Kannibal Krach:
Untermenschen in der Überzahl
Das dritte Album der Wermelskirchener ist da! Zu hören gibt es das schon seit Januar und nun auch als physischen Tonträger, nämlich rotes, transparentes Vinyl. Es ist natürlich ein Glücksfall, dass gerade jetzt Angela, Jan und Recep die Werbetrommel rühren, für das zunächst selbst finanzierte Projekt. Stichwort Kraut-Funding.
Eine markante Veränderung zu den beiden Vorgängern von 2010 und 2011 ist die sehr gelungene Produktion von Tobias Schmelzer, dem Haus- und Hof-Produzent des Rheinisch-Bergischen-Klüngels. Er verpasst Kannibal Krach endlich genau den Sound, den sie brauchen. Der Gesang legt sich dazu noch deutlicher auf Gekeife und richtiges Geschrei fest, und es gibt weniger (Zitat aus Wermelskirchen) „Koboldgesang“ als bei den Vorgängern. Das alles steht der mittlerweile wieder zum Trio geschrumpften Band ausgezeichnet.
Die Besetzung ist nach wie vor die Achillesverse der Band, wobei KK zumindest live alle Varianten von der 1-Mann-Besetzung bis zum symphonischen Quartett beherrschen. Je nachdem, wer gerade kann und gesund (genug) ist. Das chaotische Element stellt aber gleichzeitig auch die Stärke der Band dar. Das Betrifft sowohl die Auftritte als auch die Musik. So richtig fassen lassen wollen sie sich natürlich immer noch noch nicht und so werden Punk, Hardcore, Metal, Grind und so weiter in die Waagschale geworfen. Man möchte sich selbstverständlich auch keiner Szene zuordnen lassen. Auch die Texte spiegeln das wider. Es bleibt provokant bis zynisch. Das allerdings wie gewohnt auf einem sehr intelligenten und reflektieren Niveau.
Abholen möchten Kannibal Krach aber immer noch niemanden. Ähnlich wie bei den Vorbildern JaKa muss man sich die Musik und Texte schon selber geben. Krabizig und bissig kombinieren KK Angriffslust mit einer Haltung, die sie relativ unangreifbar macht. Gefällt dir nicht? Gut so! Zu provokant? Sehr gerne! Das ist auf jeden Fall Punk im Geiste und findet neben dem nötigen Bedarf an Hatern natürlich auch genügend treue Anhänger. Es gibt aber auch versöhnliche Momente, in denen Melodie und sogar die ein oder andere Hook erlaubt ist. Das rundet den Gesamteindruck angenehm ab.
Ein kantiges Werk mit eingängigen Momenten also, das hervorragend die Tristesse, Frustration, Wut und was der kleine Koffer der unangenehmen Gefühle sonst noch so hergibt, transportiert. Es lohnt sich auf jeden Fall dieses Album oft zu hören, da in den knapp 21 Minuten auch beim zehnten Durchgang immer noch noch neue Eindrücke entstehen. Bei mir zumindest, darum habe ich mir auch ein bisschen Zeit mit dem Niederschreiben gelassen.