Ein Konzert-Vorbericht
Das Warten bis September reichte noch nie. Seit geraumer Zeit touren Peter And The Test Tube Babies im Dezember jeden Jahres durch teutsche Lande und wenn ich mich recht erinnere, hieß es schon weit vor der Jahrtausendwende, dass die Gigs in der Zeche Carl zu Altenessen und in der Börse zu Wuppertal im Jahr darauf die Abschiedsgigs der Friedenshafener (Peacehaven, East-Sussex) hätten gewesen sein sollten (Plusquamperfekt IV). Vielleicht war das Englisch meiner damaligen Wegesgenoss:innen aber auch einfach nur genauso schlecht, wie meins noch immer ist. Und so erfreut sich das gemeine Volk nach wie vor alljährlich über die vorweihnachtliche Bescherung von der Insel.
Könnte ich natürlich auch so machen. Aber mir sind da einfach zu viele Deutsche, haha.
Was sagst du da, du hasserfüllte wutbürgerliche Kommentarspalte, welche nicht in der Lage ist, die feine Rhetorik zu entschlüsseln? "Wer Teutschland(-Peter-Konzerte) nicht mag, soll Teutschland (dann halt) verlassen?" Na dann... meinetwegen. Also auf zum alljährlichen Peter-Heimspiel gen Brighton.
So sehr mir das Denken in nationalen Grenzen auch schwer fällt: Mensch kommt ja manchmal nicht drum rum. Spätestens wenn der "nette" Grenzschützer uns die Karre auf den Kopf stellt und in unseren Rucksäcken nach den letzten Geflüchteten aus dem französichen Dschungel bei Calais (
https://de.wikipedia.org/wiki/Dschungel_von_Calais) sucht, werde ich wieder daran erinnert.
Aber es geht noch akuter: Für mich sind gewisse Gedankengänge in nationalen Grenzen gerade umso mehr relevant, da ich mich verdammt gerne auf dieser Insel da oben aufhalte, scheißegal wie sie heißt und wie ihre Nationalfarben sind. Allen patriotischen Anwandlungen mancher UK-Punkrock-Band, die natürlich nur fußballbezogen sind, zum Trotze.
Dennoch macht mir das aktuell arg zu schaffen. Denn während sich hier die (punkrocksche) Linke weitgehend einig ist, was die Solidarität mit Israel betrifft, so sieht es in UK komplett anders aus. Einst von mir sehr abgefeierte Bands haben seit den Hamas-Terroranschlägen kein Problem damit, antisemitische Hetze und Boykottaufrufe zu teilen. Während The Restarts sich schon längst von dem verabschiedet haben, was hier gerne "berechtigte Israel-Kritik" genannt wird, schlagen auch viele andere Musiker:innen aus UK inzwischen in die gleiche Kerbe. Teils offen mit eigenen Boykottaurufen (z.B. The Menstrual Cramps), teils The-Restarts-Postings teilend (z.B. Wonk Unit) oder auch nur mal "nebenbei" in einer Story einseitige Solidarität bekundend (z.B. Petrol Girls). Punkrock-Musiker:innen, die zumindest (wenigstens) auch die Hamas-Terrorschläge verurteilen, habe ich bisher nicht finden können. Entweder es gibt einseitige Solidaritätsbekundungen (teils gepaart mit Boykottaufrufen) mit Palästina oder mensch äußerst sich gar nicht zum Konflikt (ich spare mir an dieser Stelle das alles einzeln rauszusuchen und zu verlinken; wen es interessiert, muss ja nur die öffentlichen Facebook-Seiten der Bands durchforsten oder kann deren Äußerungen vermutlich auch auf weiteren Social-Media-Plattformen, auf denen ich mich nicht bewege, finden).
Klar, dass es mir da mehr als schwer fällt, überhaupt noch im Punkkontext auf der Insel unterwegs zu sein und mein eigentlich festes Vorhaben, im näxten Jahr auch wieder zum Manchester Punk Festival zu düsen, arg ins Wanken gerät. Immerhin haben sich Peter bisher noch nicht zu diesem Thema geäußert (zumindest nicht für mich auffindbar), so dass ich doch sehr hoffe, zumindest bei ihrem Konzert in Brighton von antisemitischer Scheiße verschont zu bleiben. In diesem Fall bin ich da sogar guter Dinge.
Es ist allerdings nicht der einzige linke Subkontext, bei dem diese einseitige Haltung offensichtlich wird (und selbstverständlich ist diese Tendenz auch in den linken Sub-Szenen anderer Länder zu beobachten). Auch bei manch antifaschistischem Fußballclub ist die Solidaritätsbekundung klar und eindeutig, wie z.B. beim Clapton FC, wo nicht nur die Fans mit "Free Palestine"-Bannern auffallen, sondern selbst die Vereinsoffiziellen auf ihrer Hompeage verkünden: "Die Rolle der internationalen Linken besteht erstens darin, Solidarität mit dem palästinensischen Volk zu zeigen, das einen sich abzeichnenden Völkermord durchlebt, und zweitens darin, die Rolle unserer Regierung zu verurteilen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen." Das Wort "Hamas" sucht mensch in dem nicht gerade kurzen Statement erfolglos (
https://www.claptoncfc.co.uk/2023/10/19/ccfcs-commitment-to-palestine/). Puh.
Die Sozialisation der antifaschistischen Linken in UK ist offensichtlich inhaltlich von der - im Regelfall zwangsläufig Hand in Hand gehenden - klaren Haltung gegen Antisemitismus, wie wir sie für selbstverständlich halten, weit entfernt. Für mich ist damit schwer umzugehen, zumal ich einer Person wie Alex Wonk - so wie ich ihn kennen gelernt habe - auf der anderen Seite durchaus abnehme, nichts anderes als Frieden und Liebe für alle Menschen auf dieser Welt zu wollen. Wer aber Boykottaufrufe von The Restarts teilt, der hat zumindest - sehr wohlwollend interpretiert - so einiges nicht kapiert. Und an dieser Stelle hasse ich es sehr, dass mein Englisch so miserabel, bzw. quasi gar nicht vorhanden ist, um an der Stelle mal konstruktive Gespräche mit der einen oder anderen Person zu führen und ihnen die Sicht eines teutschen Antifaschisten näher zu bringen. Vielleicht ließen sich so ja ein paar geschichtliche Lücken schließen und manch einseitige Bekundung zumindest in eine differenzierte Sichtweise ändern. Denn anders kann ich mir so eine Reaktion bei der einen oder anderen Person schlichtweg nicht erklären.
Mittwoch geht es also nach England und vermutlich wird es hier eine Fortsetzung in Form des Peter-Konzertberichtes geben. Ja, es bleibt spannend. Gute Nacht! Hoffentlich.
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