Scheissediebullen:
Anwohner raus!
Ich sitze stocknüchtern mitten in der Woche da wo ich immer sitze, in meinem Sessel nämlich, und plötzlich riecht's nach brennender Mülltonne nachts vorm AZ, und das Leitungswasser schmeckt nach Pils. Was sich anhört wie eine beginnende Psychose ist das Werk von SCHEISSEDIEBULLEN. Denn "Anwohner raus!" klingt wie irgendwas zwischen Knochenfabrik, Slime, Die Toten Hosen (früh) und ist dabei weder ironisch noch peinlich, sondern einfach nur geil. Es wird gegröhlt, geschunkelt, gesungen und gehasst wie anno dazumal. Selbstverständlich geht's um alles, um das es halt so geht im Deutschpunk, und das ist auch gut so, denn es stimmt ja auch immer noch alles: Die Guten sind die Punks, und die Bösen sind die Polizei. Geil!
Noch geiler wird's für mich alten Folklore-Junkie, wenn, wie in "Offensichtlich unbegründet", die Akustik-Gitarre ausgepackt wird, um eine der vielen herrlichen Tonleiter-rauf-Tonleiter-runter-Strophen zu begleiten. "Taschenmesser" machts dann noch besser mit Megaphon-Gesang und einem Refrain, in dem mit Hingabe vom "brennenden Verlangen" gesungen wird, dem brennenden Verlangen danach, anders zu sein, selbstverständlich! Zu diesem Zeitpunkt sind bereits besorgte Bürger, Nazis und die Polizei zum Teufel geschickt worden, also werden die großen Gefühle noch weiter bedient, und es geht auf dem "Wiehre-Flohmarkt" so herzzerreißend um Niedergeschlagenheit und Selbstzweifel, dass man endlich aufhören kann zu rätseln, worum es in den Texten von Turbostaat eigentlich geht! Das Ende des Albums verrate ich jetzt nicht, aber wer da als 30+ nicht auf der Stelle wieder 14 ist, der ist tot oder Bankkaufmann.
Also: 15 Lieder, 15 Hits, sogar die Produktion ist old-school-lastig (also ohne Bass), was will man mehr in Zeiten, in denen das Visions-Magazin "Punk lebt!" verkündet und ein Musikjournalist wie Linus Volkmann "Deutschpunk"-Listen veröffentlicht, in denen nicht ein einziges Punk-Album zu finden ist? Eben. Kaufen!