Blinker Links:
Achterträger Kronkorken mit Schraube
Fast zehn Jahre ist es her, da fand in der kölschen Altherrenkneipe Image ein bierseliges Ereignis statt: Bei Gerstensaft und Schäpperken wurden AUSGANG OST, geliebt wegen Hits wie „Scherensong“ oder „Morsbach“, umgetauft zu BLINKER LINKS, geliebt wegen Hits wie „Pimmel raus Mofa fahren“ oder „Blinker Links Ficken Tod“. Der feuchtfröhliche Abend ist mir trotz wildem Alkoholkonsum in guter Erinnerung geblieben. Die Kapelle bestand damals aus den Mitgliedern der CHEFDENKER, nur dass Sänger Claus Lüer nicht dabei war und Gitarrist The Kollege Texte und Gesang übernahm. The Kollege sollte auch die einzige Konstante der Band bleiben. Mit seinem Umzug nach Berlin schienen BLINKER LINKS Geschichte, 2012 erschien dann mit „Wir sind doch keine Reggaeband“ doch ein zweites Album mit neuer Besetzung. Nochmal fünf Jahre später liegt hier das frischgepresste dritte Album „Achterträger Kronkorken mit Schraube“ vor mir. Erneut mit anderer Besetzung. Neben dem Kollegen ist Sire Uwe Stahl übriggeblieben. Der hat schon die erste Platte produziert und seit der zweiten irgendein Instrument gespielt. Oder so.
Das Layout gefällt mir gar nicht. Wo sind die sinnfreien Foto-Cover der Vorgänger geblieben? Wenigstens dieser rote Faden wäre bei der verwirrenden Bandgeschichte doch nicht zu viel verlangt gewesen! Schon bei den Songtiteln setzt dann aber dieses wohlige Gefühl ein: Titel wie „Oma sagt geht lieber einen ballern“, „Reden über was hinten raus kommt“ und „Die Regierung verbietet Ohren“ versprechen Auseinandersetzungen mit den wirklich wichtigen Themen dieser Zeit. Und die werden dann auch knallhart verhandelt. Ob fundierte Kapitalismuskritik in „Alles kostet hundert Mark“ oder die Stellung universitärer Autoritäten in unserer Gesellschaft in „Adrian der Dekan muss nach L.A“ - da ist einfach für jeden intellektuellen Straßenpunker was dabei! Und ganz viel Dosenbier. Leider mit deutlich weniger Fäkal- und Geschlechtsteilwörtern als beim Debüt. Musikalisch ist es bei der ganzen Besetzungsrotation fast verwunderlich, dass BLINKER LINKS immer noch so klingen wie anno dazumal. Inklusive Kolleges Gegröle abseits weltlicher Harmonien und zu viel Snare und Becken beim Schlagzeug. Nur die teils ausschweifenden Gitarrensoli sind weniger geworden.
Mal ohne Flachs: „Achterträger Kronkorken mit Schraube“ ist weder ein musikalisches noch lyrisches Meisterwerk. Vielmehr bekommt der Wochenendpunker hier mal wieder die Gelegenheit, richtig asozial durchzudrehen. Nach dem Genuss von Platte oder - viel besser - Konzert kann man dann wieder im Büro oder bei der Familie am Esstisch sitzen und selig lächelnd die Songs vor sich hin summen: „Leute joggen an mir vorbei / und ich denk die armen Schweine hams nicht leicht / möge der Herrgott im Himmel mir verzeihn / ich bin zum Bus gerannt und das reicht!“ („Gestern heute nicht“). 13 Songs in knapp 21 Minuten. Knaller!
Stil: Punkrock
VÖ:
26.05.2017, LP, Bakraufarfita Records (Link)
Tracklist:
01. Achterträger Kronkorken mit Schraube
02. Nein!
03. Oma sagt geht lieber einen ballern
04. Kein Bock aber Gästeliste
05. Adrian, der Dekan, muss nach L.A.
06. Dich erwartet nichts
07. Die Regierung verbietet Ohren
08. Gestern heute nicht
09. Watt is datt denn watt soll datt!?
10. Reden über was hinten raus kommt
11. Alles kostet hundert Mark
12. Sklaven im Anzug
13. Wedel mit dem Shirt in der Luft
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