Eisenpimmel:
Viva la nix!
Eisenpimmel sind politisch geworden und hauen nach gut sieben Jahren diese Doppel-CD respektive Dreifach-LP raus. Wochenlang hab ich nun überlegt, ob das Ergebnis eher gut oder schlecht ist. Ich komm einfach nicht dahinter. Muss man wohl nehmen wie es ist. Oder, wie Eisenpummel selbst einmal kundtaten: "Man muss das Saufen einfach nehmen, was das Saufen nämlich ist. Nämlich Saufen, nämlich Saufen, nämlich Saufen."
Auf Viva la Nix geht es zunächst dem Großkapital an den Kragen. Bärbel hat Kapitalbedarf. Siggi legt sich mit Investmentbanken an. Es fallen große Schlagworte wie Geldwertstabilität, monetäre Totalverweigerung, Gentrifizierung, Stagnation. Pfoten weg vom Fortschritt, ist die Devise.
Die Songs bieten eine ganze Schlagseite an Musikstilen und kombinieren diese bunt durcheinander. "Auf der Suche nach Problemen", "Viva La Nix" & "Uninteressante Minderheiten" sind klassische Punk-Hits, letzterer komplett von Dicken dargeboten. "Zeig mir den Weg zur nächsten Nichttrinkerkneipe" ist ein schrecklicher Discofox-Schlager im Style eines Wendlers. Den Refrain hat aber doch Guildo Horn gesungen. "Grundlos Durstig" erinnert ein wenig an Joan Jetts "I love Rock’n’Roll", insbesondere wenn Bärbel intoniert. Bei "Kackstuhl aus Pomm Fritz" fehlen nur die Trompeten, um die Skanummer komplett zu machen. "Im Wurstparadies" rappt Kai-Uwe 4 PS munter vor sich her. Es gibt sogar ein Sample aus "Ich Arsch hab mir Fleisch gekauft" - Sachen gibts, die sollte es eigentlich nicht geben. Es folgen noch Elektropop ("Präludium 0800"), Folkrock ("Ab auf die Straße"), n Lindenberg-Verschnitt ("Schlimmer Finger"), n Iron Maidon Verschnitt ("Tritt die Sorgen in den Arsch") & n bisschen Pink Floyd ("Epilog / Theme from Epilog").
Zwischen den Songs kommen immer wieder die Eisenpimmel-typischen Dialoge als Zwischenspiele. Nur dieses Mal wirken die Gespräche gezwungen, abgelesen und irgendwie uninspiriert. Der Funke springt nicht immer über.
Eisenpimmel selbst beschreiben ihr Werk als Rockoper semi-politisch Interessierter. Mir geht die Stilmischung relativ fix auf die Nerven. Es gibt einfach zu viele emotionale Hochs und Tiefs, die sich so abrupt abwechseln. Die Texte sind wieder ganz weit vorn - vermutlich das Beste was es derzeit gibt. Nur, 3/4 der Songs kann ich mir nicht als Liveinterpretation vorstellen. Aber das soll man von einer Oper auch gar nicht erwarten. Und zum Abschluss versöhnt sich "Viva la Nix" wieder mit mir. Nach einer (Vorsicht: Klischee) Achterbahnfahrt der Gefühle kommen "Sonne, Mond und Scheiße", "Tritt die Sorgen in den Arsch" und der "Epilog" - alles unbedingte Hits! Duisburg City Power Schuh! Es gibt kein Stern am Sternenhimmel, außer vielleicht den Eisenpimmel! Klasse!
Eins ist noch zu bemängeln: Der Einstieg wurde frech von Betrunken im Klappstuhls "Am Strand" geklaut: Meeresrauschen. Dann Fanfaren, Trommeln, Seriosität. Skandalös!