Ulf:
Vier gute Lieder
Herbst 2016: Irgendeine deutsche Band spielt Punkrock. In jedem ihrer Lieder geht es um irgendein "Du", das irgendwas fühlen soll, z.B. Verzweiflung über die irgendwie immer noch schlechte Welt oder Wut auf die Ex, die das geplante Reihenhaus nun doch mit jemand anderem plant. Geschichten erzählen ist out, Gefühlsduselei in, Punk ist tot.
Herbst 2016: Erstmal zu Penny. Da stehen ULF und kaufen Schnaps. In irgendeinem Keller verkleben sie kichernd wie kleine Jungs massenhaft alberne Sticker, denn sie sind über 30 und lieben das Leben. Kurze Zeit später treten sie auf und spielen Lieder genau darüber, aber eben umgekehrt: Darüber nämlich, dass das Leben, wie es hierzulande von den meisten gelebt wird, so brutal normal wie möglich, komplett beschissen ist. "In Häusern wie diesen soll man sich das Leben nehmen - dafür sind sie da! - Dafür hat man sie gemacht!". Auch die Liebe hat da ihren Platz, aber sie kann tatsächlich mal was retten, stimmt ja, "da ist noch Docht, und ich seh auch noch Wachs! - Ich hab Feuer dabei, das kann ich dir leihn"; was ULFs Sänger hier so angenehm entspannt und klar singt, ist so schön und ehrlich, hart und gemein, das schafft sonst vielleicht noch Jörkk Mechenbier, wenn er einen guten Tag hat.
Und die Musik! "Stress bei Penny" hat einen Refrain, für den so manch andere Band die Ox-Redaktion anzünden würde - hymnisch, aggressiv, euphorisierend, bis es weh tut. Allgemein: herrlich melancholische Gitarrenarbeit und ein präzises, an den richtigen Stellen verspieltes Schlagzeug. Zusammen ergibt das vier wirklich sehr gute Lieder - man höre z.B. mal, wie elegant "Niklas wird entführt" zwischen dreckigem Punk und zartem Emo wechselt und dabei mal eben schnell eine Geschichte erzählt, die man so wohl noch nie gehört hat in diesem Genre: "Frau Jansen fleht und wimmert leise - hat viel zu oft nur Gutes gesehn!" Jawoll. Abschließend gibt's noch "Hackepeter", bei dem mir besonders die textliche Spielerei am Ende der Strophen gefällt - und auch hier hören wir wieder eine Liebesgeschichte, die sich der Kollege Rachut nicht hätte schöner ausdenken können. Also: Punk lebt, danke ULF, jetzt mal her mit dem Album!
"Vier gute Lieder" erscheint Ende November digital und dann auch als Tape bei My Favourite Chords.