Giulio Galaxis:
s/t
Also, ich muss zugeben, nach dem Intro war ich schon geneigt, die Platte abzuschreiben. "Ich bin Giulio Galaxis!", na und? Interessiert mich nicht, kannst von mir aus auch Hans-Peter heißen. Irgendwie doof, wie gewollt und nicht gekonnt.
Eine Vorgängerin dieser Band hieß "Prinzessin halt's Maul" und hat mir auch schon nicht gefallen. Der neue Name ist besser, die Band an sich auch. Wir haben es mit Punk/Hardcore zu tun, mir kommen als Vergleich z.B. Durango 95 in den Sinn. Die Riffs sitzen, die Singalongs sind da, Melodie und Rhythmus sind im Einklang, Produktion sauber, könnte noch etwas fetter sein, aber gut. Der Sänger bratzt gut rein, ist allerdings dabei auch ziemlich eintönig, vielleicht sollte er mehr singen. Geschmackssache. Nach 25 Minuten ist das Ganze vorbei.
Knackpunkt Texte. Ich verstehe sie nicht. Eine Anderreihung von Phrasen, und wenn's mal um was geht ("Holiday in Lampedusa"), klappen die Zehennägel hoch. Woher wisst ihr denn, was in jemandem vorgeht, der übers Mittelmeer nach Europa flüchtet, und was der so denkt, wenn er untergeht? "Und hey, du wirst schon sehn - wenn dich der Tod nicht holt, dann holt dich das System - und Frau, hast du gesagt, wenn ich das schaffe, brauch ich nur noch ein Jahr". Hm. Geht es da vielleicht gar nicht um Flüchtlinge, sondern um Urlauber in Lampedusa? Kann sein, ist aber auch irgendwie komisch.
Überhaupt dieses Geduze. Sieben von neun Lieder wenden sich an irgendein "Du", das ist mir unangenehm, aber gut, vielleicht bin ich auch einfach der falsche Adressat. Vielleicht denken andere sich: Ja, genau, der hat mich verstanden, der Giulio, so ist das, jetzt ändere ich mein Leben! "Offline" sticht ein bisschen heraus, sowohl musikalisch als auch textlich, es soll wohl eine Ansage gegen Pegida und Co. sein, aber so ganz kann ich den Inhalt nicht nachvollziehen (es wird ein "Wir" aufgemacht, das irgendwie den Fremdenhass in dem "Ihr" erzeugt, aber wer genau ist damit gemeint?), und "Ihr wollt das Volk sein und doch seid ihr nichts" ist erstens einfach grundfalsch (per definitionem sind nun einmal alle das Volk), und zweitens hieß es vorher noch "Wir sind das alles und doch sind wir nichts", spätestens da wird es gaga, wer ist denn nun "nichts", "wir" oder "ihr"? Und warum, um alles in der Welt, soll man "offline" gehen? Giulio Galaxis ist auch nicht offline, er hat eine Facebook-Seite! Irgendwie habe ich das Gefühl, da wollte jemand klug und vieldeutig klingen, allein, es bleibt bei dem Versuch, ich bin bloß verwirrt und sehne mich nach 80er-Deutschpunk-Parolen.
Überhaupt sollte man sich wieder mehr an die einfachen Dinge im Leben halten. Staat und Kapital sind scheiße, Bullen sowieso, damit macht man nichts falsch. Und all die armen Schweine, die zu dumm sind zu erkennen, dass sie mit den noch ärmeren Schweinen in einem Boot sitzen, verdienen nicht Verachtung oder moralische Belehrung, sondern Mitleid und Aufstachelung zum Klassenkampf, denn wer nicht mehr ausgebeutet wird, kann auch wieder besser Solidarität lernen und üben. Dafür braucht er aber überhaupt erstmal selber welche.
Damit das mal klar ist.
Zum Wohl, nichts für ungut.