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Rancid:
Trouble Maker
Da isses! Das neue RANCID Album! In der gar nicht mal so langen Zeitspanne zwischen Ankündigung (Anfang Mai) und Release (Anfang Juni, also jetzt!), mischte sich bei mir zu gleichen Teilen Vorfreude und Besorgnis. Denn mit ihren Alben bis einschließlich der "Indestructible" spielte sich die Band in mein Herz und erreichte bei mir einen All-Time-Favourite Status. Doch dann erschien 2009 "Let The Dominoes Fall", auf dem mich Songs wie "LA River" mit seinem nervigen Boom-Schakalaka-Boom-Refrain oder "The Bravest Kids" mit seinem schwer grenzwertigen Text wahlweise vor Scham und Wut erröten ließen, das jedoch auch Knaller wie "That's Just The Way It Is Now", "Damnnation" und "I Ain`t Worried" beinhaltete.
Vorbei war es mit der uneingeschränkten Liebe!
Dann folgte 2014 "Honor Is All We Know", das ich nicht schlecht fand, so wie der Großteil meiner Bekannten, es brauchte aber deutlich länger bis ich mit vielen der neuen Songs warm wurde und sich einige Favoriten heraus kristallisierten. Doch unterm Strich bleibt auch dies ein vielleicht nicht herausragendes, aber trotzdem annehmbares Album mit einigen starken Songs ("Evil´s My Friend", "Malfunction", "Collision Course") aber auch Unterirdischem ("Grave Digger"). Doch einen wirklichen Hit blieb es einem schuldig, außerdem wirkte es stellenweise arg lieblos für ein Album nach fünf Jahren Pause.
Danach wurde es wieder drei Jahre ruhig um die Truppe, bis auf Glatzkopf Lars Frederiksen, der mit seiner Oi!-Band OLD FIRM CASUALS immer wieder textliche Komplett-Ausfälle lieferte. So gab es auf der aktuellen Scheibe "Wartime Rock´n Roll" nicht nur den Ruf nach einer strengeren Justiz im Fall eines vermögenden Sexual-Straftäters ("Sex Case" / siehe hierzu auch das Review in der "Führerecke" des Plastic Bomb Fanzines #99), sondern auch eine gehörige Portion Pathos im Titeltrack und auf den weiter zurück liegenden Veröffentlichungen Support-your-Troops Geseier ("March On") und dem Ruf nach Selbstjustiz, Todesstrafe oder zumindest unreflektiertem, hilflosen Volkszorn der Marke "Todesstrafe für Kinderschänder" ("Off With Their Heads"). Angemerkt werden sollte aber auch, dass Lars Teil der Band OXLEYS MIDNIGHT RUNNERS ist, in der sich FAT SKINS Sänger Oxley bei einem Track gegen R.A.C und Grauzonen Auswüchse in der Oi!-Szene ausspricht, zu der ihm ja schon das ein oder andere Mal eine Nähe nachgesagt wurde. Band-Kollege Tim Timebomb, wie er mittlerweile genannt werden möchte, vertreibt sich derweil die Zeit mit dem supporten seiner neuen Lieblinge THE INTERRUPTERS, an dessen beiden Alben er nebenbei auch mitwirkte.

Nun aber zum aktuellen Material, damit das Review hier nicht zu einer Komplett-Abhandlung der Bandgeschichte verkommt.

Album Nummer neun startet mit dem sehr kurzen Knüppel-Song "Track Fast", bei dem der Name eigentlich schon alles sagt. Kein schlechter Beginn, aber da ist noch sehr viel Luft nach oben!
Mit "Ghost Of A Chance", Song Nummer zwei auf dem Album, startete vor kurzem eine Reihe von Vorab-Singles, die letzten davon nur noch hörbar über einen bekannten Streaming-Dienst (buh!). Das Lied ließ den Anteil meiner Besorgnis "was da wohl noch kommen mag" aber eher noch wachsen. Einerseits ein typischer RANCID-Track, andererseits mit einem komplett nervigen Gitarren-Solo von Tim Armstrong, Verzeihung Timebomb.
Sehr viel besser gefiel mir da schon "Telegraph Avenue", der alles beinhaltet was ein guter RANCID-Song benötigt: eine eingängige Gitarren-Line, partiell auch mal cleane Gitarren, hervorragende Bass-Arbeit und einen einprägsamen Refrain mit ein paar "aaahahas" und "ohohos". Irgendwie scheint sich aber auch etwas von Johnny Cash´s "Ring Of Fire" eingeschlichen zu haben. Textlich geht es, mal wieder leicht lokalpatriotisch, um die Protest-Kultur der 70er Jahre in Berkley. Der Song hat definitiv Potential zum Anwärter für den "Hit" des Albums.
Das coole, galoppierende "An Intimate Close Up Of A Street Punk Troublemaker", reißt den Flieger wieder weiter nach oben Richtung "Punkrock-Olymp" und hätte auch perfekt auf einem der ersten beiden Alben sein können. Textlich werden ganz lebensnah, so wie man die Band kennt, die Auf und Abs eines Street-Punks thematisiert.
"Where I´m Going" ist der erste und einzige Ska-Song auf dem neuen Album und muss sich hinter den bisher veröffentlichten Tanzflächen-Smashern nicht verstecken. Gerade der Klatsch-Break und das äußerst lässige Gitarren-Solo am Ende des Songs, begleitet von Kevin Bivona von den INTERRUPTERS an der Hammond-Orgel, macht es einem schwer, nicht wenigstens ausgiebig mit dem Fuß zu wippen. Vom Sound her geht es mehr in Richtung eines typischen RANCID Ska/Ska-Punk Songs und weniger in die Roots-Reggae oder Ska-Ecke wie bei Tim Timebombs Solo-Projekt in Zusammenarbeit mit den AGGROLITES.
"Buddy" startet mit einer leicht schrägen Mundharmonika und ruft abermals Erinnerungen an die Anfangstage, aber auch glorreiche Alben wie "...And Out Come The Wolves" hervor und gehört wahrscheinlich zu einem der besten Midtempo-Songs, die RANCID in den letzten Jahren aufgenommen haben.
Kann mir jemand sagen, wer diese "Lola Blue" ist? Im schunkeligen aber auch hymnischen und melodischen "Farewell Lola Blue" wird diese Dame schmerzlich vermisst, 1998 widmete ihr aber auch schon WESTERNHAGEN ein Lied.
Danach geht es mit "All American Neighborhood" ganz im Stil des s/t Albums aus dem Jahr 2000 weiter. Eingeläutet von Matt Freemans typischem Bass-Geboller werden auf 1:14 Minuten keine Gefangenen gemacht. Den Text muss ich mir nochmal genauer anschauen. Textblatt ist aber diesmal Fehlanzeige. Gibt ganz klar einen Abzug in der B-Note. Hinzu kommt nämlich, dass Tim Timebomb mittlerweile eine noch ausgeprägtere Maulsperre zu haben scheint, noch stärker nuschelt und somit stellenweise nahezu unverständlich singt, gerade wenn einem das Englisch nicht in die Wiege gelegt wurde.
Bei "Bouvver Rock´n Roll" gibt es, wie der Name bereits vermuten lässt, knackige Glam-Rock Anleihen, die verdächtig nach geklaut klingen, aber durch ihren stampfigen Beat und den ausschweifenden Solis gut ins Ohr gehen.
Die zweite Hälfte beginnt mit "Make Out Alive" mit seinem leicht pathetischen Chorus, dem mittelmäßigen, weil eintönigem "Molly Make Up Your Mind" und dem flotten "I Got Them Blues Again". Allesamt keine schlechten Songs, allerdings wirkt die Scheibe an dieser Stelle zu variationsarm.
Bei "Molly Make Up Your Mind" hat man fast das Gefühl, die Spucke des Herrn Timebomb auf der Haut zu spüren, so wie er einem den Text entgegen rotzt - bei den Strophen von "I Got Them Blues Again" steht ihm seine verwaschene Aussprache hingegen im Weg.
Wieder rock`n rollig und beswingt geht es in "Beauty Of The Pool Hall" zu, das wieder deutlich zeigt, was Matt Freeman für eine Koryphäe an seinem Instrument ist. Leider ist seine röhrige Stimme diesmal bei keinem der Tracks zu hören.
Mit "Say Goodbye To Our Heroes" ist RANCID eine schöne Ode an all ihre Punkrock-Helden gelungen, die wieder leicht schunkelig, doch noch etwas langsamer wie schon "Farewell Lola Blue" daher kommt.
Bei "I Kept A Promise" mit seinem 77er Einschlag zeigen sich auch wieder Parallelen zu dem leicht rockigen Oi!-Sound, den Lars mit seinen OLD FIRM CASAUALS fabriziert.
Weiter "Back too the Roots" geht es mit "Cold Cold Blood" bei dem es erneut schön gerotzten abgehackten Gesang und durchgängig hohes, aber wie für die Band typisch, holperndes Tempo zu hören gibt.
Hatte das letzte TRANSPLANTS-Album einige Songs die wie maßgeschneidert für ein RANCID-Album waren, ist es beim letzten und härtesten Song "This Is Not The End" genau andersrum. Ich meine auch SKINHEAD ROB (TRANSPLANTS/DEATH MARCH) beim Gesang mitmischen zu hören. Der Track baut sich unter wuchtigen Gitarren-Wänden, kräftigen Drums und wütenden Lyrics immer wieder bedrohlich auf, bevor er nach einem fiesen metallischen Gittarenriff ausfadet. Zu meiner Version in baby-blauem Vinyl gab es noch eine 7" Single oben drauf mit den Songs "We Arrived Right On Time" und "Go On Rise Up". Beide haben aber eher B oder sogar C-Seiten Charakter.

Produziert hat wie immer Brett Gurewitz von BAD RELIGION, der auch wieder ein paar Background-Vocals hinzu gesteuert hat. Über Aufnahmequalität lohnt es mal wieder nicht zu reden, das einfallslose und langweilige Album-Cover hingegen zeugt schon fast von Traditions-Bewusstsein!

Um endlich zum Schluss zu kommen, bleibt eigentlich nur zu sagen dass RANCID mit ihrem neuesten Machwerk meiner Meinung nach das stärkste Album seit "Indestructible" abliefern. "Selbstdemontage" oder "Passables Spätwerk" sehen für mich definitiv anders aus! Hier kann von einem schlechten Album auf keinen Fall die Rede sein. Das behauptete ich einfach mal ganz auf die Gefahr hin, das an zig anderen Stellen das komplette Gegenteil attestiert wird. Durch und durch bleiben sie sich und ihrem Sound treu, gleichzeitig spiegeln sich logischerweise zahlreiche Einflüsse und Aspekte aus ihrer Schaffenphase als Band und ihren Nebenprojekten, in ihrem neuen Album wieder. Da findet man Einflüsse von Street-Punk/Oi!, Rock und Rock`n Roll, diesmal aber leider wenig Ska. Dafür wie ich finde erfreulicherweise wenig Folk, keinen Country oder andere Hillbilly-Mucke. Gerne hätte ich noch ein bisschen mehr zu den Texten auf "Trouble Maker" geschrieben, aber fehlendes Textblatt, Nuschel-Tim und zahlreiche verpasste Englisch-Stunden in der Schule machten es mir unmöglich. So sei es jedem selbst überlassen, möglicherweise den einen oder anderen, nicht P.C.-konformen Ausspruch zu finden. Ich bitte natürlich um sofortige Information! Bis dahin lausche ich weiter dem neuen Album, auch wenn der offensichtliche, herausragende "Hit" auch diesmal wieder fehlt und vieles auch gewohnte Kost ist. Meine eigenen persönlichen Hits hab ich aber bereits gefunden und mit Sicherheit kommen wieder so lange neue hinzu, bis ich das Album auch komplett in mein Herz geschlossen habe.

Over & Oi!
Peter 06/2017
Hörprobe:
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Rancid
Musikstil: Streetpunk, Punkrock
Herkunft: Kalifornien, USA
Homepage: www.rancidrancid.com
Rancid - Trouble Maker

Stil: Punkrock
VÖ: 09.06.2017, CD, LP, Epitaph Records


Tracklist:
01. Track Fast
02. Ghost Of A Chance
03. Telegraph Avenue
04. An Intimate Close Up of a Street Punk Troublemaker
05. Where I'm Going
06. Buddy
07. Farewell Lola Blue
08. All American Neighborhood
09. Bovver Rock And Roll
10. Make It Out Alive
11. Molly Make Up Your Mind
12. I Got Them Blues Again
13. Beauty of the Pool Hall
14. Say Goodbye To Our Heroes
15. I Kept A Promise
16. Cold Cold Blood
17. This Is Not The End
Bonus: We Arrived Right On Time
Bonus: Go On Rise Up



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Zwen
(Zwen)
16.06.2017 00:42
"New Orleans" ist ja mal mit Abstand das beste, was "Let The Dominoes Fall" zu bieten hatte.
Dennis

13.01.2021 14:55
Sehr guter Bericht, werd mir das Album mal besorgen und mir meine eigene Meinung bilden.

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