnten?
Monchi: Bei den Interviews gibt es diese Standard-Frage zu der Veränderung in den letzten drei oder vier Jahren, ob man jetzt mit Nazis reden müsse. Das ist für uns gar nicht der Fokus. Bei Sturm & Dreck geht es uns darum, Kraft zu vermitteln und geile Momente zu schaffen. Es geht darum, mit den Leuten, die es gibt und nicht diesen Rechtsruck hinnehmen, was zu machen. Alles was wir machen, wie die „Noch nicht komplett im Arsch“-Kampagne im letzten Jahr, das stemmen wir ja nicht alleine, sondern da sind hammer-viele Leute um uns herum, mit denen wir das gemeinsam reißen. Wenn das noch mehr werden würden, dann würde ich das sehr toll finden. Das heißt aber nicht, dass die was mit mir oder mit uns als Band machen müssen. Wir haben diese Sachen gemacht und die sind nicht nach der Landtagswahl zu Ende. Das ist ein roter Faden. Das haben wir vorher gemacht und das machen wir auch weiter. Wenn jetzt Leute kommen und mir sagen, wie geil sie die Aktionen finden, dann kann ich nur sagen, dass wir ja nicht das Rad neu erfunden haben. Wir sind genau solche Assis wie alle anderen. Manchmal sind wir schlau, und manchmal dumm. Nur: Das was wir können, das könnt ihr auch.
Jacobus: Es ist irgendwie ein Aufruf an alle Leute, die es gibt, sich in ihrer Sache auch zu bestärken. Das ist ja egal ob die Schauspieler oder Musiker sind oder im Radio arbeiten, es gibt ja auch ganz viele andere Leute. Wichtig ist, in den entscheidenden Momenten da zu sein, beispielsweise in der U-Bahn mal das Maul aufzumachen, weil einer wieder nen rassistischen Spruch reißt. Wir machen nur das, was wir schon immer machen. Das kann man aber auf allen anderen Ebenen übertragen. Wir sind gar nicht so wenige.
Monchi: Ich finde auch, dass sich Party und Politik nicht ausschließt. Morgen bei unserer Release werde ich mir fast in die Hose pissen vor Saufen. Aber vorher gibt es einen Vortrag zur AfD in Mecklenburg-Vorpommern. Das ist ein ganz einfaches Ding. Man kann auch Lebenslust haben und sich trotzdem mit so Sachen beschäftigen und nicht auf alles scheißen.

Phil: Da hast du Recht. Ich möchte noch auf eine Sache in diese Richtung eingehen. Eure Haltung ist ja hinlänglich bekannt: ihr setzt euch gegen Faschos, gegen Nazis, gegen den Rechtsruck ein. Hattet ihr in dem Zusammenhang eigentlich auch Angst um euer Leben?
Monchi: Punktuell hat man Angst – und manchmal ist es eklig. Popularität hat seinen Preis, man wird dann für bestimmte Sachen zur Projektionsfläche. Aber wir haben trotzdem noch ein großes Privileg im Sinne von Öffentlichkeit. Nach zehn Jahren haben wir das erste Mal einen eigenen Proberaum aufgebaut und da wurde uns schon nach ein paar Monaten gleich wieder Buttersäure reingeschmissen. Das ist zwar eklig, aber wir können es thematisieren und Ruhe damit finden. Auf der anderen Seite haben wir auch viele Bekannte, die nicht so eine Öffentlichkeit wie wir haben. Da gibt es sehr sehr viele Leute, die es noch viel beschissener haben, vor allem in den ländlichen Regionen, die sich trotzdem unter noch widrigeren Umständen dort gerade machen. Für uns ist es manchmal schwierig, aber wir wollen da nicht in eine Rumheul-Rolle verfallen. Deshalb auch das Lied „Angst frisst Seele auf“. Selbstverständlich hat man mal Angst, selbstverständlich sagt man auch mal, dass einem der ganze Politik-Rotz scheißegal ist und man keinen Bock mehr darauf hat.
Jacobus: Es geht ja vielen Leuten so, dass sie sich einfach verbrennen, weil es einen einfach fertig machen kann. Ich hab das bei uns jetzt in den Vorbereitungen wieder gemerkt, als wir total in unserem Jumm sind, während in Loitz Neonazis Einschüchterungsversuche unternehmen. Wir wissen das inzwischen einzuordnen und haben damit einen relativ entspannten Umgang gewonnen, dass es eigentlich normal ist, dieser Gefahr ausgesetzt zu sein. Es gab ja genug Angriffe und wenn man mal aufs Maul kriegt, dann ist es so, in der Hoffnung, dass nicht mehr passiert.

Phil: Auf Sturm & Dreck sind mir vor allem zwei Themen aufgefallen und das waren für mich Zusammenhalt und Heimat. Kann man diese Begriffe nicht einfach der AfD und den Rechten wieder wegnehmen und neu besetzen?
Monchi: Ich muss echt sagen, dass ich mich mit solchen Begrifflichkeiten gar nicht aufhalte. Bei so Liedern wie „Zuhause“ geben wir textlich und im Video genug Antworten, wie wir dazu stehen und ab dem Punkt wo Leute irgendwelche Begriffe glorifizieren, finde ich es dumm. Genau deswegen versuchen wir, da verschiedene Perspektiven aufzulegen. Ich liebe es in Mecklenburg-Vorpommern zu leben, in der Nähe von der Ostsee. Da sind meine Familie und meine Freunde. Für einige geht es ja wirklich um diese Begrifflichkeiten. Meiner Meinung nach geht es mehr um das Gefühl und das, was man macht. Zusammenhalt ist für mich auch ein ganz schönes Wort. Für mich heißt das auch Streiten oder sich mal auf den Sack gehen. Deshalb ist das für mich genau die richtige Antwort auf die Zeiten, die es jetzt nun mal gibt. Die Leute, die cool sind, müssen jetzt einfach auf ganz unterschiedliche Art und Weisen zusammenhalten. Wenn‘s drauf ankommt, hat man zusammenzuhalten und das ist das, was zählt.
Jacobus: Ich glaube, eines der momentan größten Probleme in unserer Gesellschaft ist Vereinzelung. Vielleicht kann man das dem Zusammenhalt einfach gegenüberstellen. Natürlich sind diese Begriffe falsch besetzt, aber man muss sich nicht an diesen Begrifflichkeiten aufhalten. Ich finde es wichtig, dass Menschen zusammenkommen und reden. Probleme entstehen, weil nicht genug miteinander geredet wird. Heimat versuche ich ein bisschen zu abstrahieren. Natürlich bin ich dort, wo ich aufgewachsen bin, am besten vernetzt. Da kenn ich die meisten Leute und kann am meisten bewegen. Das ist für mich immer der Motor gewesen, warum wir das in Mecklenburg-Vorpommern machen. Mein Antrieb ist nicht meine Heimat, sondern ich möchte was verändern.


Phil: Klare Ansage. Kurz bevor ich euch getroffen hab, hab ich den Artikel über euch in der Zeit gelesen. Der Autor hat da festgehalten, dass ihr – weil ihr auch über Heimat singt – so etwas wie „Freiwild von links“ seid. Was sagt ihr dazu?
Monchi: Das ist mir egal. Ich glaub, dass ist dann irgendwer, der was Reißerisches schreiben will und meint, dass er damit ein total witziges Ding macht. Ist mir aber total Latte.
Jacobus: Ich finde das problematisch, weil man damit – der Extremismustheorie folgend – eine Kerbe schlägt, mit der man sagt, dass sich links und rechts irgendwann treffen. Ich würde darauf antworten, dass wir die deutlich besseren Musiker sind. Ich finde es schade und weiß auch nicht, ob das nur so eine Provokation sein soll. Ich hör Freiwild nicht, glaube aber nicht, dass deren letzte Platte so gut ist wie unsere. Und das ist der elementare Unterschied.

Phil: Zeit im Auge, ich komm jetzt zu meiner letzten Frage: Ihr habt ja den Ruf, während und nach euren Shows immer alles zu geben. Ihr geht jetzt wieder auf große Tour. Wie stellt ihr sicher, dass ihr auch am dritten Abend nicht – Achtung, Wortspiel – „komplett im Arsch“ seid?
Jacobus: Für diese Tour haben wir es extra so geplant, dass die Band nicht schon direkt nach der Show im Bus sitzt und über Nacht zur nächsten Stadt fährt. Stattdessen werden wir jeweils die Aftershow-Partys mitnehmen können. Noch wissen wir nicht, ob das eine gute Entscheidung war, das wird sich zeigen. Ich erinnere mich allerdings an letzten Sommer, da standen wir bei Rock im Park am Tresen und ich hab mich gewundert, ob mein Körper das verträgt wenn ich noch weiter trinke. Am nächsten Tag hab ich mich genau so gefühlt und in die Reifen gekotzt. Irgendwie geht es dann aber trotzdem und ein Konzert bringt unfassbar viel Euphorie. Das ist ein bisschen wie eine Droge.
Monchi: Es gibt keine Garantie dafür, dass am anderen Nachmittag noch alles super ist. Das gehört dann auch dazu. Bei diesem Abend beim Rock im Park war alles umsonst und darauf kommen wir überhaupt nicht klar. Wir haben alles weggesoffen und am nächsten Tag standen wir bei Rock am Ring auf der Bühne. Das war ne absolute Katastrophe. Meine Stimme war richtig im Arsch. 10.000 Leute vor der Bühne und ich sag irgendwann: „Es tut mir leid, wir haben uns gestern halb tot gesoffen. Da war alles umsonst. Wir mussten einfach alles leersaufen. Ich schwör euch aber, ich geb alles und wenn meine Stimme die nächste Woche nicht geht.“ Ab dem Punkt sind die Leute abgegangen. Ich glaube, wenn du alles gibst, dein Herz reinlegst und die Leute merken, dass du Bock hast, dann ist das etwas was mich selber und auch die Leute pusht. Dann ist es auch scheißegal, ob du jeden Ton triffst, sondern es geht ums Gefühl. Ich find es geiler, wenn ne Band das irgendwie zelebriert anstatt es glatt runterzuspielen. Auch wenn‘s mal hart ist.


Philriss 01/2018
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Bönx
(Bönx)
21.01.2018 09:18
Fein Phil!

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